The Project Gutenberg EBook of Pole Poppensp"ler, by Theodor Storm Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- which requires a binary transfer, or sent as email attachment and may require more specialized programs to display the accents. This is the 8-bit version. This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. POLE POPPENSPAeLER von THEODOR STORM Novelle (1874) Ich hatte in meiner Jugend einige Fertigkeit im Drechseln und beschaeftigte mich sogar wohl etwas mehr damit, als meinen gelehrten Studien zutraeglich war; wenigstens geschah es, dass mich eines Tags der Subrektor bei Rueckgabe eines nicht eben fehlerlosen Exerzitiums seltsamerweise fragte, ob ich vielleicht wieder eine Naehschraube zu meiner Schwester Geburtstag gedrechselt haette. Solch kleine Nachteile wurden indessen mehr als aufgewogen durch die Bekanntschaft mit einem trefflichen Manne, die mir infolge jener Beschaeftigung zuteil wurde. Dieser Mann war der Kunstdrechsler und Mechanikus Paul Paulsen, auch deputierter Buerger unserer Stadt. Auf die Bitte meines Vaters, der fuer alles, was er michunternehmen sah, eine gewisse Gruendlichkeit forderte, verstand er sich dazu, mir die fuer meine kleinen Arbeiten erforderlichen Handgriffe beizubringen. Paulsen besass mannigfache Kenntnisse und war dabei nicht nur von anerkannter Tuechtigkeit in seinem eignen Handwerk, sondern er hatte auch eine Einsicht in die kuenftige Entwicklung der Gewerke ueberhaupt, so dass bei manchem, was jetzt als neue Wahrheit verkuendigt wird, mir ploetzlich einfaellt: das hat dein alter Paulsen ja schon vor vierzig Jahren gesagt. --Es gelang mir bald, seine Zuneigung zu erwerben, und er sah es gern, wenn ich noch ausser den festgesetzten Stunden am Feierabend einmal zu ihm kam. Dann sassen wir entweder in der Werkstaette oder sommers--denn unser Verkehr hat jahrelang gedauert--auf der Bank unter der grossen Linde seines Gaertchens. In den Gespraechen, die wir dabei fuehrten, oder vielmehr, welche mein aelterer Freund dabei mit mir fuehrte, lernte ich Dinge kennen und auf Dinge meine Gedanken richten, von denen, so wichtig sie im Leben sind, ich spaeter selbst in meinen Primaner-Schulbuechern keine Spur gefunden habe. Paulsen war seiner Abkunft nach ein Friese und der Charakter dieses Volksstammes aufs schoenste in seinem Antlitz ausgepraegt; unter dem schlichten blonden Haar die denkende Stirn und die blauen sinnenden Augen; dabei hatte, vom Vater ererbt, seine Stimme noch etwas von dem weichen Gesang seiner Heimatsprache. Die Frau dieses nordischen Mannes war braun und von zartem Gliederbau, ihre Sprache von unverkennbar sueddeutschem Klange. Meine Mutter pflegte von ihr zu sagen, ihre schwarzen Augen koennten einen See ausbrennen, in ihrer Jugend aber sei sie von seltener Anmut gewesen.--Trotz der silbernen Faedchen, die schon ihr Haar durchzogen, war auch jetzt die Lieblichkeit dieser Zuege noch nicht verschwunden, und das der Jugend angeborene Gefuehl fuer Schoenheit veranlasste mich bald, ihr, wo ich immer konnte, mit kleinen Diensten und Gefaelligkeiten an die Hand zu gehen. "Da schau mir nur das Buberl", sagte sie dann wohl zu ihrem Mann; "Wirst doch nit eifersuechtig werden, Paul?" Dann laechelte Paul. Und aus ihren Scherzworten und aus seinem Laecheln sprach das Bewusstsein innigsten Zusammengehoerens. Sie hatten ausser einem Sohne, der damals in der Fremde war, keine Kinder, und vielleicht war ich den beiden zum Teil deshalb so willkommen, zumal Frau Paulsen mir wiederholt versicherte, ich habe grad ein so lustigs Naserl wie ihr Joseph. Nicht verschweigen will ich, dass letztere auch eine mir sehr zusagende, in unserer Stadt aber sonst gaenzlich unbekannte Mehlspeise zu bereiten verstand und auch nicht unterliess, mich dann und wann zu Gast zu bitten.--So waren denn dort der Anziehungskraefte fuer mich genug. Von meinem Vater aber wurde mein Verkehr in dem tuechtigen Buergerhause gern gesehen. "Sorge nur, dass du nicht laestig faellst!" war das einzige, woran er in dieser Beziehung zuweilen mich erinnerte. Ich glaube indessen nicht, dass ich meinen Freunden je zu oft gekommen bin. Da geschah es eines Tages, dass in meinem elterlichen Hause einem alten Herrn aus unserer Stadt das neueste und wirklich ziemlich gelungene Werk meiner Haende vorgezeigt wurde. Als dieser seine Bewunderung zu erkennen gab, bemerkte mein Vater dagegen, dass ich ja aber auch schon seit fast einem Jahr bei Meister Paulsen in der Lehre sei. "So, so", erwiderte der alte Herr; "bei Pole Poppenspaeler!" Ich hatte nie gehoert, dass mein Freund einen solchen Beinamen fuehre, und fragte, vielleicht ein wenig naseweis, was das bedeuten solle. Aber der alte Herr laechelte nur ganz hinterhaeltig und wollte keine weitere Auskunft geben.-Zum kommenden Sonntag war ich von den Paulsenschen Eheleuten auf den Abend eingeladen, um ihnen ihren Hochzeitstag feiern zu helfen. Es war im Spaetsommer, und da ich mich fruehzeitig auf den Weg gemacht und die Hausfrau noch in der Kueche zu wirtschaften hatte, so ging Paulsen mit mir in den Garten, wo wir uns zusammen unter der grossen Linde auf die Bank setzten. Mir war das "Pole Poppenspaeler" wieder eingefallen, und es ging mir so im Kopf herum, dass ich kaum auf seine Reden Antwort gab; endlich, da er mich fast ein wenig ernst wegen meiner Zerstreutheit zurechtgewiesen hatte, fragte ich ihn gradezu, was jener Beiname zu bedeuten habe. Er wurde sehr zornig. "Wer hat dich das dumme Wort gelehrt?" rief er, indem er von seinem Sitze aufsprang. Aber bevor ich noch zu antworten vermochte, sass er schon wieder neben mir. "Lass, lass!" sagte er, sich besinnend, "es bedeutet ja eigentlich das Beste, was das Leben mir gegeben hat.--Ich will es dir erzaehlen; wir haben wohl noch Zeit dazu."-- ----------------------------- In diesem Haus und Garten bin ich aufgewachsen, meine braven Eltern wohnten hier, und hoffentlich wird einst mein Sohn hier wohnen!--Dass ich ein Knabe war, ist nun schon lange her; aber gewisse Dinge aus jener Zeit stehen noch, wie mit farbigem Stift gezeichnet, vor meinen Augen. Neben unserer Haustuer stand damals eine kleine weisse Bank mit gruenen Staeben in den Rueck- und Seitenlehnen, von der man nach der einen Seite die lange Strasse hinab bis an die Kirche, nach der andern aus der Stadt hinaus bis in die Felder sehen konnte. An Sommerabenden sassen meine Eltern hier, der Ruhe nach der Arbeit pflegend; in den Stunden vorher aber pflegte ich sie in Beschlag zu nehmen und hier in der freien Luft und unter erquickendem Ausblick nach Ost und West meine Schularbeiten anzufertigen. So sass ich auch eines Nachmittags--ich weiss noch gar wohl, es war im September, eben nach unserem Michaelis-Jahrmarkte--und schrieb fuer den Rechenmeister meine Algebra-Exempel auf die Tafel, als ich unten von der Strasse ein seltsames Gefaehrt heraufkommen sah. Es war ein zweiraedriger Karren, der von einem kleinen rauhen Pferde gezogen wurde. Zwischen zwei ziemlich hohen Kisten, mit denen er beladen war, sass eine grosse blonde Frau mit steifen hoelzernen Gesichtszuegen und ein etwa neunjaehriges Maedchen, das sein schwarzhaariges Koepfchen lebhaft von einer Seite nach der andern drehte; nebenher ging, den Zuegel in der Hand, ein kleiner, lustig blickender Mann, dem unter seiner gruenen Schirmmuetze die kurzen schwarzen Haare wie Spiesse vom Kopfe abstanden. So, unter dem Gebimmel eines Gloeckchens, das unter dem Halse des Pferdes hing, kamen sie heran. Als sie die Strasse vor unserem Hause erreicht hatten, machte der Karren halt. "Du Bub", rief die Frau zu mir herueber, "wo ist denn die Schneiderherberg?" Mein Griffel hatte schon lange geruht; nun sprang ich eilfertig auf und trat an den Wagen. "Ihr seid grad davor", sagte ich und wies auf das alte Haus mit der viereckig geschorenen Linde, das, wie du weisst, noch jetzt hier gegenueber liegt. Das feine Dirnchen war zwischen den Kisten aufgestanden, streckte das Koepfchen aus der Kapuze ihres verschossenen Maentelchens und sah mit ihren grossen Augen auf mich herab; der Mann aber, mit einem "Sitz ruhig, Diendl!" und "Schoenen Dank, Bub!" peitschte auf den kleinen Gaul und fuhr vor die Tuer des bezeichneten Hauses, aus dem auch schon der dicke Herbergsvater in seiner gruenen Schuerze ihm entgegentrat. Dass die Ankoemmlinge nicht zu den zunftberechtigten Gaesten des Hauses gehoerten, musste mir freilich klar sein; aber es pflegten dort--was mir jetzt, wenn ich es bedenke, mit der Reputation des wohlehrsamen Handwerks sich keineswegs reimen will--auch andere, mir viel angenehmere Leute einzukehren. Droben im zweiten Stock, wo noch heute statt der Fenster nur einfache Holzluken auf die Strasse gehen, war das hergebrachte Quartier aller fahrenden Musikanten, Seiltaenzer oder Tierbaendiger, welche in unserer Stadt ihre Kunst zum besten gaben. Und richtig, als ich am andern Morgen oben in meiner Kammer vor dem Fenster stand und meinen Schulsack schnuerte, wurde drueben eine der Luken aufgestossen; der kleine Mann mit den schwarzen Haarspiessen steckte seinen Kopf ins Freie und dehnte sich mit beiden Armen in die frische Luft hinaus; dann wandte er den Kopf hinter sich nach dem dunkeln Raum zurueck, und ich hoerte ihn "Lisei! Lisei!" rufen.--Da draengte sich unter seinem Arm ein rosiges Gesichtlein vor, um das wie eine Maehne das schwarze Haar herabfiel. Der Vater wies mit dem Finger nach mir herueber, lachte und zupfte sie ein paarmal an ihren seidenen Straehnen. Was er zu ihr sprach, habe ich nicht verstehen koennen; aber es mag wohl ungefaehr gelautet haben. "Schau dir ihn an, Lisei! Kennst ihn noch, den Bubn von gestern?--Der arme Narr, da muss er nun gleich mit dem Ranzen in die Schule traben!--Was du fuer ein glueckliches Diendl bist, die du allweg nur mit unserem Braunen landab, landauf zu fahren brauchst!"--Wenigstens sah die Kleine ganz mitleidig zu mir herueber, und als ich es wagte, ihr freundlich zuzunicken, nickte sie sehr ernsthaft wieder. Bald aber zog der Vater seinen Kopf zurueck und verschwand im Hintergrund seines Bodenraumes. Statt seiner trat jetzt die grosse blonde Frau zu dem Kinde; sie bemaechtigte sich ihres Kopfes und begann ihr das Haar zu straehlen. Das Geschaeft schien schweigend vollzogen zu werden, und das Lisei durfte offenbar nicht mucksen, obgleich es mehrmals, wenn ihr der Kamm so in den Nacken hinabfuhr, die eckigsten Figuren mit ihrem roten Maeulchen bildete. Nur einmal hob sie den Arm und liess ein langes Haar ueber die Linde draussen in die Morgenluft hinausfliegen. Ich konnte von meinem Fenster aus es glaenzen sehen; denn die Sonne war eben durch den Herbstnebel gedrungen und schien drueben auf den oberen Teil des Herbergshauses. Auch in den vorhin undurchdringlich dunkeln Bodenraum konnte ich jetzt hineinsehen. Ganz deutlich erblickte ich in einem daemmerigen Winkel den Mann an einem Tische sitzen; in seiner Hand blinkte etwas wie Gold oder Silber; dann wieder war's wie ein Gesicht mit einer ungeheueren Nase; aber sosehr ich meine Augen anstrengte, ich vermochte nicht klug daraus zu werden. Ploetzlich hoerte ich, als wenn etwas Hoelzernes in einen Kasten geworfen wuerde, und nun stand der Mann auf und lehnte aus einer zweiten Luke sich wieder auf die Strasse hinaus. Die Frau hatte indessen der kleinen schwarzen Dirne ein verschossenes rotes Kleidchen angezogen und ihr die Haarflechten wie einen Kranz um das runde Koepfchen gelegt. Ich sah noch immer hinueber. "Einmal" dachte ich, "koennte sie doch wieder nicken."--"Paul, Paul!" hoerte ich ploetzlich unten aus unserem Hause die Stimme meiner Mutter rufen. "Ja, ja, Mutter!" Es war mir ordentlich wie ein Schrecken in die Glieder geschlagen. "Nun", rief sie wieder, "der Rechenmeister wird dir schoen die Zeit verdeutschen! Weisst du denn nicht, dass es lang schon sieben geschlagen hat?" Wie rasch polterte ich die Treppe hinunter! Aber ich hatte Glueck; der Rechenmeister war grad dabei, seine Bergamotten abzunehmen, und die halbe Schule befand sich in seinem Garten, um mit Haenden und Maeulern ihm dabei zu helfen. Erst um neun Uhr sassen wir alle mit heissen Backen und lustigen Gesichtern an Tafel und Rechenbuch auf unseren Baenken. Als ich um elf, die Taschen noch von Birnen starrend, aus dem Schulhofe trat, kam eben der dicke Stadtausrufer die Strasse herauf. Er schlug mit dem Schluessel an sein blankes Messingbecken und rief mit seiner Bierstimme: "Der Mechanikus und Puppenspieler Herr Joseph Tendler aus der Residenzstadt Muenchen ist gestern hier angekommen und wird heute abend im Schuetzenhofsaale seine erste Vorstellung geben. Vorgestellt wird: Pfalzgraf Siegfried und die heilige Genoveva, Puppenspiel mit Gesang in vier Aufzuegen." Dann raeusperte er sich und schritt wuerdevoll in der meinem Heimwege entgegengesetzten Richtung weiter. Ich folgte ihm von Strasse zu Strasse, um wieder und wieder die entzueckende Verkuendigung zu hoeren; denn niemals hatte ich eine Komoedie, geschweige denn ein Puppenspiel gesehen.--Als ich endlich umkehrte, sah ich ein rotes Kleidchen mir entgegenkommen; und wirklich, es war die kleine Puppenspielerin; trotz ihres verschossenen Anzugs schien sie mir von einem Maerchenglanz umgeben. Ich fasste mir ein Herz und redete sie an: "Willst du spazierengehen, Lisei?" Sie sah mich misstrauisch aus ihren schwarzen Augen an. "Spazieren?" wiederholte sie gedehnt. "Ach du--du bist g'scheit!" "Wohin willst du denn?" --"Zum Ellenkramer will i!" "Willst du dir ein neues Kleid kaufen?" fragte ich toelpelhaft genug. Sie lachte laut auf. "Geh! lass mi aus!--Nein; nur so Fetz'ln!" "Fetz'ln, Lisei?" --"Freili! Halt nur so Resteln zu G'wandl fuer die Pupp'n; 's kost't immer nit viel!" Ein gluecklicher Gedanke fuhr mir durch den Kopf. Ein alter Onkel von mir hatte damals am Markte hier eine Ellenwarenhandlung, und sein alter Ladendiener war mein guter Freund. "Komm mit mir", sagte ich kuehn, "es soll dir gar nichts kosten, Lisei!" "Meinst?" fragte sie noch; dann liefen wir beide nach dem Markt und in das Haus des Onkels. Der alte Gabriel stand wie immer in seinem pfeffer- und salzfarbenen Rock hinter dem Ladentisch, und als ich ihm unser Anliegen deutlich gemacht hatte, kramte er gutmuetig einen Haufen "Rester" auf den Tisch zusammen. "Schau, das huebsch Brinnrot!" sagte Lisei und nickte begehrlich nach einem Stueckchen franzoesischen Kattuns hinueber. "Kannst es brauchen?" fragte Gabriel.--Ob sie es brauchen konnte! Der Ritter Siegfried sollte ja auf den Abend noch eine neue Weste geschneidert bekommen. "Aber da gehoeren auch die Tressen noch dazu", sagte der Alte und brachte allerlei Endchen Gold- und Silberflitter. Bald kamen noch gruene und gelbe Seidenlaeppchen und Baender, endlich ein ziemlich grosses Stueck braunen Pluesches. "Nimm's nur, Kind!" sagte Gabriel. "Das gibt ein Tierfell fuer euere Genoveva, wenn das alte vielleicht verschossen waere!" Dann packte er die ganze Herrlichkeit zusammen und legte sie der Kleinen in den Arm. "Und es kost't nix?" fragte sie beklommen. Nein, es kostete nichts. Ihre Augen leuchteten. "Schoen' Dank, guter Mann! Ach, wird der Vater schauen!" Hand in Hand, Lisei mit ihrem Paeckchen unter dem Arm, verliessen wir den Laden; als wir aber in die Naehe unserer Wohnung kamen, liess sie mich los und rannte ueber die Strasse nach der Schneiderherberge, dass ihr die schwarzen Flechten in den Nacken flogen.--Nach dem Mittagessen stand ich vor unserer Haustuer und erwog unter Herzklopfen das Wagnis, schon heute zur ersten Vorstellung meinen Vater um das Eintrittsgeld anzugehen; ich war ja mit der Galerie zufrieden, und sie sollte fuer uns Jungens nur einen Doppeltschilling kosten. Da, bevor ich's noch bei mir ins reine gebracht hatte, kam das Lisei ueber die Strasse zu mir hergeflogen. "Der Vater schickt's!" sagte sie, und eh ich mich's versah, war sie wieder fort; aber in meiner Hand hielt ich eine rote Karte, darauf stand mit grossen Buchstaben: Erster Platz. Als ich aufblickte, winkte auch von drueben der kleine schwarze Mann mit beiden Armen aus der Bodenluke zu mir herueber. Ich nickte ihm zu; was mussten das fuer nette Leute sein, diese Puppenspieler! "Also heute abend", sagte ich zu mir selber, "heute abend und--Erster Platz!" ----------------------------- Du kennst unsern Schuetzenhof in der Suederstrasse; auf der Haustuer sah man damals noch einen schoen gemalten Schuetzen in Lebensgroesse, mit Federhut und Buechse; im uebrigen war aber der alte Kasten damals noch baufaelliger, als er heute ist. Die Gesellschaft war bis auf drei Mitglieder herabgesunken; die vor Jahrhunderten von den alten Landesherzoegen geschenkten silbernen Pokale, Pulverhoerner und Ehrenketten waren nach und nach verschleudert; den grossen Garten, der, wie du weisst, auf den Buergersteig hinauslaeuft, hatte man zur Schaf- und Ziegengraesung verpachtet. Das alte zweistoeckige Haus wurde von niemandem weder bewohnt noch gebraucht; windrissig und verfallen stand es da zwischen den munteren Nachbarhaeusern; nur in dem oeden weissgekalkten Saale, der fast das ganze obere Stockwerk einnahm, produzierten mitunter starke Maenner oder durchreisende Taschenspieler ihre Kuenste. Dann wurde unten die grosse Haustuer mit dem gemalten Schuetzenbruder knarrend aufgeschlossen. --Langsam war es Abend geworden; und--das Ende trug die Last, denn mein Vater wollte mich erst fuenf Minuten vor dem angesetzten Glockenschlage laufen lassen; er meinte, eine Uebung in der Geduld sei sehr vonnoeten, damit ich im Theater stillesitze. Endlich war ich an Ort und Stelle. Die grosse Tuer stand offen, und allerlei Leute wanderten hinein; denn derzeit ging man noch gern zu solchen Vergnuegungen; nach Hamburg war eine weite Reise, und nur wenige hatten sich die kleinen Dinge zu Hause durch die dort zu schauenden Herrlichkeiten leid machen koennen.--Als ich die eichene Wendeltreppe hinaufgestiegen war, fand ich Liseis Mutter am Eingange des Saales an der Kasse sitzen. Ich naeherte mich ihr ganz vertraulich und dachte, sie wuerde mich so recht als einen alten Bekannten begruessen; aber sie sass stumm und starr und nahm mir meine Karte ab, als wenn ich nicht die geringste Beziehung zu ihrer Familie haette.--Etwas gedemuetigt trat ich in den Saal; der kommenden Dinge harrend, plauderte alles mit halber Stimme durcheinander; dazu fiedelte unser Stadtmusikus mit drei seiner Gesellen. Das erste, worauf meine Augen fielen, war in der Tiefe des Saales ein roter Vorhang oberhalb der Musikantenplaetze. Die Malerei in der Mitte desselben stellte zwei lange Trompeten vor, die kreuzweise ueber einer goldenen Leier lagen; und, was mir damals sehr sonderbar erschien, an dem Mundstueck einer jeden hing, wie mit den leeren Augen daraufgeschoben, hier eine finster, dort eine lachend ausgepraegte Maske.--Die drei vordersten Plaetze waren schon besetzt; ich draengte mich in die vierte Bank, wo ich einen Schulkameraden bemerkt hatte, der dort neben seinen Eltern sass. Hinter uns bauten sich die Plaetze schraeg ansteigend in die Hoehe, so dass der letzte, die sogenannte Galerie, welche nur zum Stehen war, sich fast mannshoch ueber dem Fussboden befinden mochte. Auch dort schien es wohlgefuellt zu sein; genau vermochte ich es nicht zu sehen, denn die wenigen Talglichter, welche in Blechlampetten an den beiden Seitenwaenden brannten, verbreiteten nur eine schwache Helligkeit; auch dunkelte die schwere Balkendecke des Saales. Mein Nachbar wollte mir eine Schulgeschichte erzaehlen; ich begriff nicht, wie er an so etwas denken konnte, ich schaute nur auf den Vorhang, der von den Lampen des Podiums und der Musikantenpulte feierlich beleuchtet war. Und jetzt ging ein Wehen ueber seine Flaeche, die geheimnisvolle Welt hinter ihm begann sich schon zu regen; noch einen Augenblick, da erscholl das Laeuten eines Gloeckchens, und waehrend unter den Zuschauern das summende Geplauder wie mit einem Schlage verstummte, flog der Vorhang in die Hoehe.--Ein Blick auf die Buehne versetzte mich um tausend Jahre rueckwaerts. Ich sah in einen mittelalterlichen Burghof mit Turm und Zugbruecke; zwei kleine ellenlange Leute standen in der Mitte und redeten lebhaft miteinander. Der eine mit dem schwarzen Barte, dem silbernen Federhelm und dem goldgestickten Mantel ueber dem roten Unterkleide war der Pfalzgraf Siegfried; er wollte gegen die heidnischen Mohren in den Krieg reiten und befahl seinem jungen Hausmeister Golo, der in blauem silbergesticktem Wamse neben ihm stand, zum Schutze der Pfalzgraefin Genoveva in der Burg zurueckzubleiben. Der treulose Golo aber tat gewaltig wild, dass er seinen guten Herrn so allein in das grimme Schwerterspiel sollte reiten lassen. Sie drehten bei diesen Wechselreden die Koepfe hin und her und fochten heftig und ruckweise mit den Armen.--Da toenten kleine langgezogene Trompetentoene von draussen hinter der Zugbruecke, und zugleich kam auch die schoene Genoveva in himmelblauem Schleppkleide hinter dem Turm hervorgestuerzt und schlug beide Arme ueber des Gemahls Schultern: "Oh, mein herzallerliebster Siegfried, wenn dich die grausamen Heiden nur nicht massakrieren!" Aber es half ihr nichts; noch einmal ertoenten die Trompeten, und der Graf schritt steif und wuerdevoll ueber die Zugbruecke aus dem Hofe; man hoerte deutlich draussen den Abzug des gewappneten Trupps. Der boese Golo war jetzt Herr der Burg.-Und nun spielte das Stueck sich weiter, wie es in deinem Lesebuch gedruckt steht.--Ich war auf meiner Bank ganz wie verzaubert; diese seltsamen Bewegungen, diese feinen oder schnurrenden Puppenstimmchen, die denn doch wirklich aus ihrem Munde kamen--es war ein unheimliches Leben in diesen kleinen Figuren, das gleichwohl meine Augen wie magnetisch auf sich zog. Im zweiten Aufzuge aber sollte es noch besser kommen.--Da war unter den Dienern auf der Burg einer im gelben Nankinganzug, der hiess Kasperl. Wenn dieser Bursche nicht lebendig war, so war noch niemals etwas lebendig gewesen; er machte die ungeheuersten Witze, so dass der ganze Saal vor Lachen bebte; in seiner Nase, die so gross wie eine Wurst war, musste er jedenfalls ein Gelenk haben; denn wenn er so sein dumm-pfiffiges Lachen herausschuettelte, so schlenkerte der Nasenzipfel hin und her, als wenn auch er sich vor Lustigkeit nicht zu lassen wuesste; dabei riss der Kerl seinen grossen Mund auf und knackte, wie eine alte Eule, mit den Kinnbacksknochen. "Pardauz!" schrie es; so kam er immer auf die Buehne gesprungen; dann stellte er sich hin und sprach erst bloss mit seinem grossen Daumen; den konnte er so ausdrucksvoll hin und wider drehen, dass es ordentlich ging wie "Hier nix und da nix! Kriegst du nix, so hast du nix!" Und dann sein Schielen;--das war so verfuehrerisch, dass im Augenblick dem ganzen Publikum die Augen verquer im Kopfe standen. Ich war ganz vernarrt in den lieben Kerl! Endlich war das Spiel zu Ende, und ich sass wieder zu Hause in unserer Wohnstube und verzehrte schweigend das Aufgebratene, das meine gute Mutter mir warm gestellt hatte. Mein Vater sass im Lehnstuhl und rauchte seine Abendpfeife. "Nun, Junge", rief er, "waren sie lebendig?" "Ich weiss nicht, Vater", sagte ich und arbeitete weiter in meiner Schuessel; mir war noch ganz verwirrt zu Sinne. Er sah mir eine Weile mit seinem klugen Laecheln zu. "Hoere, Paul", sagte er dann, "du darfst nicht zu oft in diesen Puppenkasten; die Dinger koennten dir am Ende in die Schule nachlaufen." Mein Vater hatte nicht unrecht. Die Algebraaufgaben gerieten mir in den beiden naechsten Tagen so maessig, dass der Rechenmeister mich von meinem ersten Platz herabzusetzen drohte.--Wenn ich in meinem Kopfe rechnen wollte: "a + b gleich x = c", so hoerte ich statt dessen vor meinen Ohren die feine Vogelstimme der schoenen Genoveva: "Ach, mein herzallerliebster Siegfried, wenn dich die boesen Heiden nur nicht massakrieren!" Einmal--aber es hat niemand gesehen--schrieb ich sogar "x + Genoveva" auf die Tafel.--Des Nachts in meiner Schlafkammer rief es einmal ganz laut "Pardauz", und mit einem Satz kam der liebe Kasperl in seinem Nankinganzug zu mir ins Bett gesprungen, stemmte seine Arme zu beiden Seiten meines Kopfes in das Kissen und rief, grinsend auf mich herabnickend: "Ach, du liebs Bruederl! Ach, du hertausig liebs Bruederl!" Dabei hackte er mir mit seiner langen roten Nase in die meine, dass ich davon erwachte. Da sah ich denn freilich, dass es nur ein Traum gewesen war. Ich verschloss das alles in meinem Herzen und wagte zu Hause kaum den Mund aufzutun von der Puppenkomoedie. Als aber am naechsten Sonntag der Ausrufer wieder durch die Strassen ging, an sein Becken schlug und laut verkuendigte: "Heute abend auf dem Schuetzenhof: Doktor Fausts Hoellenfahrt, Puppenspiel in vier Aufzuegen!"--da war es doch nicht laenger auszuhalten. Wie die Katze um den heissen Brei, so schlich ich um meinen Vater herum, und endlich hatte er meinen stummen Blick verstanden.--"Pole", sagte er, "es koennte dir ein Tropfen Blut vom Herzen gehen; vielleicht ist's die beste Kur, dich einmal gruendlich satt zu machen." Damit langte er in die Westentasche und gab mir einen Doppeltschilling. Ich rannte sofort aus dem Hause; erst auf der Strasse wurde es mir klar, dass ja noch acht lange Stunden bis zum Anfang der Komoedie abzuleben waren. So lief ich denn hinter den Gaerten auf den Buergersteig. Als ich an den offenen Grasgarten des Schuetzenhofs gekommen war, zog es mich unwillkuerlich hinein; vielleicht, dass gar einige Puppen dort oben aus den Fenstern guckten; denn die Buehne lag ja an der Rueckseite des Hauses. Aber ich musste dann erst durch den oberen Teil des Gartens, der mit Linden- und Kastanienbaeumen dicht bestanden war. Mir wurde etwas zag zumute; ich wagte doch nicht weiter vorzudringen. Ploetzlich erhielt ich von einem grossen, hier angepflockten Ziegenbock einen Stoss in den Ruecken, dass ich um zwanzig Schritte weiter flog. Das half; als ich mich umsah, stand ich schon unter den Baeumen. Es war ein trueber Herbsttag; einzelne gelbe Blaetter sanken schon zur Erde; ueber mir in der Luft schrien ein paar Strandvoegel, die ans Haff hinausflogen; kein Mensch war zu sehen noch zu hoeren. Langsam schritt ich durch das Unkraut, das auf den Steigen wucherte, bis ich einen schmalen Steinhof erreicht hatte, der den Garten von dem Hause trennte.--Richtig! Dort von oben schauten zwei grosse Fenster in den Hof herab; aber hinter den kleinen in Blei gefassten Scheiben war es schwarz und leer, keine Puppe war zu sehen. Ich stand eine Weile, mir wurde ganz unheimlich in der mich rings umgebenden Stille. Da sah ich, wie unten die schwere Hoftuer von innen eine Handbreit geoeffnet wurde, und zugleich lugte auch ein schwarzes Koepfchen daraus hervor. "Lisei!" rief ich. Sie sah mich gross mit ihren dunklen Augen an. "B'huet Gott!" sagte sie, "hab i doch nit gewusst, was da aussa rumkraxln taet! Wo kommst denn du daher?" "Ich?--Ich geh spazieren, Lisei!--Aber sag mir, spielt ihr denn schon jetzt Komoedie?" Sie schuettelte lachend den Kopf. "Aber, was machst du denn hier?" fragte ich weiter, indem ich ueber den Steinhof zu ihr trat. "I wart auf den Vater", sagte sie, "er ist ins Quartier, um Band und Nagel zu holen, er macht's halt firti fuer heut abend." "Bist du denn ganz allein hier, Lisei?" --"O nei; du bist ja aa no da!" "Ich meine", sagte ich, "ob nicht deine Mutter oben auf dem Saal ist?" Nein, die Mutter sass in der Herberge und besserte die Puppenkleider aus; das Lisei war hier ganz allein. "Hoer", begann ich wieder, "du koenntest mir einen Gefallen tun; es ist unter eueren Puppen einer, der heisst Kasperl; den moecht ich gar zu gern einmal in der Naehe sehen." "Den Wurstl meinst?" sagte Lisei und schien sich eine Weile zu bedenken. "Nu, es ging scho; aber g'schwind musst sein, eh denn der Vater wieder da ist!" Mit diesen Worten waren wir schon ins Haus getreten und liefen eilig die steile Wendeltreppe hinauf.--Es war fast dunkel in dem grossen Saale; denn die Fenster, welche saemtlich nach dem Hofe hinaus lagen, waren von der Buehne verdeckt; nur einzelne Lichtstreifen fielen durch die Spalten des Vorhangs. "Komm!" sagte Lisei und hob seitwaerts an der Wand die dort aus einem Teppich bestehende Verkleidung in die Hoehe; wir schluepften hindurch, und da stand ich in dem Wundertempel.--Aber von der Rueckseite betrachtet und hier in der Tageshelle sah er ziemlich klaeglich aus; ein Geruest aus Latten und Brettern, worueber einige buntbekleckste Leinwandstuecke hingen; das war der Schauplatz, auf welchem das Leben der heiligen Genoveva so taeuschend an mir voruebergegangen war. Doch ich hatte mich zu frueh beklagt; dort, an einem Eisendrahte, der von einer Kulisse nach der Wand hinuebergespannt war, sah ich zwei der wunderbaren Puppen schweben; aber sie hingen mit dem Ruecken gegen mich, so dass ich sie nicht erkennen konnte. "Wo sind die andern, Lisei?" fragte ich; denn ich haette gern die ganze Gesellschaft auf einmal mir besehen. "Hier im Kast'l", sagte Lisei und klopfte mit ihrer kleinen Faust auf eine im Winkel stehende Kiste; "die zwei da sind schon zug'richt; aber geh nur her dazu und schau's dir a; er is scho dabei, dei Freund, der Kasperl!" Und wirklich, er war es selber. "Spielt denn der heute abend auch wieder mit?" fragte ich. "Freili, der is allimal dabei!" Mit untergeschlagenen Armen stand ich und betrachtete meinen lieben lustigen Allerweltskerl. Da baumelte er, an sieben Schnueren aufgehaengt; sein Kopf war vornuebergesunken, dass seine grossen Augen auf den Fussboden stierten und ihm die rote Nase wie ein breiter Schnabel auf der Brust lag. "Kasperle, Kasperle", sagte ich bei mir selber, "Wie haengst du da elendiglich." Da antwortete es ebenso: "Wart nur, liebs Bruederl, wart nur bis heut abend!"--War das auch nur so in meinen Gedanken, oder hatte Kasperl selbst zu mir gesprochen?-Ich sah mich um. Das Lisei war fort; sie war wohl vor die Haustuer, um die Rueckkehr ihres Vaters zu ueberwachen. --Da hoerte ich sie eben noch von dem Ausgang des Saales rufen: "Dass d' mir aber nit an die Puppen ruehrst!"--Ja--nun konnte ich es aber doch nicht lassen. Leise stieg ich auf eine neben mir stehende Bank und begann erst an der einen, dann an der andern Schnur zu ziehen; die Kinnladen fingen an zu klappen, die Arme hoben sich, und jetzt fing auch der wunderbare Daumen an, ruckweise hin und her zu schiessen. Die Sache machte gar keine Schwierigkeit; ich hatte mir die Puppenspielerei doch kaum so leicht gedacht.--Aber die Arme bewegten sich nur nach vorn und hinten aus; und es war doch gewiss, dass Kasperle sie in dem neulichen Stueck auch seitwaerts ausgestreckt, ja, dass er sie sogar ueber dem Kopf zusammengeschlagen hatte! Ich zog an allen Draehten, ich versuchte mit der Hand die Arme abzubiegen; aber es wollte nicht gelingen. Auf einmal tat es einen leisen Krach im Innern der Figur. "Halt!" dachte ich, "Hand vom Brett! Da haettst du koennen Unheil anrichten!" Leise stieg ich wieder von meiner Bank herab, und zugleich hoerte ich auch Lisei von aussen in den Saal treten. "G'schwind, g'schwind!" rief sie und zog mich durch das Dunkel an die Wendeltreppe hinaus; "'s is eigentli nit recht", fuhr sie fort, "dass i di eilass'n hab; aber, gel, du hast doch dei Gaudi g'habt!" Ich dachte an den leisen Krach von vorhin. "Ach, es wird ja nichts gewesen sein!" Mit dieser Selbsttroestung lief ich die Treppe hinab und durch die Hintertuer ins Freie. Soviel stand fest, der Kaspar war doch nur eine richtige Holzpuppe; aber das Lisei--was das fuer eine allerliebste Sprache fuehrte! und wie freundlich sie mich gleich zu den Puppen mit hinaufgenommen hatte! --Freilich, und sie hatte es ja auch selbst gesagt, dass sie es so heimlich vor ihrem Vater getan, das war nicht voellig in der Ordnung. Unlieb--zu meiner Schande muss ich's gestehen--war diese Heimlichkeit mir grade nicht; im Gegenteil, die Sache bekam fuer mich dadurch noch einen wuerzigen Beigeschmack, und es muss ein recht selbstgefaelliges Laecheln auf meinem Gesicht gestanden haben, als ich durch die Linden- und Kastanienbaeume des Gartens wieder nach dem Buergersteig hinabschlenderte. Allein zwischen solchen schmeichelnden Gedanken hoerte ich von Zeit zu Zeit vor meinem inneren Ohre immer jenen leisen Krach im Koerper der Puppe; was ich auch vornahm, den ganzen Tag ueber konnte ich diesen jetzt aus meiner eigenen Seele herauftoenenden unbequemen Laut nicht zum Schweigen bringen. Es hatte sieben Uhr geschlagen; im Schuetzenhofe war heute, am Sonntagabend, alles besetzt; ich stand diesmal hinten, fuenf Schuh hoch ueber dem Fussboden, auf dem Doppeltschillingsplatze. Die Talglichter brannten in den Blechlampetten, der Stadtmusikus und seine Gesellen fiedelten; der Vorhang rollte in die Hoehe. Ein hochgewoelbtes gotisches Zimmer zeigte sich. Vor einem aufgeschlagenen Folianten sass im langen schwarzen Talar der Doktor Faust und klagte bitter, dass ihm all seine Gelehrsamkeit so wenig einbringe; keinen heilen Rock habe er mehr am Leibe, und vor Schulden wisse er sich nicht zu lassen; so wolle er denn jetzo mit der Hoelle sich verbinden.--"Wer ruft nach mir?" ertoente zu seiner Linken eine furchtbare Stimme von der Woelbung des Gemaches herab.--"Faust, Faust, folge nicht!" kam eine andere, feine Stimme von der Rechten.--Aber Faust verschwor sich den hoellischen Gewalten. --"Weh, weh deiner armen Seele!" Wie ein seufzender Windeshauch klang es von der Stimme des Engels; von der Linken schallte eine gellende Lache durchs Gemach.--Da klopfte es an die Tuer. "Verzeihung, Euere Magnifizenz?" Fausts Famulus Wagner war eingetreten. Er bat, ihm fuer die grobe Hausarbeit die Annahme eines Gehuelfen zu gestatten, damit er sich besser aufs Studieren legen koenne. "Es hat sich", sagte er, "ein junger Mann bei mir gemeldet, welcher Kasperl heisst und gar fuertreffliche Qualitaeten zu besitzen scheint." Faust nickte gnaedig mit dem Kopfe und sagte. "Sehr wohl, lieber Wagner, diese Bitte sei Euch gewaehrt." Dann gingen beide miteinander fort.-"Pardauz!" rief es; und da war er. Mit einem Satz kam er auf die Buehne gesprungen, dass ihm das Felleisen auf dem Buckel huepfte.--"Gott sei gelobt!" dachte ich; "er ist noch ganz gesund; er springt noch ebenso wie vorigen Sonntag in der Burg der schoenen Genoveva!" Und seltsam, sosehr ich ihn am Vormittage in meinen Gedanken nur fuer eine schmaehliche Holzpuppe erklaert hatte, mit seinem ersten Worte war der ganze Zauber wieder da. Emsig spazierte er im Zimmer auf und ab. "Wenn mich jetzt mein Vater Papa sehen taet", rief er, "der wuerd sich was Rechts freuen. Immer pflegt er zu sagen: "Kasperl, mach, dass du dein Sach in Schwung bringst!"--Oh, jetzund hab ich's in Schwung; denn ich kann mein Sach haushoch werfen!"--Damit machte er Miene, sein Felleisen in die Hoehe zu schleudern; und es flog auch wirklich, da es am Draht gezogen wurde, bis an die Deckenwoelbung hinauf; aber--Kasperls Arme waren an seinem Leibe klebengeblieben; es ruckte und ruckte, aber sie kamen um keine Handbreit in die Hoehe. Kasperl sprach und tat nichts weiter.--Hinter der Buehne entstand eine Unruhe, man hoerte leise, aber heftig sprechen, der Fortgang des Stueckes war augenscheinlich unterbrochen. Mir stand das Herz still; da hatten wir die Bescherung! Ich waere gern fortgelaufen, aber ich schaemte mich. Und wenn gar dem Lisei meinetwegen etwas geschaehe! Da begann Kasperl auf der Buehne ploetzlich ein klaegliches Geheule, wobei ihm Kopf und Arme schlaff herunterhingen, und der Famulus Wagner erschien wieder und fragte ihn, warum er denn so lamentiere. "Ach, mei Zahnerl, mei Zahnerl!" schrie Kasperl. "Guter Freund", sagte Wagner, "so lass Er sich einmal in das Maul sehen! "--Als er ihn hierauf bei der grossen Nase packte und ihm zwischen die Kinnladen hineinschaute, trat auch der Doktor Faust wieder in das Zimmer. --"Verzeihen Euere Magnifizenz", sagte Wagner, "ich werde diesen jungen Mann in meinem Dienst nicht gebrauchen koennen; er muss sofort in das Lazarett geschafft werden!" "Is das a Wirtshaus?" fragte Kasperle. "Nein, guter Freund", erwiderte Wagner, "das ist ein Schlachthaus. Man wird Ihm dort einen Weisheitszahn aus der Haut schneiden, und dann wird er seiner Schmerzen ledig sein." "Ach, du liebs Hergottl", jammerte Kasperl, "muss mi arms Viecherl so ein Unglueck treffen! Ein Weisheitszahnerl, sagt Ihr, Herr Famulus? Das hat noch keiner in der Famili gehabt! Da geht's wohl auch mit meiner Kasperlschaft zu End?" "Allerdings, mein Freund", sagte Wagner; "eines Dieners mit Weisheitszaehnen bin ich bass entraten; die Dinger sind nur fuer uns gelehrte Leute. Aber Er hat ja noch einen Bruderssohn, der sich auch bei mir zum Dienst gemeldet hat. Vielleicht", und er wandte sich gegen den Doktor Faust, "erlauben Euere Magnifizenz!" Der Doktor Faust machte eine wuerdige Drehung mit dem Kopfe. "Tut, was Euch beliebt, mein lieber Wagner", sagte er; "aber stoert mich nicht weiter mit Eueren Lappalien in meinem Studium der Magie!"--"Heere, mei Gutester", sagte ein Schneidergesell, der vor mir auf der Bruestung lehnte, zu seinem Nachbar, "das geheert ja nicht zum Stueck, ich kenn's, ich hab es vor ae Weilchen erst in Seifersdorf gesehn."--Der andere aber sagte nur: "Halt's Maul, Leipziger!" und gab ihm einen Rippenstoss.--Auf der Buehne war indessen Kasperle, der zweite, aufgetreten. Er hatte eine unverkennbare Aehnlichkeit mit seinem kranken Onkel, auch sprach er ganz genau wie dieser; nur fehlte ihm der bewegliche Daumen, und in seiner grossen Nase schien er kein Gelenk zu haben. Mir war ein Stein vom Herzen gefallen, als das Stueck nun ruhig weiterspielte, und bald hatte ich alles um mich her vergessen. Der teuflische Mephistopheles erschien in einem feuerfarbenen Mantel, das Hoernchen vor der Stirn, und Faust unterzeichnete mit seinem Blute den hoellischen Vertrag: "Vierundzwanzig Jahre sollst du mir dienen; dann will ich dein sein mit Leib und Seele." Hierauf fuhren beide in des Teufels Zaubermantel durch die Luft davon. Fuer Kasperle kam eine ungeheuere Kroete mit Fledermausfluegeln aus der Luft herab. "Auf dem hoellischen Sperling soll ich nach Parma reiten?" rief er, und als das Ding wackelnd mit dem Kopfe nickte, stieg er auf und flog den beiden nach.--Ich hatte mich ganz hinten an die Wand gestellt, wo ich besser ueber alle die Koepfe vor mir hinwegsehen konnte. Und jetzt rollte der Vorhang zum letzten Aufzug in die Hoehe. Endlich ist die Frist verstrichen. Faust und Kasper sind beide wieder in ihrer Vaterstadt. Kasper ist Nachtwaechter geworden; er geht durch die dunkeln Strassen und ruft die Stunden ab: Hoert, ihr Herrn, und lasst euch sagen, Meine Frau hat mich geschlagen; Huet't euch vor dem Weiberrock! Zwoelf ist der Klock! Zwoelf ist der Klock! Von fern hoert man eine Glocke Mitternacht schlagen. Da wankt Faust auf die Buehne; er versucht zu beten, aber nur Heulen und Zaehneklappern toent aus seinem Halse. Von oben ruft eine Donnerstimme: Fauste, Fauste, in aeternum damnatus es! Eben fuhren im Feuerregen drei schwarzhaarige Teufel herab, um sich des Armen zu bemaechtigen, da fuehlte ich eins der Bretter zu meinen Fuessen sich verschieben. Als ich mich bueckte, um es zurechtzubringen, glaubte ich aus dem dunkeln Raume unter mir ein Geraeusch zu hoeren; ich horchte naeher hin; es klang wie das Schluchzen einer Kinderstimme.--"Lisei!" dachte ich "wenn es Lisei waere!" Wie ein Stein fiel meine ganze Untat mir wieder aufs Gewissen; was kuemmerte mich jetzt der Doktor Faust und seine Hoellenfahrt! Unter heftigem Herzklopfen draengte ich mich durch die Zuschauer und liess mich seitwaerts an dem Brettergeruest herabgleiten. Rasch schluepfte ich in den darunter befindlichen Raum, in welchem ich an der Wand entlang ganz aufrecht gehen konnte; aber es war fast dunkel, so dass ich mich an den ueberall untergestellten Latten und Balken stiess. "Lisei!" rief ich. Das Schluchzen, das ich eben noch gehoert hatte, wurde ploetzlich still; aber dort in dem tiefsten Winkel sah ich etwas sich bewegen. Ich tastete mich weiter bis an das Ende des Raumes, und--da sass sie, zusammengekauert, das Koepfchen in den Schoss gedrueckt. Ich zupfte sie am Kleide. "Lisei!" sagte ich leise, "bist du es? Was machst du hier?" Sie antwortete nicht, sondern begann wieder vor sich hin zu schluchzen. "Lisei", fragte ich wieder, "was fehlt dir? So sprich doch nur ein einziges Wort!" Sie hob den Kopf ein wenig. "Was soll i da red'n!" sagte sie, "Du weisst's ja von selber, dass du den Wurstl hast verdreht." "Ja, Lisei", antwortete ich kleinlaut; "ich glaub es selber, dass ich das getan habe." --"Ja, du!--Und i hab dir's doch g'sagt!" "Lisei, was soll ich tun?" --"Nu, halt nix!" "Aber was soll denn daraus werden?" --"Nu, halt aa nix!" Sie begann wieder laut zu weinen. "Aber i--wenn i z'Haus komm--da krieg i die Peitsch'n!" "Du die Peitsche, Lisei!"--Ich fuehlte mich ganz vernichtet. "Aber ist dein Vater denn so strenge?" "Ach, mei guts Vaterl!" schluchzte Lisei. Also die Mutter! Oh, wie ich, ausser mir selber, diese Frau hasste, die immer mit ihrem Holzgesichte an der Kasse sass! Von der Buehne hoerte ich Kasperl, den zweiten, rufen: "Das Stueck ist aus! Komm, Gret'l, lass uns Kehraus tanzen!" Und in demselben Augenblick begann auch ueber unsern Koepfen das Scharren und Trappeln mit den Fuessen, und bald polterte alles von den Baenken herunter und draengte sich dem Ausgange zu; zuletzt kam der Stadtmusikus mit seinen Gesellen, wie ich aus dem Toenen des Brummbasses hoerte, mit dem sie beim Fortgehen an den Waenden anstiessen. Dann allmaehlich wurde es still, nur hinten auf der Buehne hoerte man noch die Tendlerschen Eheleute miteinander reden und wirtschaften. Nach einer Weile kamen auch sie in den Zuschauerraum; sie schienen erst an den Musikantenpulten, dann an den Waenden die Lichter auszuputzen; denn es wurde allmaehlich immer finsterer. "Wenn i nur wuesst, wo die Lisei abblieben ist!" hoerte ich Herrn Tendler zu seiner an der gegenueberliegenden Wand beschaeftigten Frau hinueberrufen. "Wo sollt sie sein!" rief diese wieder; "'s ist 'n stoerrig Ding; ins Quartier wird sie gelaufen sein!" "Frau", antwortete der Mann, "du bist auch zu wuest mit dem Kind gewesen; sie hat doch halt so a weichs Gemuet!" "Ei was", rief die Frau; "ihr' Straf muss sie hab'n; sie weiss recht gut, dass die schoene Marionett noch von mei'm Vater selig ist! Du wirst sie nit wieder kurieren, und der zweit' Kasper ist doch halt nur ein Notknecht!" Die lauten Wechselreden hallten in dem leeren Saale wider. Ich hatte mich neben Lisei hingekauert; wir hatten uns bei den Haenden gefasst und sassen maeuschenstille. "G'schieht mir aber schon recht", begann wieder die Frau, die eben gerade ueber unsern Koepfen stand, "warum hab ich's gelitten, dass du das gotteslaesterlich Stueck heute wieder aufgefuehrt hast! Mein Vater selig hat's nimmer wollen in seinen letzten Jahren!" "Nu, nu, Resel!" rief Herr Tendler von der andern Wand; "dein Vater war ein b'sondrer Mann. Das Stueck gibt doch allfort eine gute Cassa; und ich mein', es ist doch auch a Lehr und Beispiel fuer die vielen Gottlosen in der Welt!" "Ist aber bei uns zum letztenmal heut geb'n. Und nu red mir nit mehr davon!" erwiderte die Frau. Herr Tendler schwieg.--Es schien jetzt nur noch ein Licht zu brennen, und die beiden Eheleute naeherten sich dem Ausgang. "Lisei", fluesterte ich, "Wir werden eingeschlossen." "Lass!" sagte sie, "i kann nit; i geh nit furt!" "Dann bleib ich auch!" --"Aber dei Vater und Mutter!" "Ich bleib doch bei dir!" Jetzt wurde die Tuer des Saales zugeschlagen;--dann ging's die Treppe hinab, und dann hoerten wir, wie draussen auf der Strasse die grosse Haustuer abgeschlossen wurde. Da sassen wir denn. Wohl eine Viertelstunde sassen wir so, ohne auch nur ein Wort miteinander zu reden. Zum Glueck fiel mir ein, dass sich noch zwei Heissewecken in meiner Tasche befanden, die ich fuer einen meiner Mutter abgebettelten Schilling auf dem Herwege gekauft und ueber all dem Schauen ganz vergessen hatte. Ich steckte Lisei den einen in ihre kleinen Haende; sie nahm ihn schweigend, als verstehe es sich von selbst, dass ich das Abendbrot besorge, und wir schmausten eine Weile. Dann war auch das zu Ende.--Ich stand auf und sagte: "Lass uns hinter die Buehne gehen; da wirds's heller sein; ich glaub, der Mond scheint draussen!" Und Lisei liess sich geduldig durch die kreuz und quer stehenden Latten von mir in den Saal hinausleiten. Als wir hinter der Verkleidung in den Buehnenraum geschluepft waren, schien dort vom Garten her das helle Mondlicht in die Fenster. An dem Drahtseil, an dem am Vormittage nur die beiden Puppen gehangen hatten, sah ich jetzt alle, die vorhin im Stueck aufgetreten waren. Da hing der Doktor Faust mit seinem scharfen blassen Gesicht, der gehoernte Mephistopheles, die drei kleinen schwarzhaarigen Teufelchen, und dort neben der gefluegelten Kroete waren auch die beiden Kasperls. Ganz stille hingen sie da in der bleichen Mondscheinbeleuchtung; fast wie Verstorbene kamen sie mir vor. Der Hauptkasperl hatte zum Glueck wieder seinen breiten Nasenschnabel auf der Brust liegen, sonst haette ich geglaubt, dass seine Blicke mich verfolgen muessten. Nachdem Lisei und ich eine Welle, nicht wissend, was wir beginnen sollten, an dem Theatergerueste umhergestanden und--geklettert waren, lehnten wir uns nebeneinander auf die Fensterbank.--Es war Unwetter geworden; am Himmel, gegen den Mond, stieg eine Wolkenbank empor; drunten im Garten konnte man die Blaetter zu Haufen von den Baeumen wehen sehen. "Guck", sagte Lisei nachdenklich, "wie's da aufi g'schwomma kimmt! Da kann mei alte gute Bas' nit mehr vom Himm'l abi schaun." "Was fuer eine alte Bas', Lisei?" fragte ich. --"Nu, wo i g'west bin, bis sie halt g'storb'n ist." Dann blickten wir wieder in die Nacht hinaus.--Als der Wind gegen das Haus und auf die kleinen undichten Fensterscheiben stiess, fing hinter mir an dem Drahtseil die stille Gesellschaft mit ihren hoelzernen Gliedern an zu klappern. Ich drehte mich unwillkuerlich um und sah nun, wie sie, vom Zugwind bewegt, mit den Koepfen wackelten und die steifen Arm' und Beine durcheinanderregten. Als aber ploetzlich der kranke Kasperl seinen Kopf zurueckschlug und mich mit seinen weissen Augen anstierte, da dachte ich, es sei doch besser, ein wenig an die Seite zu gehen. Unweit vom Fenster, aber so, dass die Kulissen dort vor dem Anblick dieser schwebenden Taenzer schuetzen mussten, stand die grosse Kiste; sie war offen; ein paar wollene Decken, vermutlich zum Verpacken der Puppen bestimmt, lagen nachlaessig darueber hingeworfen. Als ich mich eben dorthin begeben hatte, hoerte ich Lisei vom Fenster her so recht aus Herzensgrunde gaehnen. "Bist du muede, Lisei?" fragte ich. "O nein", erwiderte sie, indem sie ihre Aermchen fest zusammenschraenkte; "aber i frier halt!" Und wirklich, es war kalt geworden in dem grossen leeren Raume, auch mich fror. "Komm hieher!" sagte ich, "wir wollen uns in die Decken wickeln." Gleich darauf stand Lisei bei mir und liess sich geduldig von mir in die eine Decke wickeln; sie sah aus wie eine Schmetterlingspuppe, nur dass oben noch das allerliebste Gesichtchen herausguckte. "Weisst", sagte sie und sah mich mit zwei grossen mueden Augen an, "i steig ins Kistl, da haelt's warm!" Das leuchtete auch mir ein; im Verhaeltnis zu der wuesten Umgebung winkte hier sogar ein traulicher Raum, fast wie ein dichtes Stuebchen. Und bald sassen wir armen toerichten Kinder wohlverpackt und dicht aneinandergeschmiegt in der hohen Kiste. Mit Ruecken und Fuessen hatten wir uns gegen die Seitenwaende gestemmt; in der Ferne hoerten wir die schwere Saaltuer in den Falzen klappen; wir aber sassen ganz sicher und behaglich. "Friert dich noch, Lisei?" fragte ich. "Ka bisserl!" Sie hatte ihr Koepfchen auf meine Schulter sinken lassen; ihre Augen waren schon geschlossen. "Was wird mei guts Vaterl--" lallte sie noch; dann hoerte ich an ihren gleichmaessigen Atemzuegen, dass sie eingeschlafen war. Ich konnte von meinem Platze aus durch die oberen Scheiben des einen Fensters sehen. Der Mond war aus seiner Wolkenhuelle wieder hervorgeschwommen, in der er eine Zeitlang verborgen gewesen war; die alte Bas' konnte jetzt wieder vom Himmel herunterschauen, und ich denke wohl, sie hat's recht gern getan. Ein Streifen Mondlicht fiel auf das Gesichtchen, das nahe an dem meinen ruhte; die schwarzen Augenwimpern lagen wie seidene Fransen auf den Wangen, der kleine rote Mund atmete leise, nur mitunter zuckte noch ein kurzes Schluchzen aus der Brust herauf; aber auch das verschwand; die alte Bas' schaute gar so mild vom Himmel. --Ich wagte mich nicht zu ruehren. "Wie schoen muesste es sein", dachte ich, "wenn das Lisei deine Schwester waere, wenn sie dann immer bei dir bleiben koennte!" Denn ich hatte keine Geschwister, und wenn ich auch nach Bruedern kein Verlangen trug, so hatte ich mir doch oft das Leben mit einer Schwester in meinen Gedanken ausgemalt und konnte es nie begreifen, wenn meine Kameraden mit denen, die sie wirklich besassen, in Zank und Schlaegerei gerieten. Ich muss ueber solchen Gedanken doch wohl eingeschlafen sein; denn ich weiss noch, wie mir allerlei wildes Zeug getraeumt hat. Mir war, als saesse ich mitten in dem Zuschauerraum, die Lichter an den Waenden brannten, aber niemand ausser mir sass auf den leeren Baenken. Ueber meinem Kopfe, unter der Balkendecke des Saales, ritt Kasperl auf dem hoellischen Sperling in der Luft herum und rief einmal uebers andere: "Schlimms Bruederl! Schlimms Bruederl!" oder auch mit klaeglicher Stimme: "Mein Arm! Mein Arm!" Da wurde ich von einem Lachen aufgeweckt, das ueber meinem Kopfe erschallte; vielleicht auch von dem Lichtschein, der mir ploetzlich in die Augen fiel. "Nun seh mir einer dieses Vogelnest!" hoerte ich die Stimme meines Vaters sagen, und dann etwas barscher: "Steig heraus, Junge!" Das war der Ton, der mich stets mechanisch in die Hoehe trieb. Ich riss die Augen auf und sah meinen Vater und das Tendlersche Ehepaar an unserer Kiste stehen; Herr Tendler trug eine brennende Laterne in der Hand. Meine Anstrengung, mich zu erheben, wurde indessen durch Lisei vereitelt, die, noch immer fortschlafend, mit ihrer ganzen kleinen Last mir auf die Brust gesunken war. Als sich aber jetzt zwei knochige Arme ausstreckten, um sie aus der Kiste herauszuheben, und ich das Holzgesicht der Frau Tendler sich auf uns niederbeugen sah, da schlug ich die Arme so ungestuem um meine kleine Freundin, dass ich dabei der guten Frau fast ihren alten italienischen Strohhut vom Kopfe gerissen haette. "Nu, nu, Bub!" rief sie und trat einen Schritt zurueck; ich aber, aus unserer Kiste heraus, erzaehlte mit gefluegelten Worten, und ohne mich dabei zu schonen, was am Vormittag geschehen war. "Also, Madame Tendler", sagte mein Vater, als ich mit meinem Bericht zu Ende war, und machte zugleich eine sehr verstaendliche Handbewegung, "da koennten Sie es mir ja wohl ueberlassen, dieses Geschaeft allein mit meinem Jungen abzumachen." "Ach ja, ach ja!" rief ich eifrig, als wenn mir soeben der angenehmste Zeitvertreib verheissen waere. Lisei war indessen auch erwacht und von ihrem Vater auf den Arm genommen worden. Ich sah, wie sie die Arme um seinen Hals schlang und ihm bald eifrig ins Ohr fluesterte, bald ihm zaertlich in die Augen sah oder wie beteuernd mit dem Koepfchen nickte. Gleich darauf ergriff auch der Puppenspieler die Hand meines Vaters. "Lieber Herr", sagte er, "die Kinder bitten fuereinander. Mutter, du bist ja auch nit gar so schlimm! Lassen wir es diesmal halt dabei!" Madame Tendler sah indes noch immer unbeweglich aus ihrem grossen Strohhute. "Du magst selb schauen, wie du ohne den Kasperl fertig wirst!" sagte sie mit einem strengen Blick auf ihren Mann. In dem Antlitz meines Vaters sah ich ein gewisses lustiges Augenzwinkern, das mir Hoffnung machte, es werde das Unwetter diesmal so an mir vorueberziehen; und als er jetzt sogar versprach, am andern Tage seine Kunst zur Herstellung des Invaliden aufzubieten, und dabei Madame Tendlers italienischer Strohhut in die holdseligste Bewegung geriet, da war ich sicher, dass wir beiderseits im trocknen waren. Bald marschierten wir unten durch die dunkeln Gassen, Herr Tendler mit der Laterne voran, wir Kinder Hand in Hand den Alten nach.--Dann: "Gut Nacht, Paul! Ach, will i schlaf'n!" Und weg war das Lisei; ich hatte gar nicht gemerkt, dass wir schon bei unseren Wohnungen angekommen waren. Am andern Vormittage, als ich aus der Schule gekommen war, traf ich Herrn Tendler mit seinem Toechterchen schon in unserer Werkstatt. "Nun, Herr Kollege", sagte mein Vater, der eben das Innere der Puppe untersuchte, "das sollte denn doch schlimm zugehen, wenn wir zwei Mechanici den Burschen hier nicht wieder auf die Beine braechten. "Gel, Vater", rief das Lisei, "da werd aa die Mutter nit mehr brumm'n." Herr Tendler strich zaertlich ueber das schwarze Haar des Kindes; dann wendete er sich zu meinem Vater, der ihm die Art der beabsichtigten Reparatur auseinandersetzte. "Ach, lieber Herr", sagte er, "ich bin kein Mechanicus, den Titel hab ich nur so mit den Puppen uebernommen; ich bin eigentlich meines Zeichens ein Holzschnitzer aus Berchtesgaden. Aber mein Schwiegervater selig--Sie haben gewiss von ihm gehoert--, das war halt einer, und mein Reserl hat noch allweg ihr kleins Gaudi, dass sie die Tochter vom beruehmten Puppenspieler Geisselbrecht ist. Der hat auch die Mechanik in dem Kasperl da g'macht; ich hab ihm derzeit nur 's G'sichtl ausgeschnitten." "Ei nun, Herr Tendler", erwiderte mein Vater, "das ist ja auch schon eine Kunst. Und dann--sagt mir nur, wie war's denn moeglich, dass Ihr Euch gleich zu helfen wusstet, als die Schandtat meines Jungen da so mitten in dem Stueck zum Vorschein kam?" Das Gespraech begann mir etwas unbehaglich zu werden; in Herrn Tendlers gutmuetigem Angesicht aber leuchtete ploetzlich die ganze Schelmerei des Puppenspielers. "Ja, lieber Herr", sagte er, "da hat man halt fuer solch Faell sein G'spasserl in der Taschen! Auch ist da noch so ein Bruderssoehnerl, ein Wurstl Nummer zwei, der grad 'ne solche Stimm hat wie dieser da!" Ich hatte indessen die Lisei am Kleide gezupft und war gluecklich mit ihr nach unserem Garten entkommen. Hier unter der Linde sassen wir, die auch ueber uns beide jetzt ihr gruenes Dach ausbreitet; nur bluehten damals nicht mehr die roten Nelken auf den Beeten dort; aber ich weiss noch wohl, es war ein sonniger Septembernachmittag. Meine Mutter kam aus ihrer Kueche und begann ein Gespraech mit dem Puppenspielerkinde; sie hatte denn doch auch so ihre kleine Neugierde. Wie es denn heisse, fragte sie, und ob es denn schon immer so von Stadt zu Stadt gefahren sei.--Ja, Lisei heisse es--ich hatte das meiner Mutter auch schon oft genug gesagt--, aber dies sei seine erste Reis'; drum koenne es auch das Hochdeutsch noch nit so voellig firti krieg'n.--Ob es denn auch zur Schule gegangen sei.--Freili; es sei schon zur Schul gang'n; aber das Naehen und Stricken habe es von seiner alten Bas' gelernt; die habe auch so a Gaertl g'habt, da drin haetten sie zusammen auf dem Baenkerl gesessen; nun lerne es bei der Mutter, aber die sei gar streng! Meine Mutter nickte beifaellig.--Wie lange ihre Eltern denn wohl hier verweilen wuerden, fragte sie das Lisei wieder.--Ja, das wuesst es nit, das kaeme auf die Mutter an; doch pflegten sie so ein vier Wochen am Ort zu bleiben.--Ja, ob's denn auch ein warmes Maentelchen fuer die Weiterreise habe; denn so im Oktober wuerde es schon kalt auf dem offenen Waegelchen. --Nun, meinte Lisei, ein Maentelchen habe sie schon, aber ein duennes sei es nur; es hab sie auch schon darin gefroren auf der Herreis'. Und jetzt befand sich meine gute Mutter auf dem Fleck, wonach ich sie schon lange hatte zusteuern sehen. "Hoer, kleine Lisei", sagte sie, "ich hab einen braven Mantel in meinem Schranke haengen, noch von den Zeiten her, da ich ein schlankes Maedchen war; ich bin aber jetzt herausgewachsen und habe keine Tochter, fuer die ich ihn noch zurechtschneidern koennte. Komm nur morgen wieder, Lisei, da steckt ein warmes Maentelchen fuer dich darin." Lisei wurde rot vor Freude und hatte im Umsehen meiner Mutter die Hand gekuesst, worueber diese ganz verlegen wurde; denn du weisst, hierzulande verstehen wir uns schlecht auf solche Narreteien!--Zum Glueck kamen jetzt die beiden Maenner aus der Werkstatt. "Fuer diesmal gerettet", rief mein Vater; "aber--!" Der warnend gegen mich geschuettelte Finger war das Ende meiner Busse. Froehlich lief ich ins Haus und holte auf Geheiss meiner Mutter deren grosses Umschlagtuch; denn um den kaum Genesenen vor dem zwar wohlgemeinten, aber immerhin unbequemen Zujauchzen der Gassenjugend zu bewahren, das ihn auf seinem Herwege begleitet hatte, wurde der Kasper jetzt sorgsam eingehuellt; dann nahm Lisei ihn auf den Arm, Herr Tendler das Lisei an der Hand, und so, unter Dankesversicherungen, zogen sie vergnuegt die Strasse nach dem Schuetzenhof hinab. Und nun begann eine Zeit des schoensten Kinderglueckes.--Nicht nur am andern Vormittage, sondern auch an den folgenden Tagen kam das Lisei; denn sie hatte nicht abgelassen, bis ihr gestattet worden, auch selbst an ihrem neuen Maentelchen zu naehen. Zwar war's wohl mehr nur eine Scheinarbeit, die meine Mutter in ihre kleinen Haende legte; aber sie meinte doch, das Kind muesste recht ordentlich angehalten sein. Ein paarmal setzte ich mich daneben und las aus einem Bande von Weissens "Kinderfreunde" vor, den mein Vater einmal auf einer Auktion fuer mich gekauft hatte, zum Entzuecken Liseis, der solche Unterhaltungsbuecher noch unbekannt waren. "Das is g'schickt!" oder "Ei du, was geit's fuer Sachan auf der Welt!" Dergleichen Worte rief sie oft dazwischen und legte die Haende mit ihrer Naeharbeit in den Schoss. Mitunter sah sie mich auch von unten mit ganz klugen Augen an und sagte: "Ja, wenn's Geschichtl nur nit derlog'n ist"--Mir ist's, als hoerte ich es noch heute.--Der Erzaehler schwieg, und in seinem schoenen maennlichen Antlitz sah ich einen Ausdruck stillen Glueckes, als sei das alles, was er mir erzaehlte, zwar vergangen, aber keineswegs verloren. Nach einer Weile begann er wieder: Meine Schularbeiten machte ich niemals besser als in jener Zeit; denn ich fuehlte wohl, dass das Auge meines Vaters mich strenger als je ueberwachte und dass ich mir den Verkehr mit den Puppenspielerleuten nur um den Preis eines strengen Fleisses erhalten koenne. "Es sind reputierliche Leute, die Tendlers", hoerte ich einmal meinen Vater sagen; "der Schneiderwirt drueben hat ihnen auch heute ein ordentliches Stuebchen eingeraeumt; sie zahlen jeden Morgen ihre Zeche; nur, meinte der Alte, sei es leider blitzwenig, was sie draufgehen liessen.--Und das", setzte mein Vater hinzu, "gefaellt mir besser als dem Herbergsvater; sie moegen an den Notpfennig denken, was sonst nicht die Art solcher Leute ist."--Wie gern hoerte ich meine Freunde loben! Denn das waren sie jetzt alle; sogar Madame Tendler nickte ganz vertraulich aus ihrem Strohhute, wenn ich--keiner Einlasskarte mehr beduerftig--abends an ihrer Kasse vorbei in den Saal schluepfte.--Und wie rannte ich jetzt vormittags aus der Schule! Ich wusste wohl, zu Hause traf ich das Lisei entweder bei meiner Mutter in der Kueche, wo sie allerlei kleine Dienste fuer sie zu verrichten wusste, oder es sass auf der Bank im Garten, mit einem Buche oder mit einer Naeharbeit in der Hand. Und bald wusste ich sie auch in meinem Dienste zu beschaeftigen; denn nachdem ich mich genuegend in den innern Zusammenhang der Sache eingeweiht glaubte, beabsichtigte ich nichts Geringeres, als nun auch meinerseits ein Marionettentheater einzurichten. Vorlaeufig begann ich mit dem Ausschnitzen der Puppen, wobei Herr Tendler, nicht ohne eine gutmuetige Schelmerei in seinen kleinen Augen, mir in der Wahl des Holzes und der Schnitzmesser mit Rat und Huelfe zur Hand ging; und bald ragte auch in der Tat eine maechtige Kasperlenase aus dem Holzbloeckchen in die Welt. Da aber andererseits der Nanking des "Wurstls" mir zuwenig interessant erschien, so musste indessen das Lisei aus "Fetz'ln", die wiederum der alte Gabriel hatte hergeben muessen, gold- und silberbesetzte Maentel und Waemser fuer Gott weiss welche andere kuenftige Puppen anfertigen. Mitunter trat auch der alte Heinrich mit seiner kurzen Pfeife aus der Werkstatt zu uns, ein Geselle meines Vaters, der, solang ich denken konnte, zur Familie gehoerte; er nahm mir dann wohl das Messer aus der Hand und gab durch ein paar Schnitte dem Dinge hie und da den rechten Schick. Aber schon wollte meiner Phantasie selbst der Tendlersche Haupt- und Prinzipalkasperl nicht mehr genuegen; ich wollte noch ganz etwas anderes leisten; fuer den meinigen ersann ich noch drei weitere, nie dagewesene und hoechst wirkungsvolle Gelenke, er sollte seitwaerts mit dem Kinne wackeln, die Ohren hin und her bewegen und die Unterlippe auf- und abklappen koennen; und er waere auch jedenfalls ein ganz unerhoerter Prachtkerl geworden, wenn er nur nicht schliesslich ueber all seinen Gelenken schon in der Geburt zugrunde gegangen waere. Auch sollte leider weder der Pfalzgraf Siegfried noch irgendein anderer Held des Puppenspiels durch meine Hand zu einer froehlichen Auferstehung gelangen.--Besser glueckte es mir mit dem Bau einer unterirdischen Hoehle, in der ich an kalten Tagen mit Lisei auf einem Baenkchen zusammensass und ihr bei dem spaerlichen Lichte, das durch eine oben angebrachte Fensterscheibe fiel, die Geschichten aus dem Weisseschen "Kinderfreunde" vorlas, die sie immer von neuem hoeren konnte. Meine Kameraden neckten mich wohl und schalten mich einen Maedchenknecht, weil ich, statt wie sonst mit ihnen, jetzt mit der Puppenspielertochter meine Zeit zubrachte. Mich kuemmerte das wenig; wusste ich doch, es redete nur der Neid aus ihnen, und wo es mir zu arg wurde, da brauchte ich denn auch einmal ganz wacker meine Faeuste.--Aber alles im Leben ist nur fuer eine Spanne Zeit. Die Tendlers hatten ihre Stuecke durchgespielt; die Puppenbuehne auf dem Schuetzenhofe wurde abgebrochen; sie ruesteten sich zum Weiterziehen. Und so stand ich denn an einem stuermischen Oktobernachmittage draussen vor unserer Stadt auf dem hohen Heideruecken, sah bald traurig auf den breiten Sandweg, der nach Osten in die kahle Gegend hinauslaeuft, bald sehnsuechtig nach der Stadt zurueck, die in Dunst und Nebel in der Niederung lag. Und da kam es herangetrabt, das kleine Waegelchen mit den zwei hohen Kisten darauf und dem munteren braunen Pferdchen in der Gabeldeichsel. Herr Tendler sass jetzt vorn auf einem Brettchen, hinter ihm Lisei in dem neuen warmen Maentelchen neben ihrer Mutter.--Ich hatte schon vor der Herberge von ihnen Abschied genommen; dann aber war ich vorausgelaufen, um sie alle noch einmal zu sehen und um Lisei, wozu ich von meinem Vater die Erlaubnis erhalten hatte, den Band von Weissens "Kinderfreunde" als Angedenken mitzugeben; auch eine Duete mit Kuchen hatte ich um einige ersparte Sonntagssechslinge fuer sie eingehandelt. "Halt! Halt!" rief ich jetzt und stuerzte von meinem Heidehuegel auf das Fuhrwerk zu.--Herr Tendler zog die Zuegel an, der Braune stand, und ich reichte Lisei meine kleinen Geschenke in den Wagen, die sie neben sich auf den Stuhl legte. Als wir uns aber, ohne ein Wort zu sagen, an beiden Haenden griffen, da brachen wir armen Kinder in ein lautes Weinen aus. Doch in demselben Augenblicke peitschte auch schon Herr Tendler auf sein Pferdchen. "Ade, mein Bub! Bleib brav und dank aa no schoen dei'm Vaterl und dei'm Mutterl!" "Ade! Ade!" rief das Lisei; das Pferdchen zog an, das Gloeckchen an seinem Halse bimmelte; ich fuehlte die kleinen Haende aus den meinen gleiten, und fort fuhren sie, in die weite Welt hinaus. Ich war wieder am Rande des Weges emporgestiegen und blickte unverwandt dem Waegelchen nach, wie es durch den staubenden Sand dahinzog. Immer schwaecher hoerte ich das Gebimmel des Gloeckchens; einmal noch sah ich ein weisses Tuechelchen um die Kisten flattern; dann allmaehlich verlor es sich mehr und mehr in den grauen Herbstnebeln.--Da fiel es ploetzlich wie eine Todesangst mir auf das Herz: du siehst sie nimmer, nimmer wieder!--"Lisei!" schrie ich, "Lisei!"--Als aber dessenungeachtet, vielleicht wegen einer Biegung der Landstrasse, der nur noch im Nebel schwimmende Punkt jetzt voellig meinen Augen entschwand, da rannte ich wie unsinnig auf dem Wege hintendrein. Der Sturm riss mir die Muetze vom Kopf, meine Stiefel fuellten sich mit Sand; aber so weit ich laufen mochte, ich sah nichts anderes als die oede baumlose Gegend und den kalten grauen Himmel, der darueberstand. --Als ich endlich bei einbrechender Dunkelheit zu Hause wieder angelangt war, hatte ich ein Gefuehl, als sei die ganze Stadt indessen ausgestorben. Es war eben der erste Abschied meines Lebens. Wenn in den nun folgenden Jahren der Herbst wiederkehrte, wenn die Krammetsvoegel durch die Gaerten unserer Stadt flogen und drueben vor der Schneiderherberge die ersten gelben Blaetter von den Lindenbaeumen wehten, dann sass ich wohl manches Mal auf unserer Bank und dachte, ob nicht endlich einmal das Waegelchen mit dem braunen Pferdchen wie damals wieder die Strasse heraufgebimmelt kommen wuerde. Aber ich wartete umsonst; das Lisei kam nicht wieder. -------------------------- Es war um zwoelf Jahre spaeter.--Ich hatte nach der Rechenmeisterschule, wie es damals manche Handwerkersoehne zu tun pflegten, auch noch die Quarta unserer Gelehrtenschule durchgemacht und war dann bei meinem Vater in die Lehre getreten. Auch diese Zeit, in der ich mich, ausser meinem Handwerk, vielfach mit dem Lesen guter Buecher beschaeftigte, war voruebergegangen. Jetzt, nach dreijaehriger Wanderschaft, befand ich mich in einer mitteldeutschen Stadt. Es war streng katholisch dort, und in dem Punkte verstanden sie keinen Spass; wenn man vor ihren Prozessionen, die mit Gesang und Heiligenbildern durch die Strassen zogen, nicht selbst den Hut abnahm, so wurde er einem auch wohl heruntergeschlagen; sonst aber waren es gute Leute.--Die Frau Meisterin, bei der ich in Arbeit stand, war eine Witwe, deren Sohn gleich mir in der Fremde arbeitete, um die nach den Zunftgesetzen vorgeschriebenen Wanderjahre bei der spaeteren Bewerbung um das Meisterrecht nachweisen zu koennen. Ich hatte es gut in diesem Hause; die Frau tat mir, wovon sie wuenschen mochte, dass es in der Ferne andere Leute an ihrem Kinde tun moechten, und bald war unter uns das Vertrauen so gewachsen, dass das Geschaeft so gut wie ganz in meinen Haenden lag.--Jetzt steht unser Joseph dort bei ihrem Sohn in Arbeit, und die Alte, so hat er oft geschrieben, haetschelt mit ihm, als waere sie die leibhaftige Grossmutter zu dem Jungen. --Nun, damals sass ich eines Sonntagnachmittags mit meiner Frau Meisterin in der Wohnstube, deren Fenster der Tuer des grossen Gefangenenhauses gegenueberlagen. Es war im Januar; das Thermometer stand zwanzig Grad unter Null; draussen auf der Gasse war kein Mensch zu sehen; mitunter kam der Wind pfeifend von den nahen Bergen herunter und jagte kleine Eisstuecke klingend ueber das Strassenpflaster. "Da behagt 'n warmes Stuebchen und 'n heisses Schaelchen Kaffee", sagte die Meisterin, indem sie mir die Tasse zum dritten Male vollschenkte. Ich war ans Fenster getreten. Meine Gedanken gingen in die Heimat; nicht zu lieben Menschen, die hatte ich dort nicht mehr, das Abschiednehmen hatte ich jetzt gruendlich gelernt. Meiner Mutter war mir noch vergoennt gewesen selbst die Augen zuzudruecken; vor einigen Wochen hatte ich nun auch den Vater verloren, und bei dem damals noch so langwierigen Reisen hatte ich ihn nicht einmal zu seiner Ruhestatt begleiten koennen. Aber die vaeterliche Werkstatt wartete auf den Sohn ihres heimgegangenen Meisters. Indes, der alte Heinrich war noch da und konnte mit Genehmigung der Zunftmeister die Sache schon eine kurze Zeit aufrechterhalten; und so hatte ich denn auch meiner guten Meisterin versprochen, noch ein paar Wochen bis zum Eintreffen ihres Sohnes bei ihr auszuhalten. Aber Ruhe hatte ich nicht mehr, das frische Grab meines Vaters duldete mich nicht laenger in der Fremde. In diesen Gedanken unterbrach mich eine scharfe scheltende Stimme drueben von der Strasse her. Als ich aufblickte, sah ich das schwindsuechtige Gesicht des Gefaengnisinspektors sich aus der halbgeoeffneten Tuer des Gefangenenhauses hervorrecken; seine erhobene Faust drohte einem jungen Weibe, das, wie es schien, fast mit Gewalt in diese sonst gefuerchteten Raeume einzudringen strebte. "Wird wohl was Liebes drinnen haben", sagte die Meisterin, die von ihrem Lehnstuhle aus ebenfalls dem Vorgange zugesehen hatte, "aber der alte Suender da drueben hat kein Herz fuer die Menschheit." "Der Mann tut wohl nur seine Pflicht, Frau Meisterin", sagte ich, noch immer in meinen eigenen Gedanken. "Ich moecht nicht solche Pflicht zu tun haben", erwiderte sie und lehnte sich fast zornig in ihren Stuhl zurueck. Drueben war indes die Tuer des Gefangenenhauses zugeschlagen, und das junge Weib, nur mit einem kurzen wehenden Maentelchen um die Schultern und einem schwarzen Tuechelchen um den Kopf geknotet, ging langsam die uebereiste Strasse hinab.--Die Meisterin und ich waren schweigend auf unserem Platz geblieben; ich glaube--denn auch meine Teilnahme war jetzt geweckt--, es war uns beiden, als ob wir helfen muessten und nur nicht wuessten wie. Als ich eben vom Fenster zuruecktreten wollte, kam das Weib wieder die Strasse herauf. Vor der Tuer des Gefangenenhauses blieb sie stehen und setzte zoegernd einen Fuss auf den zur Schwelle fuehrenden Treppenstein; dann aber wandte sie den Kopf zurueck, und ich sah ein junges Antlitz, dessen dunkle Augen mit dem Ausdruck ratlosester Verlassenheit ueber die leere Gasse streiften; sie schien doch nicht den Mut zu haben, noch einmal der drohenden Beamtenfaust entgegenzutreten. Langsam und immer wieder nach der geschlossenen Tuer zurueckblickend, setzte sie ihren Weg fort; man sah es deutlich, sie wusste selbst nicht wohin. Als sie jetzt aber an der Ecke der Gefangenanstalt in das nach der Kirche hinauffuehrende Gaesschen einbog, riss ich unwillkuerlich meine Muetze vom Tuerhaken, um ihr nachzugehen. "Ja, ja, Paulsen, das ist das Rechte!" sagte die gute Meisterin; "geht nur, ich werde derweil den Kaffee wieder heiss setzen!" Es war grimmig kalt, als ich aus dem Hause trat; alles schien wie ausgestorben; von dem Berge, der am Ende der Strasse die Stadt ueberragt, sah fast drohend der schwarze Tannenwald herab; vor den Fensterscheiben der meisten Haeuser sassen die weissen Eisgardinen; denn nicht jeder hatte, wie meine Meisterin, die Gerechtigkeit von fuenf Klaftern Holz auf seinem Hause.--Ich ging durch das Gaesschen nach dem Kirchenplatz; und dort vor dem grossen hoelzernen Kruzifixe auf der gefrorenen Erde lag das junge Weib, den Kopf gesenkt, die Haende in den Schoss gefaltet. Ich trat schweigend naeher; als sie aber jetzt zu dem blutigen Antlitz des Gekreuzigten aufblickte, sagte ich: "Verzeiht mir, wenn ich Eure Andacht unterbreche, aber Ihr seid wohl fremd in dieser Stadt?" Sie nickte nur, ohne ihre Stellung zu veraendern. "Ich moechte Euch helfen!" begann ich wieder, "sagt mir nur, wohin Ihr wollt!" "I weiss nit mehr wohin", sagte sie tonlos und liess das Haupt wieder auf ihre Brust sinken. "Aber in einer Stunde ist es Nacht; in diesem Totenwetter koennt Ihr nicht laenger auf der offenen Strasse bleiben!" "Der liebi Gott wird helfen", hoerte ich sie leise sagen. "Ja, ja", rief ich, "und ich glaube fast, er hat mich selbst zu Euch geschickt!" Es war, als habe der staerkere Klang meiner Stimme sie erweckt; denn sie erhob sich und trat zoegernd auf mich zu; mit vorgestrecktem Halse naeherte sie ihr Gesicht mehr und mehr dem meinen, und ihre Blicke drangen auf mich ein, als ob sie mich damit erfassen wolle. "Paul!" rief sie ploetzlich, und wie ein Jubelruf flog das Wort aus ihrer Brust--"Paul! Ja di schickt mir der liebe Gott!" Wo hatte ich meine Augen gehabt! Da hatte ich es ja wieder, mein Kindsgespiel, das kleine Puppenspieler-Lisei! Freilich, eine schoene schlanke Jungfrau war es geworden, und auf dem sonst so lachenden Kindergesicht lag jetzt, nachdem der erste Freudenstrahl darueberhin geflogen, der Ausdruck eines tiefen Kummers. "Wie kommst du so allein hieher, Lisei?" fragte ich. "Was ist geschehen? Wo ist denn dein Vater?" "Im Gefaengnis, Paul." "Dein Vater, der gute Mann!--Aber komm mit mir; ich stehe hier bei einer braven Frau in Arbeit; sie kennt dich, ich habe ihr oft von dir erzaehlt." Und Hand in Hand, wie einst als Kinder, gingen wir nach dem Hause meiner guten Meisterin, die uns schon vom Fenster aus entgegensah. "Das Lisei ist's!" rief ich, als wir in die Stube traten, "denkt Euch, Frau Meisterin, das Lisei!" Die gute Frau schlug die Haende ueber ihre Brust zusammen. "Heilige Mutter Gottes, bitt fuer uns! das Lisei!--also so hat's ausgeschaut!--Aber", fuhr sie fort, "wie kommst denn du mit dem alten Suender da zusammen?"--und sie wies mit dem ausgestreckten Finger nach dem Gefangenhause drueben--"der Paulsen hat mir doch gesagt, dass du ehrlicher Leute Kind bist!" Gleich darauf aber zog sie das Maedchen weiter in die Stube hinein und drueckte sie in ihren Lehnstuhl nieder, und als jetzt Lisei ihre Frage zu beantworten anfing, hielt sie ihr schon eine dampfende Tasse Kaffee an die Lippen. "Nun trink einmal", sagte sie, "und komm erst wieder zu dir; die Haendchen sind dir ja ganz verklommen." Und das Lisei musste trinken, wobei ihr zwei helle Traenen in die Tasse rollten, und dann erst durfte sie erzaehlen. Sie sprach jetzt nicht, wie einst und wie vorhin in der Einsamkeit ihres Kummers, in dem Dialekt ihrer Heimat, nur ein leichter Anflug war ihr davon geblieben; denn waren ihre Eltern auch nicht mehr bis an unsere Kueste hinabgekommen, so hatten sie sich doch meistens in dem mittleren Deutschland aufgehalten. Schon vor einigen Jahren war die Mutter gestorben. "Verlass den Vater nicht!" das hatte sie der Tochter im letzten Augenblicke noch ins Ohr gefluestert, "sein Kindsherz ist zu gut fuer diese Welt." Lisei brach bei dieser Erinnerung in heftiges Weinen aus; sie wollte nicht einmal von der aufs neue vollgeschenkten Tasse trinken, mit der die Meisterin ihre Traenen zu stillen gedachte, und erst nach einer ziemlichen Weile konnte sie weiterberichten. Gleich nach dem Tode der Mutter war es ihre erste Arbeit gewesen, an deren Stelle sich die Frauenrollen in den Puppenspielen von ihrem Vater einlernen zu lassen. Dazwischen waren die Bestattungsfeierlichkeiten besorgt und die ersten Seelenmessen fuer die Tote gelesen; dann, das frische Grab hinter sich lassend, waren Vater und Tochter wiederum ins Land hineingefahren und hatten, wie vorhin, ihre Stuecke abgespielt: Den verlorenen Sohn, Die heilige Genoveva, und wie sie sonst noch heissen mochten. So waren sie gestern auf der Reise in ein grosses Kirchdorf gekommen, wo sie ihre Mittagsrast gehalten hatten. Auf der harten Bank vor dem Tische, an welchem sie ihr bescheidenes Mahl verzehrten, war Vater Tendler ein halbes Stuendchen in einen festen Schlaf gesunken, waehrend Lisei draussen die Fuetterung ihres Pferdes besorgt hatte. Kurz darauf, in wollene Decken wohlverpackt, waren sie aufs neue in die grimmige Winterkaelte hinausgefahren. "Aber wir kamen nit weit", erzaehlte Lisei; "gleich hinterm Dorf ist ein Landreiter auf uns zugeritten und hat gezetert und gemordiot. Aus dem Tischkasten sollt dem Wirt ein Beutel mit Geld gestohlen sein, und mein unschuldigs Vaterl war doch allein in der Stube dort gewesen! Ach, wir haben kei Heimat, kei Freund, kei Ehr; es kennt uns niemand nit!" "Kind, Kind", sagte die Meisterin, indem sie zu mir hinueberwinkte, "versuendige dich auch nicht!" Ich aber schwieg, denn Lisei hatte ja nicht unrecht mit ihrer Klage.--Sie hatten in das Dorf zurueckgemusst; das Fuhrwerk mit allem, was daraufgeladen, war vom Schulzen dort zurueckgehalten worden; der alte Tendler aber hatte die Weisung erhalten, den Weg zur Stadt neben dem Pferde des Landreiters herzutraben. Lisei, von dem letzteren mehrfach zurueckgewiesen, war in einiger Entfernung hinterhergegangen, in der Zuversicht, dass sie wenigstens, bis der liebe Gott die Sache aufklaere, das Gefaengnis ihres Vaters werde teilen koennen. Aber--auf ihr ruhte kein Verdacht; mit Recht hatte der Inspektor sie als eine Zudringliche von der Tuer gejagt, die auf ein Unterkommen in seinem Hause nicht den geringsten Anspruch habe. Lisei wollte das zwar noch immer nicht begreifen; sie meinte, das sei ja haerter als alle Strafe, die spaeter doch gewiss den wirklichen Spitzbuben noch ereilen wuerde; aber, fuegte sie gleich hinzu, sie wolle ihm auch so harte Strafe nit wuenschen, wenn nur die Unschuld von ihrem guten Vaterl an den Tag komme; ach, der werd's gewiss nit ueberleben! Ich besann mich ploetzlich, dass ich sowohl dem alten Korporal da drueben als auch dem Herrn Kriminalkommissarius eigentlich ein unentbehrlicher Mann sei; denn dem einen hielt ich seine Spinnmaschinen in Ordnung, dem andern schaerfte ich seine kostbaren Federmesser; durch den einen konnte ich wenigstens Zutritt zu dem Gefangenen erhalten, bei dem andern konnte ich ein Leumundszeugnis fuer Herrn Tendler ablegen und ihn vielleicht zur Beschleunigung der Sache veranlassen. Ich bat Lisei, sich zu gedulden, und ging sofort in das Gefangenhaus hinueber. Der schwindsuechtige Inspektor schalt auf die unverschaemten Weiber, die immer zu ihren spitzbuebischen Maennern oder Vaetern in die Zellen wollten. Ich aber verbat mir in betreff meines alten Freundes solche Titel, solange sie ihm nicht durch das Gericht "von Rechts wegen" beigelegt seien, was, wie ich sicher wisse, nie geschehen werde; und endlich, nach einigem Hin- und Widerreden, stiegen wir zusammen die breite Treppe nach dem Oberbau hinauf. In dem alten Gefangenhause war auch die Luft gefangen, und ein widerwaertiger Dunst schlug uns entgegen, als wir oben durch den langen Korridor schritten, von welchem aus zu beiden Seiten Tuer an Tuer in die einzelnen Gefangenzellen fuehrte. An einer derselben, fast zu Ende des Ganges, blieben wir stehen; der Inspektor schuettelte sein grosses Schluesselbund, um den rechten herauszufinden; dann knarrte die Tuer, und wir traten ein. In der Mitte der Zelle, mit dem Ruecken gegen uns, stand die Gestalt eines kleinen mageren Mannes, der nach dem Stueckchen Himmel hinaufzublicken schien, das grau und truebselig durch ein oben in der Mauer angebrachtes Fenster auf ihn herabdaemmerte. An seinem Haupte bemerkte ich sogleich die kleinen abstehenden Haarspiesse; nur hatten sie, wie jetzt draussen die Natur, sich in die Farbe des Winters gekleidet. Bei unserem Eintritt wandte der kleine Mann sich um. "Sie kennen mich wohl nicht mehr, Herr Tendler?" fragte ich. Er sah fluechtig nach mir hin. "Nein, lieber Herr", erwiderte er, "hab nicht die Ehre." Ich nannte ihm den Namen meiner Vaterstadt und sagte: "Ich bin der unnuetze Junge, der Ihnen damals Ihren kunstreichen Kasperl verdrehte!" "Oh, schad't nichts, gar nichts!" erwiderte er verlegen und machte mir einen Diener; "ist lange schon vergessen." Er hatte offenbar nur halb auf mich gehoert; denn seine Lippen bewegten sich als spraeche er zu sich selber von ganz anderen Dingen. Da erzaehlte ich ihm, wie ich vorhin sein Lisei aufgefunden habe, und jetzt erst sah er mich mit offenen Augen an. "Gott Dank! Gott Dank!" sagte er und faltete die Haende. "Ja, ja, das kleine Lisei und der kleine Paul, die spielten derzeit miteinander!--Der kleine Paul! Seid Ihr der kleine Paul? Oh, i glaub's Euch schon; das herzige G'sichtl von dem frischen Bub'n, das schaut da no heraus!" Er nickte mir so innig zu, dass die weissen Haarspiesschen auf seinem Kopfe bebten. "Ja, ja, da drunten an der See bei euch; wir sind nit wieder hingekommen; das war no gute Zeit dermal; da war aa noch mein Weib, die Tochter vom grossen Geisselbrecht, dabei! "Joseph!" pflegte sie zu sagen, "wenn nur die Menschen aa so Draeht an ihre Koepf haetten, da koenntst du aa mit ihne firti werd'n!"--Haett sie nur heute noch gelebt, sie haetten mich nicht eingesperrt. Du lieber Gott; ich bin kein Dieb, Herr Paulsen." Der Inspektor, der draussen vor der angelehnten Tuer im Gange auf und ab ging, hatte schon ein paarmal mit seinem Schluesselbund gerasselt. Ich suchte den alten Mann zu beruhigen und bat ihn, sich bei seinem ersten Verhoer auf mich zu berufen, der ich hier bekannt und wohlgeachtet sei. Als ich wieder zu meiner Meisterin in die Stube trat, rief diese mir entgegen: "Das ist ein trotzigs Maedel, Paulsen; da helft mir nur gleich ein wenig; ich hab ihr die Kammer zum Nachtquartier geboten; aber sie will fort, in die Bettelherberg oder Gott weiss wohin!" Ich fragte Lisei, ob sie ihre Paesse bei sich habe. "Mein Gott, die hat der Schulz im Dorf uns abgenommen!" "So wird kein Wirt dir seine Tuer aufmachen", sagte ich, "das weisst du selber wohl." Sie wusste es freilich, und die Meisterin schuettelte ihr vergnuegt die Haende. "Ich denk wohl", sagte sie, "dass du dein eignes Koepfchen hast; der da hat mir's haarklein erzaehlt, wie ihr zusammen in der Kiste habt gesessen; aber so leicht waerst du doch nicht von mir fortgekommen!" Das Lisei sah etwas verlegen vor sich nieder; dann aber fragte sie mich hastig aus nach ihrem Vater. Nachdem ich ihr Bescheid gegeben hatte, erbat ich mir ein paar Bettstuecke von der Meisterin, nahm von den meinigen noch etwas hinzu und trug es selbst hinueber in die Zelle des Gefangenen, wozu ich vorhin von dem Inspektor die Erlaubnis erhalten hatte.--So konnten wir, als nun die Nacht herankam, hoffen, dass im warmen Bette und auf dem besten Ruhekissen, das es in der Welt gibt, auch unsern alten Freund in seiner oeden Kammer ein sanfter Schlaf erquicken werde. Am andern Vormittage, als ich eben, um zum Herrn Kriminalkommissarius zu gehen, auf die Strasse trat, kam von drueben der Inspektor in seinen Morgenpantoffeln auf mich zugeschritten. "Ihr habt recht gehabt, Paulsen", sagte er mit seiner glaesernen Stimme, "fuer diesmal ist's kein Spitzbube gewesen; den Richtigen haben sie soeben eingebracht; Euer Alter wird noch heut entlassen werden." Und richtig, nach einigen Stunden oeffnete sich die Tuer des Gefangenhauses, und der alte Tendler wurde von der kommandierenden Stimme des Inspektors zu uns hinuebergewiesen. Da das Mittagessen eben aufgetragen war, so ruhte die Meisterin nicht, bis auch er seinen Platz am Tische eingenommen hatte; aber er beruehrte die guten Speisen kaum, und wie sie sich auch um ihn bemuehen mochte, er blieb wortkarg und in sich gekehrt neben seiner Tochter sitzen; nur mitunter bemerkte ich, wie er deren Hand nahm und sie zaertlich streichelte. Da hoerte ich draussen vom Tore her ein Gloeckchen bimmeln; ich kannte es ganz genau, aber es laeutete mir weither aus meiner Kinderzeit. "Lisei!" sagte ich leise. "Ja, Paul, ich hoer es wohl." Und bald standen wir beide draussen vor der Haustuer. Siehe, da kam es die Strasse herab, das Waegelchen mit den beiden hohen Kisten, wie ich daheim es mir so oft gewuenscht hatte. Ein Bauernbursche ging nebenher mit Zuegel und Peitsche in der Hand; aber das Gloeckchen bimmelte jetzt am Halse eines kleinen Schimmels. "Wo ist das Braunchen geblieben?" fragte ich Lisei. "Das Braunchen", erwiderte sie, "das ist uns eines Tags vorm Wagen hingefallen; der Vater hat sogleich den Tierarzt aus dem Dorfe geholt; aber es hat nimmer leben koennen." Bei diesen Worten stuerzten ihr die Traenen aus den Augen. "Was fehlt dir, Lisei?" fragte ich, "es ist ja nun doch alles wieder gut!" Sie schuettelte den Kopf. "Mein Vaterl gefallt mir nit! Er ist so still; die Schand, er verwind't es nit."--Und Lisei hatte mit ihren treuen Tochteraugen recht gesehen. Als kaum die beiden in einem kleinen Gasthofe untergebracht waren und der Alte schon seine Plaene zur Weiterfahrt entwarf--denn hier wollte er jetzt nicht vor die Leute treten--, da zwang ihn ein Fieber, im Bett zu bleiben. Bald mussten wir einen Arzt holen, und es entwickelte sich ein laengeres Krankenlager. In Besorgnis, dass sie dadurch in Not geraten koennten, bot ich Lisei meine Geldmittel zur Huelfe an; aber sie sagte: "I nimm's ja gern von dir; doch sorg nur nit, wir sind nit gar so karg." Da blieb mir denn nichts anderes zu tun, als in der Nachtwache mit ihr zu wechseln oder, als es dem Kranken besser ging, am Feierabend ein Stuendchen an seinem Bett zu plaudern. So war die Zeit meiner Abreise herangenaht, und mir wurde das Herz immer schwerer. Es tat mir fast weh, das Lisei anzusehen; denn bald fuhr es ja auch mit seinem Vater von hier wieder in die weite Welt hinaus. Wenn sie nur eine Heimat gehabt haetten! Aber wo waren sie zu finden, wenn ich Gruss und Nachricht zu ihnen senden wollte! Ich dachte an die zwoelf Jahre seit unserem ersten Abschied;--sollte wieder so lange Zeit vergehen oder am Ende gar das ganze Leben? "Und gruess mir aa dein Vaterhaus, wenn du heimkommst!" sagte Lisei, da sie am letzten Abend mich an die Haustuer begleitet hatte. "I seh's mit mein' Augen, das Baenkerl vor der Tuer, die Lind im Gart'l; ach, i vergiss es nimmer; so lieb hab ich's nit wieder g'funden in der Welt!" Als sie das sagte, war es mir, als leuchte aus dunkler Tiefe meine Heimat zu mir auf; ich sah die zaertlichen Augen meiner Mutter, das feste ehrliche Antlitz meines Vaters. "Ach, Lisei", sagte ich, "wo ist denn jetzt mein Vaterhaus! Es ist ja alles oed und leer." Lisei antwortete nicht; sie gab mir nur die Hand und blickte mich mit ihren guten Augen an. Da war mir, als hoerte ich die Stimme meiner Mutter sagen: "Halte diese Hand fest und kehr mit ihr zurueck, so hast du deine Heimat wieder!"--und ich hielt die Hand fest und sagte: "Kehr du mit mir zurueck, Lisei, und lass uns zusammen versuchen, ein neues Leben in das leere Haus zu bringen, ein so gutes, wie es die gefuehrt haben, die ja auch dir einst lieb gewesen sind!" "Paul", rief sie, "was meinst du? I versteh di nit." Aber ihre Hand zitterte heftig in der meinen, und ich bat nur: "Ach, Lisei, versteh mich doch!" Sie schwieg einen Augenblick. "Paul", sagte sie dann, "i kann nit von mei'm Vaterl gehen." "Der muss ja mit uns, Lisei! Im Hinterhause, die beiden Stuebchen, die jetzt leer stehen, da kann er wohnen und wirtschaften; der alte Heinrich hat sein Kaemmerchen dicht daneben." Lisei nickte. "Aber Paul, wir sind landfahrende Leut. Was werden sie sagen bei dir daheim?" "Sie werden maechtig reden, Lisei!" "Und du hast nit Furcht davor?" Ich lachte nur dazu. "Nun", sagte Lisei, und wie ein Glockenlaut schlug es aus ihrer Stimme, "wenn du sie hast--i hab schon die Kuraschi!" "Aber tust du's denn auch gern?" "Ja, Paul, wenn i 's nit gern taet"--und sie schuettelte ihr braunes Koepfchen gegen mich--, "gel, da taet i 's nimmermehr!" "Und, mein Junge", unterbrach sich hier der Erzaehler, "wie einen bei solchen Worten ein Paar schwarze Maedchenaugen ansehen, das sollst du nun noch lernen, wenn du erst ein Stieg Jahre weiter bist!" "Ja, ja", dachte ich, "zumal so ein Paar Augen, die einen See ausbrennen koennen!" "Und nicht wahr", begann Paulsen wieder, "nun weisst du auch nachgerade, wer das Lisei ist." "Das ist die Frau Paulsen!" erwiderte ich. "Als ob ich das nicht laengst gemerkt haette! Sie sagt ja noch immer "nit" und hat auch noch die schwarzen Augen unter den feingepinselten Augenbrauen." Mein Freund lachte, waehrend ich mir im stillen vornahm, die Frau Paulsen, wenn wir ins Haus zurueckkaemen, doch einmal recht darauf anzusehen, ob noch das Puppenspieler-Lisei in ihr zu erkennen sei.--"Aber", fragte ich, "wo ist denn der alte Herr Tendler hingekommen?" "Mein liebes Kind", erwiderte mein Freund, "wohin wir schliesslich alle kommen. Drueben auf dem gruenen Kirchhof ruht er neben unserem alten Heinrich; aber es ist noch einer mehr in sein Grab mit hineingekommen; der andre kleine Freund aus meiner Kinderzeit. Ich will dir's wohl erzaehlen; nur lass uns ein wenig hintenaus gehen; meine Frau koennte nachgerade einmal nach uns sehen wollen, und sie soll die Geschichte doch nicht wieder hoeren." Paulsen stand auf, und wir gingen auf den Spazierweg hinaus, der auch hier hinter den Gaerten der Stadt entlangfuehrt. Nur wenige Leute kamen uns entgegen; denn es war schon um die Vesperzeit. "Siehst du"--begann Paulsen seine Erzaehlung wieder--, "der alte Tendler war derzeit mit unserem Verspruch gar wohl zufrieden; er gedachte meiner Eltern, die er einst gekannt hatte, und er fasste auch zu mir Vertrauen. Ueberdies war er des Wanderns muede; ja, seit es ihn in die Gefahr gebracht hatte, mit den verworrensten Vagabunden verwechselt zu werden, war in ihm die Sehnsucht nach einer festen Heimat immer mehr heraufgewachsen. Meine gute Meisterin zwar zeigte sich nicht so einverstanden; sie fuerchtete, bei allem guten Willen moege doch das Kind des umherziehenden Puppenspielers nicht die rechte Frau fuer einen sesshaften Handwerksmann abgeben.--Nun, sie ist seit lange schon bekehrt worden!--Und so war ich denn nach kaum acht Tagen wieder hier, von den Bergen an die Nordseekueste, in unserer alten Vaterstadt. Ich nahm mit Heinrich die Geschaefte ruestig in die Hand und richtete zugleich die beiden leerstehenden Zimmer im Hinterhause fuer den Vater Joseph ein.--Vierzehn Tage weiter--es strichen eben die Duefte der ersten Fruehlingsblumen ueber die Gaerten--, da kam es die Strasse heraufgebimmelt. "Meister, Meister!" rief der alte Heinrich, "sie kommen, sie kommen!" Und da hielt schon das Waegelchen mit den zwei hohen Kisten vor unserer Tuer. Das Lisei war da, der Vater Joseph war da, beide mit muntern Augen und roten Wangen; und auch das ganze Puppenspiel zog mit ihnen ein; denn ausdrueckliche Bedingung war es, dass dies den Vater Joseph auf sein Altenteil begleiten solle. Das kleine Fuhrwerk dagegen wurde in den naechsten Tagen schon verkauft. Dann hielten wir die Hochzeit; ganz in der Stille; denn Blutsfreunde hatten wir weiter nicht am Ort; nur der Hafenmeister, mein alter Schulkamerad, war als Trauzeuge mit zugegen. Lisei war, wie ihre Eltern, katholisch; dass aber das ein Hindernis fuer unsere Ehe sein koenne; ist uns niemals eingefallen. In den ersten Jahren reiste sie wohl zur oesterlichen Beichte nach unserer Nachbarstadt, wo, wie du weisst, eine katholische Gemeinde ist; nachher hat sie ihre Kuemmernisse nur noch ihrem Mann gebeichtet. Am Hochzeitsmorgen legte Vater Joseph zwei Beutel vor mir auf den Tisch, einen groesseren mit alten Harzdritteln, einen kleinen voll Kremnitzer Dukaten. "Du hast nit danach fragt, Paul!" sagte er. "Aber so voellig arm is doch mein Lisei dir nit zubracht. Nimm's! i brauch's allfurt nit mehr."-Das war der Sparpfennig, von dem mein Vater einst gesprochen, und er kam jetzt seinem Sohne beim Neubeginn seines Geschaefts zu ganz gelegener Zeit. Freilich hatte Liseis Vater damit sein ganzes Vermoegen hingegeben und sich selbst der Fuersorge seiner Kinder anvertraut; aber er war dabei nicht muessig; er suchte seine Schnitzmesser wieder hervor und wusste sich bei den Arbeiten in der Werkstatt nuetzlich zu machen. Die Puppen nebst dem Theater-Apparat waren in einem Verschlage auf dem Boden des Nebenhauses untergebracht. Nur an Sonntagnachmittagen holte er bald die eine, bald die andere in sein Stuebchen herunter, revidierte die Draehte und Gelenke und putzte oder besserte dies und jenes an den selben. Der alte Heinrich stand dann mit seiner kurzen Pfeife neben ihm und liess sich die Schicksale der Puppen erzaehlen, von denen fast jede ihre eigene Geschichte hatte; ja, wie es jetzt herauskam, der so wirkungsvoll geschnitzte Kasper hatte einst fuer seinen jungen Verfertiger sogar den Brautwerber um Liseis Mutter abgegeben. Mitunter wurden zur besseren Veranschaulichung der einen oder andern Szene auch wohl die Draehte in Bewegung gesetzt; Lisei und ich haben oftmals draussen an den Fenstern gestanden, die schon aus gruenem Weinlaub gar traulich auf den Hof hinausschauten; aber die alten Kinder drinnen waren meist so in ihr Spiel vertieft, dass ihnen erst durch unser Beifallklatschen die Gegenwart der Zuschauer bemerklich wurde.--Als das Jahr weiterrueckte, fand Vater Joseph eine andere Beschaeftigung; er nahm den Garten unter seine Obhut, er pflanzte und erntete, und am Sonntage wandelte er, sauber angetan, zwischen den Rabatten auf und ab, putzte an den Rosenbueschen oder band Nelken und Levkojen an feine selbstgeschnitzte Staebchen. So lebten wir einig und zufrieden; mein Geschaeft hob sich mehr und mehr. Ueber meine Heirat hatte unsere gute Stadt sich ein paar Wochen lebhaft ausgesprochen; da aber fast alle ueber die Unvernunft meiner Handlungsweise einig waren und dem Gespraeche so die gedeihliche Nahrung des Widerspruches vorenthalten blieb, so hatte es sich bald selber ausgehungert. Als es dann abermals Winter wurde, holte Vater Joseph an den Sonntagen auch wieder die Puppen aus ihrem Verschlage herunter, und ich dachte nicht anders, als dass in solchem stillen Wechsel der Beschaeftigung ihm auch kuenftig die Jahre hingehen wuerden. Da trat er eines Morgens mit gar ernsthaftem Gesichte zu mir in die Wohnstube, wo ich eben allein an meinem Fruehstueck sass. "Schwiegersohn", sagte er, nachdem er sich wie verlegen ein paarmal mit der Hand durch seine weissen Haarspiesschen gefahren war, "ich kann's doch nit wohl laenger ansehn, dass ich alleweil so das Gnadenbrot an euerm Tische soll essen." Ich wusste nicht, wo das hinaus sollte, aber ich fragte ihn, wie er auf solche Gedanken komme; er schaffe ja mit in der Werkstatt, und wenn mein Geschaeft jetzt einen groesseren Gewinn abwerfe, so sei dies wesentlich der Zins seines eigenen Vermoegens, das er an unserem Hochzeitsmorgen in meine Hand gelegt habe. Er schuettelte den Kopf. Das reiche alles nicht; aber eben jenes kleine Vermoegen habe er zum Teil einst in unserer Stadt gewonnen; das Theater sei ja noch vorhanden, und die Stuecke habe er auch alle noch im Kopfe. Da merkte ich's denn wohl, der alte Puppenspieler liess ihm keine Ruhe; sein Freund, der gute Heinrich, genuegte ihm nicht mehr als Publikum, er musste einmal wieder oeffentlich vor versammeltem Volke seine Stuecke auffuhren. Ich suchte es ihm auszureden; aber er kam immer wieder darauf zurueck. Ich sprach mit Lisei, und am Ende konnten wir nicht umhin, ihm nachzugeben. Am liebsten haette nun freilich der alte Mann gesehen, wenn Lisei wie vor unserer Verheiratung die Frauenrollen in seinen Stuecken gesprochen haette; aber wir waren uebereingekommen, seine dahin zielenden Anspielungen nicht zu verstehen; fuer die Frau eines Buergers und Handwerksmeisters wollte sich das denn doch nicht ziemen. Zum Glueck--oder, wie man will, zum Unglueck--war derzeit ein ganz reputierliches Frauenzimmer in der Stadt, die einst bei einer Schauspielertruppe als Souffleuse gedient hatte und daher in derlei Dingen nicht unbewandert war. Diese--Kroepel-Lieschen nannten sie die Leute von wegen ihrer Kreuzlahmheit--ging sofort auf unser Anerbieten ein, und bald entwickelte sich am Feierabend und an den Sonntagnachmittagen die lebhafteste Taetigkeit in Vater Josephs Stuebchen. Waehrend vor dem einen Fenster der alte Heinrich an den Gerueststuecken des Theaters zimmerte, stand vor dem andern zwischen frisch angemalten Kulissen, die von der Zimmerdecke herunterhingen, der alte Puppenspieler und exerzierte mit Kroepel-Lieschen eine Szene nach der andern. Sie sei ein dreimal gewuerztes Frauenzimmer, versicherte er stets nach solcher Probe; nicht einmal die Lisei hab es so schnell kapiert; nur mit dem Singen ginge es nit gar so schoen; sie grunze mit ihrer Stimme immer in der Tiefe, was fuer die schoene Susanne, die das Lied zu singen habe, nicht eben harmonierlich sei. Endlich war der Tag der Auffuehrung festgesetzt. Es sollte alles moeglichst reputierlich vor sich gehen; nicht auf dem Schuetzenhofe, sondern auf dem Rathaussaale, wo auch die Primaner um Michaelis ihre Redeuebungen hielten, sollte jetzt der Schauplatz sein; und als am Sonnabendnachmittage unsere guten Buerger ihr frisches Wochenblaettchen auseinanderfalteten, sprang ihnen in breiten Lettern die Anzeige in die Augen: "Morgen Sonntagabend sieben Uhr auf dem Rathaussaale Marionetten-Theater des Mechanicus Joseph Tendler hieselbst. Die schoene Susanna, Schauspiel mit Gesang in vier Aufzuegen." Es war aber damals in unserer Stadt nicht mehr die harmlose schaulustige Jugend aus meinen Kinderjahren; die Zeiten des Kosakenwinters lagen dazwischen, und namentlich war unter den Handwerkslehrlingen eine arge Zuegellosigkeit eingerissen; die frueheren Liebhaber unter den Honoratioren aber hatten ihre Gedanken jetzt auf andere Dinge. Dennoch waere vielleicht alles gutgegangen, wenn nur der schwarze Schmidt und seine Jungen nicht gewesen waeren."-Ich fragte Paulsen, wer das sei, denn ich hatte niemals von einem solchen Menschen in unserer Stadt gehoert. "Das glaub ich wohl", erwiderte er, "der schwarze Schmidt ist schon vor Jahren im Armenhaus verstorben; damals aber war er Meister gleich mir; nicht ungeschickt, aber luederlich in seiner Arbeit wie im Leben; der sparsame Verdienst des Tages wurde abends in Trunk und Kartenspiel vertan. Schon gegen meinen Vater hatte er einen Hass gehabt, nicht allein, weil dessen Kundschaft die seinige bei weitem ueberstieg, sondern schon aus der Jugend her, wo er dessen Nebenlehrling gewesen und wegen eines schlechten Streiches gegen ihn vom Meister fortgejagt worden war. Seit dem Sommer hatte er Gelegenheit gefunden, diese Abneigung in erhoehtem Masse auch auf mich auszudehnen; denn bei der damals hier neu errichteten Kattunfabrik war, trotz seiner eifrigen Bemuehung um dieselbe, die Arbeit an den Maschinen allein mir uebertragen worden, infolgedessen er und seine beiden Soehne, die bei dem Vater in Arbeit standen und diesen an wuestem Treiben womoeglich ueberboten, schon nicht verfehlt hatten, mir ihren Verdruss durch allerlei Neckereien kundzugeben. Ich hatte indessen jetzt keine Gedanken an diese Menschen. So war der Abend der Auffuehrung herangekommen. Ich hatte noch an meinen Buechern zu ordnen und habe, was geschah, erst spaeter durch meine Frau und Heinrich erfahren, welche zugleich mit unserem Vater nach dem Rathaussaale gingen. Der Erste Platz dort war fast gar nicht, der Zweite nur maessig besetzt gewesen; auf der Galerie aber hatte es Kopf an Kopf gestanden.--Als man vor diesem Publikum das Spiel begonnen, war anfaenglich alles in der Ordnung vorgegangen; die alte Lieschen hatte ihren Part fest und ohne Anstoss hingeredet.--Dann aber kam das unglueckselige Lied! Sie bemuehte sich vergebens, ihrer Stimme einen zarten Klang zu geben; wie Vater Joseph vorhin gesagt hatte, sie grunzte wirklich in der Tiefe. Ploetzlich rief eine Stimme von der Galerie: "Hoeger up, Kroepel-Lieschen! Hoeger up!" Und als sie, diesem Rufe gehorsam, die unerreichbaren Diskanttoene zu erklettern strebte, da scholl ein rasendes Gelaechter durch den Saal. Das Spiel auf der Buehne stockte, und zwischen den Kulissen heraus rief die bebende Stimme des alten Puppenspielers: "Meine Herrschaft'n, i bitt g'wogentlich um Ruhe!" Kasperl, den er eben an seinen Draehten in der Hand hielt und der mit der schoenen Susanna eine Szene hatte, schlenkerte krampfhaft mit seiner kunstvollen Nase. Neues Gelaechter war die Antwort. "Kasperl soll singen!"--"Russisch! Schoene Minka, ich muss scheiden!"--"Hurra fuer Kasperl!"--"Nichts doch; Kasperl sein' Tochter soll singen!"--"Jawohl, wischt euch 's Maul! Die ist Frau Meisterin geworden, die tut's halt nimmermehr!" So ging's noch eine Weile durcheinander. Auf einmal flog, in wohlgezieltem Wurfe, ein grosser Pflasterstein auf die Buehne. Er hatte die Draehte des Kasperls getroffen; die Figur entglitt der Hand ihres Meisters und fiel zu Boden. Vater Joseph liess sich nicht mehr halten. Trotz Liseis Bitten hat er gleich darauf die Puppenbuehne betreten.--Donnerndes Haendeklatschen, Gelaechter, Fusstrampeln empfing ihn, und es mag sich freilich seltsam genug praesentiert haben, wie der alte Mann, mit dem Kopf oben in den Soffitten, unter lebhaftem Haendearbeiten seinem gerechten Zorne Luft zu machen suchte. --Ploetzlich, unter allem Tumult, fiel der Vorhang, der alte Heinrich hatte ihn herabgelassen.--Mich hatte indes zu Hause bei meinen Buechern eine gewisse Unruhe befallen; ich will nicht sagen, dass mir Unheil ahnte, aber es trieb mich dennoch fort, den Meinigen nach.--Als ich die Treppe zum Rathaussaal hinaufsteigen wollte, draengte eben die ganze Menge von oben mir entgegen. Alles schrie und lachte durcheinander. "Hurra! Kasper is dod! Lott is dod. Die Kamedie ist zu End!"--Als ich aufsah, erblickteich die schwarzen Gesichter der Schmidt-Jungen ueber mir. Sie waren augenblicklich still und rannten an mir vorbei zur Tuer hinaus; ich aber hatte fuer mich jetzt die Gewissheit, wo die Quelle dieses Unfugs zu suchen war. Oben angekommen, fand ich den Saal fast leer. Hinter der Buehne sass mein alter Schwiegervater wie gebrochen auf einem Stuhl und hielt mit beiden Haenden sein Gesicht bedeckt. Lisei, die auf den Knien vor ihm lag, richtete sich, da sie mich gewahrte langsam auf. "Nun, Paul", fragte sie, mich traurig ansehend, "hast du noch die Kuraschi?" Aber sie musste wohl in meinen Augen gelesen haben, dass ich sie noch hatte; denn bevor ich noch antworten konnte, lag sie schon an meinem Halse. "Lass uns nur fest zusammenhalten, Paul!" sagte sie leise.--Und siehst du! Damit und mit ehrlicher Arbeit sind wir durchgekommen.--Als wir am andern Morgen aufgestanden waren, da fanden wir jenes Schimpfwort "Pole Poppenspaeler"--denn ein Schimpfwort sollte es ja sein--mit Kreide auf unsere Haustuer geschrieben. Ich aber habe es ruhig ausgewischt, und als es dann spaeter noch ein paarmal an oeffentlichen Orten wieder lebendig wurde, da habe ich einen Trumpf daraufgesetzt; und weil man wusste, dass ich nicht spasse, so ist es danach still geworden.--Wer dir es jetzt gesagt hat, der wird nichts Boeses damit gemeint haben; ich will seinen Namen auch nicht wissen. Unser Vater Joseph aber war seit jenem Abend nicht mehr der alte. Vergebens zeigte ich ihm die unlautere Quelle jenes Unfugs und dass derselbe ja mehr gegen mich als gegen ihn gerichtet gewesen sei. Ohne unser Wissen hatte er bald darauf alle seine Marionetten auf eine oeffentliche Auktion gegeben, wo sie zum Jubel der anwesenden Jungen und Troedelweiber um wenige Schillinge versteigert waren; er wollte sie niemals wiedersehen.-Aber das Mittel dazu war schlecht gewaehlt; denn als die Fruehlingssonne erst wieder in die Gassen schien, kam von den verkauften Puppen eine nach der andern aus den dunkeln Haeusern an das Tageslicht. Hier sass ein Maedchen mit der heiligen Genoveva auf der Haustuerschwelle, dort liess ein Junge den Doktor Faust auf seinem schwarzen Kater reiten; in einem Garten in der Naehe des Schuetzenhofes hing eines Tages der Pfalzgraf Siegfried neben dem hoellischen Sperling als Vogelscheuche in einem Kirschbaum. Unserem Vater tat die Entweihung seiner Lieblinge so weh, dass er zuletzt kaum noch Haus und Garten bei uns verlassen mochte. Ich sah es deutlich, dass dieser uebereilte Verkauf an seinem Herzen nagte, und es gelang mir, die eine und die andere Puppe zurueckzukaufen; aber als ich sie ihm brachte, hatte er keine Freude daran; das Ganze war ja ueberdies zerstoert. Und, seltsam, trotz aller aufgewendeten Muehe konnte ich nicht erfahren, in welchem Winkel sich die wertvollste Figur von allen, der kunstreiche Kasperl, verborgen halte. Und was war ohne ihn die ganze Puppenwelt! Aber vor einem andern, ernsteren Spiel sollte bald der Vorhang fallen. Ein altes Brustleiden war bei unserem Vater wieder aufgewacht, sein Leben neigte sich augenscheinlich zu Ende. Geduldig und voll Dankbarkeit fuer jeden kleinen Liebesdienst lag er auf seinem Bette. "Ja, ja", sagte er laechelnd und hob so heiter seine Augen gegen die Bretterdecke des Zimmers, als saehe er durch dieselbe schon in die ewigen Fernen des Jenseits, "es is scho richtig g'wesn: mit den Menschen hab' ich nit immer koenne firti werd'n; da drobn mit den Engeln wird's halt besser gehn; und--auf alle Faell, Lisei, i find ja doch die Mutter dort."--Der gute kindliche Mann starb; Lisei und ich, wir haben ihn bitterlich vermisst; auch der alte Heinrich, der ihm nach wenigen Jahren folgte, ging an seinen noch uebrigen Sonntagnachmittagen umher, als wisse er mit sich selber nicht wohin, als wolle er zu einem, den er doch nicht finden koenne. Den Sarg unseres Vaters bedeckten wir mit allen Blumen des von ihm selbst gepflegten Gartens; schwer von Kraenzen wurde er auf den Kirchhof hinausgetragen, wo unweit von der Umfassungsmauer das Grab bereitet war. Als man den Sarg hinabgelassen hatte, trat unser alter Propst an den Rand der Gruft und sprach ein Wort des Trostes und der Verheissung; er war meinen seligen Eltern stets ein treuer Freund und Rater gewesen; ich war von ihm konfirmiert, Lisei und ich von ihm getraut worden. Ringsum auf dem Kirchhofe war es schwarz von Menschen; man schien von dem Begraebnisse des alten Puppenspielers noch ein ganz besonderes Schauspiel zu erwarten. --Und etwas Besonderes geschah auch wirklich; aber es wurde nur von uns bemerkt, die wir der Gruft zunaechst standen. Lisei, die an meinem Arme mit hinausgegangen war, hatte eben krampfhaft meine Hand gefasst, als jetzt der alte Geistliche dem Brauche gemaess den bereitgestellten Spaten ergriff und die erste Erde auf den Sarg hinabwarf. Dumpf klang es aus der Gruft zurueck. "Von der Erden bist du genommen!" erscholl jetzt das Wort des Priesters; aber kaum war es gesprochen, als ich von der Umfassungsmauer her ueber die Koepfe der Menschen etwas auf uns zufliegen sah. Ich meinte erst, es sei ein grosser Vogel; aber es senkte sich und fiel grade in die Gruft hinein. Bei einem fluechtigen Umblick--denn ich stand etwas erhoeht auf der aufgeworfenen Erde--hatte ich einen der Schmidt-Jungen sich hinter die Kirchhofmauer ducken und dann davonlaufen sehen, und ich wusste ploetzlich, was geschehen war. Lisei hatte einen Schrei an meiner Seite ausgestossen, unser alter Propst hielt wie unschluessig den Spaten zum zweiten Wurfe in den Haenden. Ein Blick in das Grab bestaetigte meine Ahnung: oben auf dem Sarge, zwischen den Blumen und der Erde, die zum Teil sie schon bedeckte, da hatte er sich hingesetzt, der alte Freund aus meiner Kinderzeit, Kasperl, der kleine lustige Allerweltskerl.--Aber er sah jetzt gar nicht lustig aus; seinen grossen Nasenschnabel hatte er traurig auf die Brust gesenkt; der eine Arm mit dem kunstreichen Daumen war gegen den Himmel ausgestreckt; als solle er verkuenden, dass, nachdem alle Puppenspiele ausgespielt, da droben nun ein anderes Stueck beginnen werde. Ich sah das alles nur auf einen Augenblick, denn schon warf der Probst die zweite Scholle in die Gruft: "Und zur Erde wieder sollst du werden!"--Und wie es von dem Sarg hinabrollte, so fiel auch Kasperl aus seinen Blumen in die Tiefe und wurde von der Erde ueberdeckt. Dann mit dem letzten Schaufelwurf erklang die troestliche Verheissung: "Und von der Erden sollst du auferstehen!" Als das Vaterunser gesprochen war und die Menschen sich verlaufen hatten, trat der alte Propst zu uns, die wir noch immer in die Grube starrten. "Es hat eine Ruchlosigkeit sein sollen", sagte er, indem er liebreich unsere Haende fasste. "Lasst uns es anders nehmen! In seiner Jugendzeit, wie ihr es mir erzaehltet, hat der selige Mann die kleine Kunstfigur geschnitzt, und sie hat einst sein Eheglueck begruendet; spaeter, sein ganzes Leben lang, hat er durch sie, am Feierabend nach der Arbeit, gar manches Menschenherz erheitert, auch manches Gott und den Menschen wohlgefaellige Wort der Wahrheit dem kleinen Narren in den Mund gelegt;--ich habe selbst der Sache einmal zugeschaut, da ihr noch beide Kinder waret.--Lasst nur das kleine Werk seinem Meister folgen; das stimmt gar wohl zu den Worten unserer Heiligen Schrift! Und seid getrost; denn die Guten werden ruhen von ihrer Arbeit." --Und so geschah es. Still und friedlich gingen wir nach Hause; den kunstreichen Kasperl aber, wie unsern guten Vater Joseph, haben wir niemals wiedergesehen.--Alles das", setzte nach einer Weile mein Freund hinzu, "hat uns manches Weh bereitet; aber gestorben sind wir beiden jungen Leute nicht daran. Nicht lange nachher wurde unser Joseph uns geboren, und wir hatten nun alles, was zu einem vollen Menschenglueck gehoert. An jene Vorgaenge aber werde ich noch jetzt Jahr um Jahr durch den aeltesten Sohn des schwarzen Schmidt erinnert. Er ist einer jener ewig wandernden Handwerksgesellen geworden, die, verlumpt und verkommen, ihr elendes Leben von den Geschenken fristen, die nach Zunftgebrauch auf ihre Ansprache die Handwerksmeister ihnen zu verabreichen haben. Auch an meinem Hause geht er nie vorbei." Mein Freund schwieg und blickte vor sich in das Abendrot, das dort hinter den Baeumen des Kirchhofs stand; ich aber hatte schon eine Zeitlang ueber der Gartenpforte, der wir uns jetzt wieder naeherten, das freundliche Gesicht der Frau Paulsen nach uns ausblicken sehen. "Hab ich's nit denkt!" rief sie, als wir nun zu ihr traten. "Was habt ihr wieder fuer ein Langes abzuhandeln? Aber nun kommt ins Haus! Die Gottsgab steht auf dem Tisch; der Hafenmeister is auch schon da; und ein Brief vom Joseph und der alt Meisterin! Aber was schaust mi denn so an, Bub?" Der Meister laechelte. "Ich hab ihm was verraten, Mutter. Er will nun sehen, ob du auch richtig noch das kleine Puppenspieler-Lisei bist!" "Ja, freili!" erwiderte sie, und ein Blick voll Liebe flog zu ihrem Mann hinueber. "Schau nur richti zu, Bub! Und wenn du es nit kannst find'n--der da, der weiss es gar genau!" Und der Meister legte schweigend seinen Arm um sie. Dann gingen wir ins Haus zur Feier ihres Hochzeitstages. Es waren praechtige Leute, der Paulsen und sein Puppenspieler-Lisei. Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Pole Poppenspaeler, von Theodor Storm. End of the Project Gutenberg EBook of Pole Poppensp"ler, by Theodor Storm *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK POLE POPPENSP"LER *** This file should be named 7plpp10.txt or 7plpp10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7plpp11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7plpp10a.txt Produced by Mike Pullen and Delphine Lettau. Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. 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