The Project Gutenberg EBook of Timon von Athen, by William Shakespeare #37 in our series by William Shakespeare Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. You can also find out about how to make a donation to Project Gutenberg, and how to get involved. **Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** **eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** *****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** Title: Timon von Athen Author: William Shakespeare Release Date: January, 2005 [EBook #7226] [Yes, we are more than one year ahead of schedule] [This file was first posted on March 28, 2003] Edition: 10 Language: German Character set encoding: ASCII *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK TIMON VON ATHEN *** This Etext is in German. We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- which requires a binary transfer, or sent as email attachment and may require more specialized programs to display the accents. This is the 7-bit version. This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg2000.de. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg2000.de erreichbar. Timon von Athen. William Shakespeare Uebersetzt von Christoph Martin Wieland Personen. Timon, ein edler Athenienser. Lucius, Lucullus, Sempronius und Ventidius, Schmeichler und falsche Freunde des Timon. Alcibiades, ein General der Athenienser. Apemanthus, ein Cynischer Philosoph. Flavius, Timons Verwalter. Flaminius, Lucilius und Servilius, Bediente des Timon. Caphis, Varro, Philo, Titus, Lucius und Hortensius, Bediente von den Glaeubigern des Timon. Ein Poet. Ein Mahler. Ein Juweelen-Haendler. Ein Galanterien-Kraemer. Ein Kauffmann. Drey Diebe. Etliche Senatoren. Cupido und Masken. Phrynia und Timandra, Maitressen des Alcibiades. Verschiedne Bediente, Soldaten, und andre als stumme Personen. Die Scene, Athen, und ein nicht weit davon gelegner Wald. Erster Aufzug. Erste Scene. (Eine Halle in Timons Hause.) (Der Poet, der Mahler, der Juweelen-Haendler, der Kauffmann, und der Galanterie-Kraemer treten durch verschiedne Thueren auf.) Poet. Guten Tag, mein Herr. Mahler. Ich erfreue mich ueber euer Wohlbefinden. Poet. Ich hab' euch lange nicht gesehen; wie geht's in der Welt? Mahler. So dass es besser seyn koennte, mein Herr. Poet. Nun, das ist etwas bekanntes. Aber was giebt es vor besondere Seltenheiten?* Was ist so ausserordentlich, wovon wir nicht in den Urkunden der Welt mehr als ein Beyspiel finden?--Seht, o Zauberey der Freygebigkeit! Alle diese Geister hat deine Macht zusammenbeschworen, dir aufzuwarten--Ich kenne den Kauffmann. Mahler. Ich kenne beyde; der andere ist ein Juweelen-Haendler. Kauffmann. O! es ist ein wuerdiger Edelmann! Juweelen-Haendler. Das ist ausgemacht. Kauffmann. Ein recht unvergleichlicher Mann, von einer unerschoepflichen und immerwaehrenden Guetigkeit beseelt. Er uebertrift -- Juweelen-Haendler. Ich habe hier ein Juweel-- Kauffmann. O ich bitte euch, lasst mich's sehen--Fuer den Lord Timon, mein Herr? Juweelen-Haendler. Wenn er es so hoch bezahlt als es geschaezt ist; doch was das betrift -- Poet. Wenn wir um Lohn den Lasterhaften singen, So wird auch des Gerechten Lobes Glanz Dadurch beflekt, das wir der Tugend bringen-- Kauffmann (indem er das Juweel betrachtet.) Es ist schoen geschnitten. Juweelen-Haendler. Und reich; was das fuer ein Wasser ist! Seht ihr? Mahler (zum Poeten.) Mein Herr, ihr seyd, daeucht mich, im Enthusiasmus, ueber irgend einem Werk, das diesem grossen Mann gewidmet werden soll. Poet. Es ist eine Kleinigkeit, die mir in einer muessigen Stund' entgangen ist. Unsre Poesie ist wie ein Gummi, das daher entspringt, woher es genaehrt wird. Das Feuer in dem Kiesel zeigt sich nicht eher bis es herausgeschlagen wird; unsre anmuthige Flamme entzuendet sich von selbst, und ueberstroemt wie ein reissendes Wasser jeden Damm, der sie einzwaengen will. Was habt ihr hier? Mahler. Ein Gemaehlde, mein Herr--Wenn kommt euer Werk ans Licht? Poet. An den Fersen meiner Gegenwart, mein Herr. Lasst mich euer Stuek sehen. Mahler. Es ist ein gutes Stuek. Poet. Das ist es; das reicht an vortrefflich. Mahler. Ertraeglich. Poet. Bewundernswuerdig! Was fuer eine Wahrheit, welch ein Anstand in dieser Stellung! Was fuer eine geistige Kraft schiesst aus diesem Auge! Was fuer eine schwangre Einbildungskraft bewegt sich in diesen Lippen! Selbst die stumme Gebehrde wird hier zum Ausdruk -- Mahler. Es ist eine ganz artige Nachaeffung der Natur; hier ist ein Strich-- Was sagt ihr davon? Poet. Ich will nichts sagen, als, er meistert die Natur selbst; eine kuenstliche Bewegung lebt in diesen Strichen, die lebhafter ist als das Leben selbst. (Einige Senatoren zu den Vorigen.) Mahler. Wie viel Aufwart dieser Herr hat! Poet. Die Senatoren von Athen! Glueklicher Mann! Mahler. Seht, noch etliche. Poet. Ihr seht diesen Zusammenfluss, diese grosse Fluth von Besuchern--Ich habe in diesem rohen Werk einen Mann entworffen, den diese Unterwelt mit ueberschwenglicher Hochachtung umfasst, und in die Arme schliesst. Meine freye Absicht haelt keinen besondern Lauf, sondern bewegt sich selbst in einer weiten See von Wachs; keine gesaeurte Bosheit vergiftet ein einziges Comma in dem Lauf den ich halte: sondern er fliegt einen Adler-Flug, kuehn, in einem fort, und laesst keine Spur zuruek. Mahler. Wie soll ich euch verstehen? Poet. Ich will es euch aufrigeln. Ihr seht wie alle Staende, wie alle Arten von Leute, sowohl die von glatter und schluepfriger als die von sproeder und herber Beschaffenheit, ihre Dienste zu den Fuessen des Lord Timon legen: Sein grosser Reichthum, der an seiner leutseligen und guetigen Gemuethsart haengt, ueberwaeltigt alle Arten von Herzen, und macht sie zu seinen freywilligen Unterthanen; ja, von dem Spiegelartigen Schmeichler bis zum Apemanthus, der wenige Dinge so sehr liebt als sich selbst zu verabscheuen; aber auch dieser giesst sich auf die Knie vor ihm hin, und kehrt vergnuegt, und durch ein Kopfniken des Timons, in seinen Gedanken, hoechst glueklich von ihm zuruek. Mahler. Ich sah sie mit einander reden. Poet. Ich dichte also das Gluek, auf einem hohen und anmuthigen Huegel gethront. Der Fuss des Berges ist mit allen Arten von Personen und Verdiensten dicht umgeben, die sich bestreben sich auf dem Busen dieser Sphaere festzusezen. Unter allen diesen Wesen, deren Augen auf diese allgewaltige Beherrscherin geheftet sind, personificire ich einen in Timons Gestalt, den Fortuna mit ihrer elfenbeinernen Hand zu sich winkt, und durch diese Gunst in ebendemselben Augenblik alle seine Nebenbuhler zu seinen Dienern und Sclaven macht. Mahler. Eine mahlerische Idee! Dieser Thron, diese Fortuna und dieser Huegel, mit einem Manne, dem aus den uebrigen untenstehenden emporgewinkt wird, und der sein Haupt gegen den schrofen Berg beugt, um zu seinem Gluek hinaufzuklettern, wuerde, nach unsrer Kunst, wohl ausgesonnen seyn. Poet. Nein, hoert mich nur weiter: Alle diese, die so kuerzlich erst seines gleichen waren, einige besser als er, folgen in diesem Augenblik seinen Schritten, draengen sich aufwartsam um ihn her, regnen fluesternde Schmeichlereyen in sein Ohr, machen sogar seine Schuhriemen zu einem Heiligthum, und trinken die freye Luft durch ihn. Mahler. Zum Henker, was wollt ihr mit diesen? Poet. Sobald nun Fortuna, in einem Anstoss von Wankelmuth den, der kaum ihr Liebling war, mit Fuessen tritt; so seht ihr, wie alle seine Verehrer, die mit Knien und Haenden sich auf den Gipfel des Berges hinaufarbeiteten, ihn hinunter schluepfen lassen, ohne dass nur ein einziger seinen ausglitschenden Fuss begleiten wollte. Mahler. Das ist gemein; ich kan euch tausend moralische Gemaehlde zeigen, die dergleichen ploezliche Glueks-Streiche weit lebhafter vorstellen sollen, als Worte. Doch thut ihr wohl, dem Lord Timon zu zeigen, dass es schon begegnet ist, dass erniedrigte Augen den Fuss ueber dem Kopf gesehen haben. * Unser Autor hat, wie der Augenschein zeigt, seinen Poeten in diesem Stueke zu einem schlechten Kerl gemacht. Damit sein Charakter aber nicht der Profession selbst nachtheilig sey, so hat er ihn zu einem eben so schlechten Poeten gemacht, als er ein schlechter Mann ist. Ein untruegliches Kennzeichen von dem falschen Geschmak und unreiffen Urtheil, so er ihm beylegt, ist seine Liebe zu allem was seltsam, erstaunlich und abentheurlich, und eine Verachtung alles dessen, was gewoehnlich oder der Natur gemaess ist. Warbuerton. (Inspicere tanquam in speculum jubeo)-- (Terent.) Zweyte Scene. (Trompeten. Timon tritt auf, und wendet sich auf eine leutselige Art an die verschiednen Personen, die ihm die Aufwartung machen.) Timon (zu einem Boten.) Er sizt im Gefaengniss, sagt ihr? Bote. Ja, gnaediger Herr; Seine Schulden belauffen sich auf fuenf Talente, seine Mittel sind sehr knapp, seine Glaubiger sehr dringend; er bittet euch, an diejenige, die ihn eingesezt haben, zu seinem Behuf zu schreiben, und wuerde ohne allen Trost seyn, wenn ihr ihm diese Gunst versagen wuerdet. Timon. Der edle Ventidius! Gut! Ich bin nicht von der Art, meinen Freund zu verlassen, wenn er meiner am meisten noethig hat. Ich weiss, er ist ein Edelmann, der wohl verdient, dass man ihm aushelfe; ich will es thun, ich will die Schuld bezahlen, und ihn befreyen. Bote. Euer Gnaden verpflichtet sich ihn auf ewig. Timon. Empfehlt mich ihm; ich will ihm seine Ranzion schiken, und ihn, wenn er wieder frey seyn wird, zu mir einladen. Es ist nicht genug, dem Schwachen aufzuhelfen, man muss ihm auch den Arm zum Gehen leyhen. Lebt wohl. Bote. Ich wuensche Euer Gnaden tausend Wohlergehen. (Geht ab.) (Ein alter Athenienser tritt auf.) Alter Athenienser. Lord Timon, hoert mich reden. Timon. Rede frey, mein guter alter Vater. Alter Athenienser. Du hast einen Diener, namens Lucilius. Timon. So ist's; was soll er dann? Alter Athenienser. Sehr edler Timon, lass diesen Mann sogleich vor dich kommen. Timon. Ist er hier oder nicht?--Lucilius!--(Lucilius tritt auf.) Lucilius. Hier, was befehlen Euer Gnaden? Alter Athenienser. Dieser Bursche hier, Lord Timon, dieser dein Diener besucht des Nachts mein Haus. Ich bin ein Mann, der von der Jugend an sich Mueh gegeben hat, etwas zu erwerben, und mein Vermoegen erheischt einen gewichtigern Erben, als einen der auf einem hoelzernen Teller isst. Timon. Gut; was weiter? Alter Athenienser. Ich hab' eine einzige Tochter, und sonst keinen Anverwandten, dem ich vermachen koennte was ich erworben habe. Das Maedchen ist huebsch, so jung als eine Braut seyn kan, und ich habe keine Kosten gespart, sie zu den besten Eigenschaften zu erziehen. Dieser dein Diener bewirbt sich um ihre Liebe; ich bitte dich, edler Lord, vereinige dich mit mir, ihm ihren Umgang zu untersagen; ich selbst hab' es fruchtlos gethan. Timon. Der Mann ist ein ehrlicher Mann. Alter Athenienser. So wird er's auch hierinn seyn, Timon. Seine Ehrlichkeit belohnt ihn durch sich selbst, sie soll ihm nicht meine Tochter kuppeln. Timon. Liebt sie ihn? Alter Athenienser. Sie ist jung und mannbar; unsre eigene ehmalige Leidenschaften lehren uns, wie leichtsinnig die Jugend ist. Timon (zu Lucilius.) Liebt ihr das Maedchen? Lucilius. Ja, mein Gnaediger Herr, und sie ist es zufrieden. Alter Athenienser. Wenn sie einander ohne meine Einwilligung heurathen, so rufe ich die Goetter zu Zeugen, dass ich meinen Erben aus den Bettlern auf der Strasse waehlen, und ihnen alles entziehen will. Timon. Wieviel soll sie zum Brautschaz haben, wenn sie einen Mann heurathete, der ihr an Vermoegen gleich waere? Alter Athenienser. Drey Talente fuers Gegenwaertige, und kuenftig alles. Timon. Dieser wakere Mann hat mir lange gedient; um sein Gluek zu machen, will ich mich ein wenig angreiffen; es ist eine Pflicht der Menschlichkeit. Gieb ihm deine Tochter; so viel du ihr giebst, will ich ihm auch geben, um zu machen, dass er so viel waegen soll als sie. Alter Athenienser. Sehr edler Lord, verspreche mir das auf euer Ehrenwort, so soll er sie haben. Timon. Hier hast du meine Hand, mein Ehrenwort ist mein Versprechen. Lucilius. Ich danke Euer Gnaden demuethigst; nimmer moege mir das Gluek gedeyhen, welches ich nicht eurer Guete schuldig zu seyn erkenne. (Lucilius und der Alte Athenienser gehen ab.) Poet. Nehmet diese Arbeit so guetig auf, als die Wuensche, die ich fuer Euer Gnaden langes Leben thue. Timon. Ich danke euch, ihr sollt gleich mehr von mir hoeren; geht nicht weg-- Was habt ihr hier, mein Freund? Mahler. Ein Gemaehlde, welches ich Euer Gnaden bitte anzunehmen. Timon. Mahlerey ist mir allezeit willkommen. Seitdem die Falschheit mit der Natur des Menschen ein Gewerbe treibt, ist ein gemahlter Mensch soviel als ein natuerlicher; gemahlte Figuren sind gerade das, wofuer sie sich geben. Euer Werk gefaellt mir, und ihr sollt finden, dass es mir gefaellt; wartet, bis ihr wieder von mir hoert. Mahler. Die Goetter erhalten euch! Timon. Lebt wol, mein Herr; gebt mir eure Hand, wir muessen heute mit einander zu mittagessen. Mein Herr, euer Juweel hat von allzugrossem Lob gelitten. Juweelen-Haendler. Wie, Milord? Ist es missfaellig? Timon. Es ist mir bis zum Ekel angepriesen worden. Wenn ich es bezahlen sollte, wie es geschaezt wird, so muesste ich mich zu Grunde richten. Juweelen-Haendler. Gnaediger Herr, es ist so geschaezt wie diejenige, die es verkauffen, es gerne gaeben; ihr wisst aber wol, dass Dinge von gleichem Werth, wenn sie ungleiche Eigenthuemer haben, nach ihren Besizern geschaezt werden; glaubt mir, Gnaediger Herr, das Juweel wuerde einen noch groessern Werth erhalten, wenn ihr es trueget. Timon. Ihr scherzet mit mir, mein guter Mann. Kauffmann. Nein, Gnaediger Herr, er redt nur die gemeine Sprache, die alle Leute mit ihm reden. Timon. Seht, wer hier kommt--Wollt ihr ausgescholten seyn? Dritte Scene. (Apemanthus)* (zu den Vorigen.) {ed.-* Sehet diesen Character eines Cynikers, sehr fein vom Lucian in seinem Ausruf der Philosophen gezeichnet, und wie gut Shakespear ihn copirt hat. Warbuerton.} Juweelen-Haendler. Wir wollen's mit Euer Gnaden theilen. Kauffmann. Er wird keinen verschonen. Timon. Guten Morgen, mein angenehmster Apemanthus. Apemanthus. Warte du auf einen Gegengruss, bis ich angenehm werde. Poet. Wenn werden wir das Gluek haben, das zu erleben? Apemanthus. Wenn du Timons Hund seyn wirst, und diese Schelmen ehrlich. Timon. Warum nennst du sie Schelme? Du kennst sie nicht. Apemanthus. Sind sie nicht Athenienser? Timon. Ja. Apemanthus. So nehm' ich mein Wort nicht zuruek. Juweelen-Haendler. Ihr kennt mich, Apemanthus. Apemanthus. Du weissst dass ich dich kenne, ich nannte dich bey deinem Namen. Timon. Du bist stolz, Apemanthus. Apemanthus. Auf nichts so sehr, als das ich dem Timon nicht aehnlich bin. Timon. Wo willt du hin? Apemanthus. Einem ehrlichen Athenienser das Hirn ausschlagen. Timon. Das waer' eine That, wofuer du sterben muesstest. Apemanthus. Richtig, wenn das Gesez eine Todesstrafe auf nichts thun sezt. Timon. Wie gefaellt dir dieses Gemaehlde, Apemanthus? Apemanthus. Am besten, weil es nichts boeses thut. Timon. Arbeitete der nicht gut, der es mahlte? Apemanthus. Der arbeitete noch besser, der den Mahler machte; und doch ist er nur ein schlechtes Stuek Arbeit. Mahler. Ihr seyd ein Hund. Apemanthus. Deine Mutter ist von meinem Stamme; was war sie, wenn ich ein Hund bin? Timon. Apemanthus, willt du mit mir zu mittagessen? Apemanthus. Nein, ich esse keine grosse Herren. Timon. Wenn du es thaetest, wuerden die Damen ueber dich boese werden. Apemanthus. O! die verschlingen gar die grossen Herren, und kriegen dike Baeuche davon. Timon. Das ist ein unzuechtiger Einfall. Apemanthus. So nimmst du ihn auf; nimm ihn fuer deine Muehe. Timon. Wie gefaellt dir dieses Juweel, Apemanthus? Apemanthus. Nicht so wol wie Aufrichtigkeit, die doch einen keinen Heller kostet. Timon. Wie viel meynst du, dass es werth sey? Apemanthus. Nicht werth dass ich darauf denke. Wie steht's, Poet? Poet. Wie steht's Philosoph? Apemanthus. Du luegst. Poet. Bist du keiner. Apemanthus. Ja. Poet. So lueg' ich nicht. Apemanthus. Bist du nicht ein Poet? Poet. Ja. Apemanthus. So luegst du also: schau in dein leztes Werk; worinn du dichtest, dass er ein wuerdiger Mann sey. Poet. Das ist nicht gedichtet, er ist es. Apemanthus. Ja, er ist deiner wuerdig, und wuerdig dich fuer deine Arbeit zu bezahlen. Wer sich gerne schmeicheln laesst, ist seines Schmeichlers wuerdig. Goetter! moecht' ich nur ein grosser Herr seyn! Timon. Was wolltest du denn thun, Apemanthus? Apemanthus. Eben das was Apemanthus izt thut, einen grossen Herrn hassen. Timon. Wie, dich selbst? Apemanthus. Ja. Timon. Warum denn? Apemanthus. Das ich nicht mehr Verstand haette, als ein grosser Herr zu seyn-- Bist du nicht ein Kauffmann? Kauffmann. Ja, Apemanthus. Apemanthus. Die Handelschaft verderbe dich, wenn es die Goetter nicht thun wollen! Kauffmann. Wenn es die Handelschaft thut, so thun es die Goetter. Apemanthus. Die Handelschaft ist dein Gott, und dein Gott verderbe dich! (Man hoert Trompeten. Ein Bote tritt auf.) Timon. Was fuer Trompeten sind das? Bote. Es ist Alcibiades mit etlichen zwanzig Reitern, die ihn begleiten. Timon. Ich bitte euch, geht ihnen entgegen, ladet sie zu mir ein--ihr muesst schlechterdings mit mir zu mittagessen--Geht nicht von hier bis ich euch gedankt habe, und nach dem Essen, zeigt mir dieses Stuek; ich erfreue mich euch zu sehen. (Alcibiades und seine Begleiter treten auf.) Sehr willkommen, mein Herr. (Sie bueken sich, und umarmen einander.) Apemanthus. So, so! dass euch die Gicht laehme und ausdoerre, ihr biegsamen Gelenke! Warum sollten auch diese artigen suessen Schelmen einander nicht lieb haben! Wahrhaftig das menschliche Geschlecht wird zu lauter Affen und Meerkazen. Alcibiades. Ich sehnte mich so sehr euch zu sehen, dass ich es nicht satt werden kan. Timon. Sehr willkommen, mein Herr; ehe wir scheiden, wollen wir einige Tage mit allerhand Lustbarkeiten zubringen. Ich bitte euch, lasst uns hinein gehen. (Sie gehen ab.) Vierte Scene. (Apemanthus bleibt; zu ihm Lucius und Lucullus.) Lucius. Wie viel ist die Zeit, Apemanthus? Apemanthus. Zeit ehrlich zu seyn. Lucius. Diese Zeit ist immer. Apemanthus. Ein desto schlimmerer Bube bist du, dass du sie immer vorbeylaessest. Lucullus. Gehst du zu des Lord Timons Gastmahl? Apemanthus. Ja, um zu sehen, wie Speisen Schelme faellen, und Wein Narren erhizt. Lucius. Lebe wohl, lebe wohl. Apemanthus. Du bist ein Narr, dass du mir zweymal lebe wohl sagst. Lucullus. Warum, Apemanthus? Apemanthus. Du haettest eines fuer dich selbst behalten sollen, denn von mir kriegst du keines. Lucius. Haeng' dich auf! Apemanthus. Nein, ich will nichts thun, das du mir sagst; mache deine Fordrungen an deinen Freund. Lucius. Hinweg du unvertraeglicher Hund, oder--ich stosse dich mit den Fuessen hinaus. Apemanthus. Ich will fliehen, wie ein Hund vor den Hinterfuessen eines Esels. Lucius. Er ist ein Antipode der Menschlichkeit. Kommt, wollen wir hineingehen, und an Lord Timons Freygebigkeit Antheil nehmen? In der That er uebertrift die Guete selbst. Lucullus. Das thut er. Plutus, der Gott des Reichthums ist nur sein Haus- Hofmeister: Das kleinste Verdienst, das sich jemand um ihn macht, bezahlt er siebenfaeltig ueber seinen Werth; und das kleinste Geschenk das er annimmt, zieht dem Geber eine Erstattung zu, die alle gewoehnliche Erkenntlichkeit uebertrift. Lucius. Er hat das edelste Gemueth, das jemals einen Mann regiert hat. Lucullus. Moeg' er lang' in diesem glueklichen Stande leben, wollen wir hinein? Lucius. Ich will euch Gesellschaft leisten. (Sie gehen ab.) Fuenfte Scene. (Ein grosser Saal in Timons Hause.) (Eine Musik mit Hautbois; Es wird ein grosses Banquet aufgetragen; Timon, Lucius, Lucullus, Sempronius und andre Atheniensische Senatoren, treten mit Ventidius auf. Wenn alle herein gekommen sind, schlendert auch Apemanthus, mit missvergnuegtem Gesicht, hinter ihnen drein.) Ventidius. Hoechstgeehrter Timon! es hat den Goettern gefallen, meinen alten Vater in seine Ruhe eingehen zu lassen. Er ist glueklich vom Schauplaz gegangen, und hat mich reich hinterlassen. Ich gebe euch also, wie die Dankbarkeit gegen euer grossmuethiges Herz mich verpflichtet, diese Talente, durch deren Huelf ich meine Freyheit wieder erlangt, mit verdoppeltem Dank und Erbietung meiner Gegendienste zuruek. Timon. O, das kan nicht seyn, mein rechtschaffner Ventidius; ihr misskennet meine Freundschaft: Ich gab sie mit willigem Herzen hin; und wer kan mit Wahrheit sagen, dass er gebe, wenn er wieder empfaengt? Wenn hoehere als wir sind es thun, so steht es doch uns nicht an. Apemanthus. Ahme ihnen kuehnlich nach; nuezliche Laster sind schoen. Ventidius. Welch eine edle Denkungsart! Timon, (indem er sieht, dass seine Gaeste viele Complimente und Umstaende machen, eh sie sich sezen.) Ceremonien sind nur erfunden worden, um falschen Thaten, holen Bewillkommungen, und erzwungner Gutthaetigkeit eine Glasur zu geben; aber, wo wahre Freundschaft ist, bedarf es nichts dergleichen. Ich bitte euch, nehmet Plaz; ihr seyd mir willkommner zu meinem Wohlstand, als er mir selbst ist. (Sie sezen sich.) Lucius. Wir sind immer davon ueberzeugt gewesen. Apemanthus. Ho, ho, ueberzeugt gewesen? Dass ihr gehangen waer't! Timon. Ha, Apemanthus! Ihr seyd willkommen. Apemanthus. Ich will es aber nicht seyn; ich komme nur, dass du mich zur Thuere hinausstossest. Timon. Pfui, wie grob du bist! Ihr habt da einen Humor angenommen, der einem Mann nicht gut laesst; es ist gar nicht huebsch. Man sagt sonst, meine Herren, (ira furor brevis est), aber dieser Mann dort ist immer entruestet. Apemanthus. Lass mich auf deine Gefahr da bleiben, Timon; ich komme, Beobachtungen zu machen, ich will dich gewarnt haben. Timon. Und ich gebe dir keine Acht; du bist ein Athenienser, und also willkommen; ich moechte fuer mich selbst kein Vermoegen haben--Ich bitte dich, lass meine Schuesseln dich zum Stillschweigen bringen. Apemanthus. Ich verschmaehe deine Schuesseln; ich wollt' eher dran erworgen, eh ich dir jemals schmeicheln wollte. O ihr Goetter, wieviel Leute essen den Timon, und er sieht sie nicht! Es schmerzt mich, ihrer so viele zu sehen, die ihren Bissen in eines einzigen Mannes Blut tauchen; und das unsinnigste ist, dass er sie noch dazu aufmuntert. Mich wundert nur, dass es Menschen giebt, die sich bey andern Menschen sicher halten. Sie sollten einander ohne Messer einladen, es waere gut fuer ihre Schuesseln, und sichrer fuer ihr Leben. An Beyspielen fehlt es nicht; der Bursche, zum Exempel, der hier zu naechst an ihm sizt, das Brodt mit ihm theilt, und thut als ob er auch den Athem mit ihm theilen wollte, ist alle Augenblike bereitwillig, ihm einen Dolch in das Herz zu stossen. Es sind Beweise davon da. Waer' ich ein grosser Herr, ich haette das Herz nicht zu trinken, aus Furcht, sie moechten ausspaehen, wo sie meiner Luftroehre am besten beykommen koennten; grosse Herren sollten nicht anders trinken, als mit einem Harnisch um ihre Gurgel. Timon (indem er dem Lucullus zutrinkt.) Milord, von Herzen; lasst die Gesundheit herumgehen. Lucullus. Lasst sie diesen Weg gehen, mein werthester Lord. Apemanthus. Diesen Weg gehen--Ein braver Kerl; er weiss die Zeit wol in Acht zu nehmen; diese Gesundheiten werden noch machen, dass du und dein Vermoegen die Schwindsucht kriegen werden, Timon. (Er langt ein Stuek Brodt und einen Krug mit Wasser aus seiner Tasche.) Hier ist etwas, das zu schwach ist, ein Suender zu seyn, ehrliches Wasser, das noch niemand in den Schuld-Thurm gebracht hat. Mein Essen schikt sich zu meinem Trank-- (Er stellt sich hin, das Tisch-Gebett zu sprechen.) Gastmaehler sind zu stolz, den Goettern Dank zu sagen. Apemanthus (betet:) (Ihr Goetter, ich spreche euch um keine Reichthuemer an, denn ich achte sie fuer Quark; ich bitte fuer niemand, als mich selbst. Verleihet, dass ich niemals so ein guter Narr werde, einem Mann auf seinen Eyd zu trauen, oder einer Hure auf ihre Thraenen, oder einem Hund, der zu schlafen scheint, oder meinen Freunden, wenn ich ihrer noethig habe; Amen, Amen.) Izt zugegriffen! Reiche Leute suendigen, und ich esse Wurzeln. Timon. General Alcibiades, mich daeucht, euer Herz ist diesen Augenblik im Felde. Alcibiades. Mein Herz ist allenthalben zu euern Diensten, Milord. Timon. Ihr waeret lieber bey einem Fruehstuek von Feinden, als bey einem Mittag-Essen von Freunden gewesen. Alcibiades. Wenn sie so frisch bluten, so ist kein besseres Gericht als sie; ich wollte meinen Freund zu einem solchen Schmaus wuenschen.* Apemanthus. Ich wollte also, dass alle diese Schmarozer deine Feinde waeren, damit du sie umbraechtest, und mich darauf zu Gaste baetest. Lucullus. Moechten wir nur das Gluek haben, Milord, dass ihr uns einmal durch etwas auf die Probe sezen wolltet, wobey wir euch unsre Ergebenheit in etwas zeigen koennten; es wuerde uns nichts mehr zu wuenschen uebrig bleiben. Timon. O, meine guten Freunde, ich zweifle keinen Augenblik, dass die Goetter fuer Gelegenheiten gesorgt haben, wo ich eben so viel Huelfe von euch erhalten werde; wie waeret ihr sonst meine Freunde gewesen? Warum trueget ihr diesen herzruehrenden Namen, vor tausenden, wenn ihr mein Herz nicht naeher angienget? Ich habe ueber diesen Punct mehr von euch zu mir selbst gesagt, als ihr mit Bescheidenheit zu euerm eignen Behuf sagen koenntet. Ihr Goetter, denke ich, wozu brauchten wir Freunde zu haben, wenn wir sie niemals noethig haetten; sie wuerden wie liebliche Instrumente seyn, die in Futteralen aufgehangen sind, und ihre Toene fuer sich selbst behalten. Mein Vertrauen zu euch geht so weit, dass ich mich oft aermer gewuenscht habe, damit ich euch naeher kommen moechte; wir sind dazu gebohren, Gutes zu thun. Und was koennen wir gewisser und eigentlicher unser eigen nennen, als die Reichthuemer unsrer Freunde? O! was fuer ein unschaezbarer Trost ist das, so viele zu haben, die, wie Brueder, einer ueber des andern Gluek und Vermoegen schalten koennen! O Freude, die schon eine Freude ist, eh sie gebohren werden kan! Meine Augen koennen nicht Wasser halten, daeucht mich; ihren Fehler zu verbessern, trink ich euch zu! Apemanthus. Du weinst nur, um zu machen, dass sie dich trinken. Lucullus. Das Vergnuegen ward auf die nemliche Art in unsern Augen empfangen, und kam in demselben Augenblik wie ein neugebohrnes Kind hervor. Apemanthus. Ho, ho! ich muss lachen, wenn ich denke, dass dieses Kind ein Bastard ist. Ein andrer von den Gaesten. Ich versichre euch, ihr habt mich ausserordentlich geruehrt. Apemanthus. Ausserordentlich! (Man hoert einen Trompeten-Stoss.) Timon. Was will diese Trompete? was giebt's? (Ein Bedienter kommt herein.) Bedienter. Gnaediger Herr, es sind etliche Frauenzimmer draussen, welche gerne vorgelassen werden moechten. Timon. Frauenzimmer? Was wollen sie? Bedienter. Sie bringen einen Vorredner mit, der das Amt traegt, ihr Gewerb anzubringen. Timon. Ich bitte, lasst sie hereinkommen. * Diese Scytische Art zu reden, ist nicht im Character eines Atheniensers, noch des Alcibiades. Der Alcibiades unsere Autors in diesem Stuek gleicht dem Alcibiades, den Plutarch schildert, wie ein Affe einem Menschen; er ist ein Held in Ostadens Geschmak gemahlt, oder wie--(Dieu le Pere dans sa gloire eternelle, peint galamment dans le gout de Wateau.) Sechste Scene. (Cupido mit etlichen Weibspersonen, die als Amazonen gekleidet sind, und ein Balletformiren.) Cupido. Heil dir, wuerdiger Timon, und euch allen, die seine Guetigkeiten schmeken! Die fuenf vorzueglichsten Sinnen erkennen dich fuer ihren Gutthaeter, und kommen, deiner ueberfliessenden Grossmuth Dank zu erstatten. Das Ohr, der Geschmak, der Geruch und das Gefuehl stehen befriedigt von deiner Tafel auf, diese hier kommen nun, deinen Augen einen Schmaus zu geben. Timon. Sie sind alle willkommen; lasst ihnen freundlich begegnet werden; lasst Musik ihren Willkomm machen. Lucius. Ihr sehet, Milord, wie ausserordentlich ihr geliebt werdet. Apemanthus. Heyda! Was fuer ein Geschweif von Eitelkeit zieht daher! Sie tanzen, sie sind dem Tollhaus entloffen, glaub' ich.* {ed.-* Apemanthus faehrt hier im Original in etlichen Zeilen fort, ueber die Weltfreuden und die Schmeichler loszuziehen; es ist aber, ungeachtet der Bemuehung des Hrn. Warbuerton, so wenig Zusammenhang in dieser corrupten Rede, dass man sie lieber gar weggelassen; da es ohnehin weiter nichts als eine ganz alltaegliche Capucinade ist, an der man wenig verliehrt.} (Nach geendigtem Tanz stehen die Gaeste von der Tafel auf, und machen dem Timon eine Menge feyrlicher Ehrenbezeugungen: Ein jeder liesst sich sodann eine Amazonin aus, und so tanzen sie paarweise einen oder Zween muntre Taenze, und hoeren auf.) Timon. Meine schoenen Damen, ihr habt unserer Lustbarkeit einen Reiz gegeben, ohne den sie nicht halb so schoen und anmuthig war. Eure Gegenwart hat ihr erst einen Werth und lebhaften Glanz gegeben, und das Vergnuegen vollkommen gemacht, das ich meinen Gaesten zu verschaffen gewuenscht habe. Ich bin euch sehr dafuer verbunden. Lucius. Milord, ihr nehmt sie uns gerade wie es am besten gegangen waere. Timon. Mesdames, es ist hier in dem Nebenzimmer eine kleine Tafel fuer euch gedekt. Nehmet einige Erfrischungen, wenn es euch beliebt. Alle Frauenzimmer. Mit vielem Dank, Milord. (Sie gehen ab.) Timon. Flavius-- Flavius. Gnaediger Herr-- Timon. Bringt mir das kleine Kaestchen her. Flavius. Ja, Gnaediger Herr. (Bey Seite.) Noch mehr Juweelen? Man darf ihm nicht einreden, wenn er in einer Laune ist, sonst sollt ich ihm sagen--Gut!--In der That ich sollte; wenn es zu spaete seyn wird, wird er selbst wuenschen, dass man ihm eingeredet haette. Es ist zu bedauren, dass die Freygebigkeit hinten am Kopf keine Augen hat, damit ein ehrlicher Mann nicht durch ein allzu gutes Herz unglueklich werden koennte. Lucullus. Wo sind unsre Leute? Bedienter. Hier, Gnaediger Herr. Lucullus. Unsre Pferde! Timon. O meine guten Freunde! (zu Lucullus.) Ich hab' euch nur ein Wort zu sagen: Sehet hier Mylord; ich bitte euch, erweisst mir die Ehre, dieses Kleinod anzunehmen und zu tragen, mein guetiger Lord! Lucullus. Ich bin schon so sehr euer Schuldner-- Alle. Das sind wir alle. (Lucius, Lucullus, und die uebrigen gehen ab.) Siebende Scene. (Ein Bedienter zu Timon.) Bedienter. Gnaediger Herr, etliche Edelleute, die kuerzlich in den Senat befoerdert worden, wollen euch ihren Besuch machen. Timon. Sie sind hoechstens willkommen. (Flavius kommt wieder zuruek.) Flavius. Ich bitte Euer Gnaden, erlaubet mir ein Wort; es geht euch sehr nah an. Timon. Mich? Nun, so will ich dich ein andermal anhoeren. Ich bitte, sorge davor, dass wir ihnen mit etwas aufwarten koennen. Flavius (vor sich.) Ich weiss kaum womit. (Ein andrer Bedienter.) 2. Bedienter. Mit Euer Gnaden Erlaubniss, Lord Lucius macht euch aus Freundschaft und Erkenntlichkeit ein Geschenk von vier milchweissen Pferden, mit Silber angeschirrt. Timon. Ich werde sie auf eine edle Art annehmen; (zu Flavius.) Sorget davor, dass ihnen wohl gewartet werde. (Ein dritter Bedienter.) Was giebt's? was neues? 3. Bedienter. Mit Euer Gnaden Erlaubniss, der hochgebohrne Lord Lucullus bittet sich Euere Gesellschaft morgen auf eine Jagd aus, und hat Euer Gnaden zwo Kuppeln Windhunde hergeschikt. Timon. Ich will mit ihm jagen; ich will sie annehmen, und nicht vergessen, ihm einen schoenen Ersaz zu thun. Flavius (vor sich.) Wo will das hinkommen? Er befiehlt uns immer Provisionen zu machen, und macht grosse Praesente, und alles aus einer leeren Kiste. Und doch will er nicht leiden, dass ich ihm zeige, was fuer ein Bettler seine Freygebigkeit ist; seine Versprechungen fliegen soweit ueber sein Vermoegen hinaus, dass er fuer alles was er spricht, fuer jedes Wort, schuldig werden muesste. Er ist so gut, dass er Intressen bezahlt, um Andern Freygebigkeiten zu erzeigen. Alle seine Gueter stehen in den Schuldbuechern seiner Glaeubiger. Gut! ich wollte ich wuerde mit einer guten Art meines Diensts entsezt, eh ich gezwungen werde ihn zu verlassen. Glueklicher ist wer gar keine Freunde zu fuettern hat, als solche, die noch schlimmer sind als seine erklaerten Feinde selbst. Mein Herz blutet mir vor meinen Herren. (Er geht ab.) Timon. Ihr thut euch selbst unrecht, ihr verringert eure Verdienste zu sehr. Hier, Milord, ein kleines Merkmal unsrer Freundschaft. 1. Lord. Ich nehm' es mit hoechstem Dank an. 2. Lord. Er hat das grossmuethigste Herz von der Welt. Timon. Ah, ich erinnere mich erst izt, Milord, dass euch neulich das Castanien-braune Pferd, worauf ich ritt, wohl zu gefallen schien: Es ist euer, weil es euch gefaellt. 3. Lord. O ich bitte euch um Verzeihung, Milord, was das betrift. Timon. Nehmt mein Wort dafuer, Milord; ich weiss, niemand kan etwas nach Verdienst loben, als was er liebt. Ich schaeze meines Freundes Geschmak nach meinem eignen! ich spreche in vollem Ernst--Meine Herren, ich werde mich bey euch melden lassen. Alle Lords. O! niemand wird uns so willkommen seyn. Timon. Alle Besuche, und besonders die eurigen, sind mir so werth und angenehm, dass es nicht genug ist, wenn ich euch davor danke; ich koennte Koenigreiche unter meine Freunde austheilen, und es nie muede werden. Alcibiades, du bist ein Soldat, und also selten reich; deine Einkuenfte sind unter den Todten, und deine Laendereyen ligen in einem Schlachtfeld -- Alcibiades. Es ist noch Land's genug einzunehmen, Milord. 1. Lord. Wir sind euch so gaenzlich verpflichtet-- Timon. Das bin ich euch. 2. Lord. So unendlich verbunden-- Timon. Alles auf meiner Seite. Lichter, mehr Lichter! 3. Lord. Wir wuenschen euch eine bestaendige Dauer der vollkommensten Gluekseligkeit, Lord Timon. Timon. Zum Dienst meiner Freunde. (Die Lords gehen ab.) Achte Scene. Apemanthus. Was das fuer ein Gelerm ist, fuer ein Geschnaebel, und fuer Scharr- Fuesse! Ich zweifle, ob ihre Beine das Geld werth sind, das man fuer sie ausgegeben hat. Freundschaft ist voller Hefen; mich daeucht, falsche Herzen sollten niemals gesunde Beine haben. So tauschen ehrliche Narren ihr Geld an Complimente.* {ed.-* Wenn in dieser Rede wenig Sinn und Zusammenhang ist, so muss man wissen, dass sie im Original in Reimen geschrieben ist, wie viele andre in diesem Stueke. Die Reime scheinen dem Shakespear viel zu schaffen gemacht zu haben; sein freyer und feuriger Genie geht darinn wie ein Laeuffer in Courier-Stiefeln.} Timon. Nun, Apemanthus, wenn du nicht muerrisch waerest, so wollt' ich gut gegen dich seyn. Apemanthus. Nein, ich will nichts; denn wenn ich auch noch bestochen wuerde, so bliebe niemand uebrig, der dich durch die Hechel ziehen wuerde, und denn wuerdest du noch mehr suendigen. Du verschenkst so lange, Timon, besorg' ich, dass du in kurzem dich selbst weggeben wirst. Wozu sollen alle diese Gastmaehler, dieser Prunk und dieser eitle Aufwand? Timon. O wenn du anfaengst ueber alle Geselligkeit loszuziehen, so schwoer ich, ich will dir keinen Blik mehr goennen. Lebe wohl, und komme mit einer bessern Musik wieder. Apemanthus. So--du willt mich izt nicht hoeren, du sollst auch nicht! Ich will dir das einzige Mittel entziehen, was dich noch retten koennte. O, dass die Ohren der Leute nur fuer guten Rath taub sind, und nicht fuer Schmeicheley. (Geht ab.) Zweyter Aufzug. Erste Scene. (Ein oeffentlicher Plaz in der Stadt.) (Ein Senator tritt auf.) Senator. Und unlaengst, fuenf tausend; dem Varro und dem Isidorus ist er neuntausend schuldig, und dann meine vorhergehende Schuld; das macht zusammen fuenf und zwanzig--Nimmt denn die Wuth der Verschwendung kein Ende bey ihm? Es kan nicht dauern, es kan nicht. Wenn ich Geld brauche, so darf ich nur einen Bettler-Hund stehlen, und ihn dem Timon geben; der Hund muenzt mir Geld. Wenn ich gern mein Pferd verkaufte, um zehen bessere dafuer zu kauffen, gut, so geb ich mein Pferd dem Timon; ich verlange nichts, ich schenk es ihm, gleich wirft es mir zehen tuechtige Pferde. Er hat keinen Thuerhueter an seiner Pforte, sondern einen Kerl der immer laechelt und alles einlaedt, was vorbey geht. Das kan nicht dauern; es ist vernuenftigerweise unmoeglich, dass eine solche Wirthschaft dauern koennte. Caphis, he! Caphis, sag ich. (Caphis tritt auf.) Caphis. Hier, mein Herr, was habt ihr zu befehlen? Senator. Zieh deinen Rok an, und geh in Eile zu dem Lord Timon; treib ihn fuer die Bezahlung der Gelder, die er mir schuldig ist; lass dich durch keine schlechte Weigerung abweisen, oder durch ein: Mein Compliment an euern Herrn, zum Schweigen bringen, und dir mit der Mueze in der rechten Hand die Thuere weisen, so--sondern sag ihm, ich hab es unumgaenglich noethig; der Termin sey verstrichen, und die Frist die ich ihm gegeben, habe schon meinen Credit geschwaecht; Ich liebe und ehre ihn, aber es sey mir nicht zuzumuthen, dass ich den Hals breche, um seinen Finger zu heilen; Meine Beduerfnisse seyen dringend, und koennen durch Vertroestungen nicht befriediget werden, sondern erheischen unmittelbare Huelfe. Geh; nimm eine ungestueme Mine an, mach' ein Anforderungs-Gesicht; denn ich besorge, wenn jede Feder in ihrem eignen Fluegel steken wird, so wird Lord Timon, der izt wie ein Phoenix schimmert, nur eine nakte Moewe uebrig bleiben-- Geh, sag ich. Caphis. Ich gehe, Herr. Senator. Ich gehe, Herr?--Nehmt die Verschreibungen mit euch, und gebt wohl auf die Datums Acht. Caphis. Ich will, Herr. Senator. Geh. (Sie gehen ab.) Zweyte Scene. (Verwandelt sich in Timons Halle.) (Flavius tritt mit verschiednen Obligationen in der Hand auf.) Flavius. Keine Sorge, kein Maass noch Ziel! Er bekuemmert sich so wenig um seine Ausgaben, dass er weder darauf denkt wie er sie bestreiten, noch wie er diesem Strom von Verschwendung Einhalt thun wolle. Niemals ist so viel Guete mit so viel Thorheit in einem Menschen beysammen gewesen--Was ist zu thun?--Er wird nicht hoeren, bis er fuehlt; ich muss freymuethig mit ihm sprechen, wenn er von der Jagd heimkommt! O! weh! weh! weh! (Caphis, Isidor und Varro treten auf.) Caphis. Guten Abend, Varro; wie, kommt ihr auch um Geld zu fordern? Varro. Das wird vermuthlich euer Geschaeft auch seyn? Caphis. Es ist nicht anders, und euers auch, Isidor? Isidor. So ist es. Caphis. Ich wollte, wir waeren alle bezahlt. Varro. Mir ist nicht wohl bey der Sache. Caphis. Hier kommt der Lord. (Timon und sein Gefolge treten auf.) Timon. Sobald wir zu Mittag gegessen haben, wollen wir wieder fort. Mein Alcibiades--Nun, was ist euer Begehren. (Sie bieten ihm ihre Handschriften hin.) Caphis. Gnaediger Herr, hier ist eine Rechnung von gewissen Schulden -- Timon. Schulden? Woher seyd ihr? Caphis. Von Athen, hier, Gnaediger Herr. Timon. Geht zu meinem Verwalter. Caphis. Euer Gnaden wollen mir's zu gut halten, er hat mich diesen ganzen Monat durch von einem Tag auf den andern vertroestet; mein Herr wird durch eine dringende Veranlassung genoethiget, das Seinige einzufordern, und bittet demuethig, Euer Gnaden moechte, nach dero bekannten Grossmuth ihm sein Recht angedeyhen lassen. Timon. Mein ehrlicher Freund, komm den naechsten Morgen wieder. Caphis. Nein, Gnaediger Herr-- Timon. Maessige dich, guter Freund. Varro. Eines gewissen Varro's Bedienter, gnaediger Herr. Isidor. Von Isidor, er bittet um schleunige Bezahlung. Caphis. Wenn Euer Gnaden die Noth wuesste, worinn mein Herr stekt. -- Varro. Die Verschreibung, gnaediger Herr, ist schon vor sechs Wochen verfallen -- Isidor. Euer Haushofmeister weisst mich ab, und ich bin ausdrueklich zu Euer Gnaden geschikt worden. Timon. Lasst mich nur zu Athem kommen,-- (zu seinen Begleitern) Ich bitte euch, meine werthesten Herren, gehet hinein, ich werde euch in einem Augenblik aufwarten-- (Die Lords gehen ab.) Kommt hieher; (zu Flavius) Wie geht das zu, dass ich auf eine so schimpfliche Art mit ungestuemen Anfordrungen wegen Schulden, verfallnen Handschriften, und Vorenthaltung laengst richtig zumachender Zahlungen angefallen werde? Flavius. Mit eurer Erlaubniss, meine Herren; es ist izt keine gelegne Zeit fuer euer Geschaefte; wartet bis nach Mittag, damit ich Seiner Gnaden inzwischen begreiflich machen kan, warum ihr noch nicht bezahlt seyd. Timon. Thut das, meine Freunde. (zu Flavius.) Seht, dass ihnen wohl begegnet werde. (Timon geht ab.) Flavius. Ich bitte euch, kommt herein. (Flavius geht ab.) Dritte Scene. (Apemanthus und ein Harlequin zu den Vorigen.) Caphis. Wartet, wartet, hier kommt der Narr mit Apemanthus, wir wollen ein wenig Spass mit ihnen haben. Varro. An den Galgen mit ihm, er wird uns eins anhaengen. Isidor. Dass ihn die Pest,--den Hund! Varro. Wie geht's, Narr? Apemanthus. Redst du mit deinem Schatten? Varro. Ich rede nicht mit dir. Apemanthus. Das ist wahr, du redst mit dir selbst. Komm, lass uns gehn. (Zum Narren.) Isidor. Der Narr hangt schon an deinem Rueken. Apemanthus. Nein, du stehst einzeln. Caphis. Weil du noch nicht an ihm bist. Wo ist der Narr hingekommen? Apemanthus. Er hat die lezte Frage gethan. Arme Schelme und Wucherers Sclaven! Kuppler zwischen Geld und Mangel! Alle. Was sind wir, Apemanthus? Apemanthus. Esel. Alle. Was? Apemanthus. Wenn ihr euch selbst kenntet, so brauchtet ihr mich nicht zu fragen. Rede du mit ihnen, Narr. Harlequin. Was lebt ihr gutes, meine Herren? Alle. Grossen Dank, Narr; was macht eure Frau? Narr. Sie sezt eben Wasser ueber, um solche Huehnchen abzubruehen, wie ihr seyd. Ich wuenschte wir koennten das Vergnuegen haben, euch zu Corinth* zu sehen. {ed.-* Ein unter gewissen Leuten uebliches Wort anstatt Bordell, vermuthlich von der Ausgelassenheit dieser alten Griechischen Stadt hergenommen; wovon (Alexander ab Alexandro) sagt:(Corinthi super mille Prostitutae in templo Veneris assiduae degere & inflammata libidine quaestui meretricio operam dare & velut Sacrorum ministrae Deae famulari solebant.) Warbuerton.} Apemanthus. Grossen Dank fuer den guten Wunsch! (Ein Page zu den Vorigen.) Narr. Seht, hier kommt meiner Frauen Page. Page. Wie geht's, Capitain, Was macht ihr in dieser weisen Gesellschaft? Wie befindst du dich, Apemanthus? Apemanthus. Ich wollt', ich haette eine Ruthe in meinem Maul, um dir eine heilsame Antwort geben zu koennen. Page. Ich bitte dich Apemanthus, lies mir die Aufschrift auf diesen Briefen; ich weiss nicht, wem jeder gehoert. Apemanthus. Kanst du nicht lesen? Page. Nein. Apemanthus. Es wird also an dem Tag, da du gehaengt werden wirst, nicht viel Gelehrtheit sterben--Dieser ist an Lord Timon, dieser an Alcibiades. Geh, du wardst ein Huren-Sohn gebohren, und wirst als ein Huren- Wirth sterben. Page. Und du wardst als ein Hund geworffen, und wirst verhungern, wie ein Hund. Antworte mir nicht, ich gehe. (Er geht ab.) Apemanthus. Narr, ich will mit euch zum Lord Timon gehn. Harlequin. Wollt ihr mich dort verlassen? Apemanthus. Wenn Timon bey Hause ist--Ihr drey dient bey drey Wucherern? Alle. Ich wollte, sie dienten uns. Apemanthus. Das wollt' ich auch--Ein so feiner Streich, als jemals ein Henker einem Dieb gespielt hat! Harlequin. Seyd ihr Drey Wucherers-Leute? Alle. Ja, Narr. Harlequin. Ich glaub', es giebt in der ganzen Welt keinen Wucherer, der nicht einen Narren zum Diener hat. Meine Frau gehoert auch in diese Zunft, und ich bin ihr Narr; wenn die Leute zu euern Herren gehn um Geld zu borgen, so kommen sie traurig, und gehn lustig fort; aber in meiner Frauen Haus gehn sie lustig hinein, und traurig wieder fort. Wisst ihr die Ursach? Varro. Ich koennte wol eine sagen. Harlequin. So thue es dann, damit wir sehen, dass du ein Hurenjaeger und ein Lumpenhund bist; wofuer du aber, auch ohne das, nichts desto minder gehalten werden sollst. Varro. Was ist ein Hurenjaeger, Narr? Harlequin. Ein Narr in huebschen Kleidern, und dir in etwas aehnlich. Es ist ein Geist; zuweilen laesst er sich in Gestalt eines Edelmanns sehen, zuweilen in Gestalt eines Advocaten, zuweilen in Gestalt eines Philosophen, mit zwey Steinen, ohne den Stein der Weisen zu rechnen. Sehr oft nimmt er die Gestalt eines Soldaten an, und ueberhaupt ist keine Gestalt, worinn der Mensch von achtzig Jahren bis zu dreyzehn, nur immer gesehen werden mag, in welcher dieser Geist nicht spueke. Varro. Du bist nicht ganz ein Narr. Harlequin. Und du nicht ganz gescheidt; ich habe gerade so viel Narrheit, als dir an Gescheidtheit mangelt. Apemanthus. Das ist eine Antwort, deren Apemanthus sich nicht zu schaemen haette. Alle. Auf die Seite, auf die Seite, der Lord Timon kommt. (Timon und Flavius treten auf.) Apemanthus. Komm mit mir, Narr, komm mit. Harlequin. Einem Liebhaber, einem aeltern Bruder, und einem Weibsbild folg' ich nicht allemal; izt will ich einmal einem Philosophen folgen. Flavius (zu den Vorigen.) Seyd so gut, und spaziert ein wenig dort, ich will gleich mit euch reden. (Die Glaeubiger, Apemanthus und Harlequin, treten ab.) Vierte Scene. (Timon. Flavius.) Timon. Ihr sezt mich in Erstaunen: Warum habt ihr mir denn meine Umstaende nicht eher vollstaendig vorgelegt, damit ich meine Ausgaben nach dem Ertrag meiner Mittel haette einrichten koennen? Flavius. Ich hab euch in manchen muessigen Stunden daran erinnert, aber ihr wolltet mich nicht anhoeren. Timon. Ausfluechte! Ihr habt vielleicht gerade die Augenblike ausgesucht, da ich nicht bey guter Laune war; und izt bedient ihr euch dessen, euch selbst auf meine Unkosten zu entschuldigen. Flavius. O! mein gnaediger Herr, ich brachte meine Rechnungen manchmal, und legte sie euch vor; ihr warfet sie weg, und sagtet, ihr verlasset euch auf meine Ehrlichkeit. Wenn ihr, fuer irgend ein nichtswuerdiges Geschenk von euern Freunden, mir so oder so viel dagegen zu geben befahlet, schuettelt' ich den Kopf und weinte; ja, ich uebertrat oft die Geseze des Wohlstands und bat euch, ein wenig sparsamer im Austheilen zu seyn: Ich bekam nicht selten und nicht kleine Verweise, wenn ich Euch die Ebbe euers Vermoegens, und die grosse Fluth eurer Schulden vorstellte. Mein allerliebstes Herr, ob ihr gleich izt zu spaet hoeret, so ist doch noch izt eine Zeit; die Summe alles dessen, was ihr habt, mangelt nur eine Helfte, um alle eure Schulden zu bezahlen. Timon. Lasst alle meine ligende Gueter verkauft werden. Flavius. Sie sind meistens versezt, einige gar schon verfallen, oder sonst veraeussert; und der Rest wird kuemmerlich zureichen, die dringendsten Schulden zu verstopfen; die kuenftige Zeit ruekt heran; wovon sollen wir unterdessen leben, und wie werden wir zulezt mit unsrer Rechnung bestehen koennen? Timon. Meine Laendereyen erstrekten sich bis nach Lacedaemon. Flavius. Ach, mein Gnaediger Herr, die Welt ist nur ein Wort; waere sie ganz euer, so dass ihr sie in einem Athemzug weggeben koenntet, wie schnell wuerde sie weg seyn! Timon. Ihr habt recht. Flavius. Wofern ihr einigen Verdacht in meine Wirthschaft oder Treue sezet, so fordert mich vor die schaerfesten Richter, und stellt mich auf die Probe. Die Goetter seyen mir gnaedig, so wie ich die Wahrheit sage! Wenn alle eure Vorraths-Kammern von schwelgerischen Prassern erschoepft wurden; wenn die Gewoelbe und Deken in euern Saelen von Wein traeuffelten, der in trunknem Muthwillen versprizt wurde; wenn jedes Zimmer von Lichtern funkelte, und von Spielleuten zertrappt wurde; zog ich mich oft in einen dunkeln Winkel unter dem Dach zuruek, um meinen Thraenen freyen Lauf zu lassen. Timon. Ich bitte dich, nichts mehr, Flavius. Himmel! rief ich aus! wie guetig dieser Herr ist! Wie manche verschwenderische Bissen haben in dieser Nacht Sclaven und Bauren verschlukt! Wer ist izt nicht Timons? Welches Herz, welcher Kopf, welches Schwerdt, welches Vermoegen und Ansehen steht nicht zu Timons Diensten? des grossen, des edeln, wuerdigen, koeniglichen Timons? Aber wenn die Mittel hin sind, die diese Lobsprueche erkauften, so ist auch der Athem hin, woraus diese Lobsprueche gemacht waren--Lasst nur eine einzige Winterwolke schaudern, so ligen alle diese Fliegen. Timon. Komm, es ist genug geprediget! Mein Herz kan mir doch wegen meiner Guetigkeit keinen Vorwurf machen. Unweislich, nicht unedel hab' ich weggegeben; warum weinst du? Kanst du faehig seyn, dir einzubilden, es werde mir jemals an Freunden fehlen? Beruhige dich! Wenn ich die Gefaesse meiner Liebe anzapfen, und den Inhalt ihrer Herzen durch Borgen auf die Probe sezen wollte, ich koennte mich ihrer Personen und ihres Vermoegens so frey bedienen, als ich dir befehlen kan zu reden. Flavius. Die Goetter geben dass die Erfahrung eure Hoffnung erfuelle! Timon. Und gewisser Maassen leisten mir diese Beduerfnisse einen Dienst, der sie in meinen Augen zu grossen Vortheilen macht; denn durch sie werd' ich Freunde bewaehren. Ihr werdet sehen, wie sehr ihr euch ueber meine Glueks-Umstaende betruegt; ich bin an Freunden reich. Herein, he! Flaminius, Servilius! Fuenfte Scene. (Flaminius, Servilius, und andre Bediente treten auf.) Servilius. Gnaediger Herr-- Timon. Ich will euch an verschiedne Orte schiken; Ihr zu Milord Lucius-- ihr zu Lord Lucullus, mit dem ich heut auf der Jagd war--ihr zu Sempronius; empfehlt mich ihrer Freundschaft; sagt ihnen, ich sey stolz darauf, dass ich endlich Gelegenheit finde, ihre Beyhuelfe in einem mir zugestossnen Geldmangel gebrauchen zu koennen; begehrt fuenfzig Talente. Flaminius. Nach Euer Gnaden Befehl. (Flaminius und Bediente gehen ab.) Flavius (bey seite.) Lord Lucius und Lucullus! Hum! Timon. Ihr, mein Herr, geht zu den Senatoren, von denen ich, mit des Staats groestem Vortheil, eine solche Gefaelligkeit wohl verdient habe: Sagt ihnen, sie moechten mir augenbliklich tausend Talente schiken. Flavius. Ich bin so kuehn gewesen, (weil ich wusste, dass dieses der gewoehnlichste Weg ist) euern Namen und euer Sigel zu einem solchen Ansuchen bereits zu gebrauchen; allein, sie schuettelten die Koepfe, und ich kam nicht reicher zuruek. Timon. Was sagst du? Ist das wahr? Ist's moeglich? Flavius. Sie antworteten alle aus einem Mund und mit einer vereinigten Stimme, sie seyen eben nicht versehen, sie brauchten Geld, koennten nicht thun was sie wollten; es sey ihnen leid--Ihr seyt ein Mann von Verdiensten--Aber doch moechten sie gewuenscht haben--Sie wissen nicht--Es haette etwas anders seyn moegen--ein edles Naturell koenne sich verschlimmern--Waere zu wuenschen es waer' alles gut--Sey zu bedauren--Und hiemit geriethen sie ueber andre ernsthafte Materien, nachdem sie mich durch unfreundliche Blike und diese harten Brueche, mit gewissen halben Winken, und einem kaltsinnigen Kopfniken, zu erstarrendem Stillschweigen gebracht hatten. Timon. Ihr Goetter, vergeltet's ihnen!--Ich bitte dich, Mann, sey ruhig! Die Undankbarkeit ist bey diesen alten Gesellen etwas natuerliches. Ihr Blut ist geronnen, es ist kalt, es fliesst selten; der Mangel an freundlicher Waerme macht sie unfreundlich; die Natur, so wie sie nach und nach zur Erde herab sinkt, nimmt auch ihre Eigenschaften an, und wird schwer und unempfindlich. Geh zum Ventidius--Ich bitte dich, sey nicht traurig, du bist redlich und ohne Falsch; ich spreche von Herzen: Es ist nichts an dir auszusezen--Ventidius hat kuerzlich seinen Vater begraben, durch dessen Tod er zu einem grossen Vermoegen gekommen ist; wie er arm, im Gefaengniss, und von jedermann verlassen war, half ich ihm mit fuenf Talenten aus der Noth. Gruess' ihn in meinem Namen; sag ihm, irgend ein dringendes Beduerfniss sey seinem guten Freunde zugestossen, welches ihn noethige sich dieser fuenf Talente zu erinnern. Wenn du sie hast, so gieb sie diesen Leuten, die diesen Augenblik ihre Bezahlung fordern. Sage nur niemals, und denk' es auch nicht, dass Timons Glueksstand mitten unter seinen Freunden, einsinken koenne. (Er geht ab.) Flavius. Wollte Gott, ich koennt' es nicht denken! Wie geneigt ist ein edles und guetiges Herz, alle andern auch dafuer zu halten. (Er geht ab.) Dritter Aufzug. Erste Scene. (Des Lucullus Haus in Athen.) (Flaminius wartet auf Antwort, um vorgelassen zu werden; ein Bedienter kommt zu ihm.) Bedienter. Ich hab euch bey meinem gnaedigen Herrn angemeldt; er kommt eben selbst herab. Flaminius. Ich danke euch. (Lucullus tritt auf.) Bedienter. Hier ist Milord. Lucullus. Einer von Lord Timons Leuten? ein Praesent, denk' ich; nun, es trift recht artig zu; ich traeumte diese Nacht von einem silbernen Handbeken und einer Giesskannen. Flaminius, ehrlicher Flaminius, ihr seyd recht besonders willkommen, mein Herr;--(bringt mir einen Becher mit Wein)--Und wie befindet sich dann der wuerdigste, vollkommenste, grossmuethigste Edelmann in ganz Athen, dein sehr guetiger lieber Herr und Meister? Flaminius. Er ist ganz wohl auf, was seine Gesundheit betrift. Lucullus. Nun das freut mich ja recht, dass er wohl auf ist--und was hast du hier unter deinem Mantel, mein lieber Flaminius? Flaminius. Mein Treue, nichts als einen leeren Beutel, Gnaediger Herr, Euer Gnaden zu bitten, dass ihr ihn aus Freundschaft fuer meinen Herrn fuellen moechtet; der, da ihm eben eine dringende Noth zugestossen, mich zu Euer Gnaden geschikt hat, mit Bitte, ihm mit fuenfzig Talenten auszuhelfen; nicht zweiflend, dass ihr ihm eure schleunige Beyhuelfe nicht versagen werdet. Lucullus. La, la, la, la,--Nicht zweiflend, sagt ihr? Ach, leider! der gute Herr, er ist ein wakrer Edelmann, das ist wahr; wenn er nur nicht eine so kostbare Haushaltung fuehrte. Ich hab' oft und viel mit ihm zu Mittag gegessen, und es ihm gesagt, und bin wieder zum Nachtessen zu ihm gekommen, um es zu wiederholen, dass er seine Ausgaben einschraenken sollte: Allein er wollte nie keinen guten Rath annehmen, und liess sich meine Besuche nicht zur Warnung dienen. Jedermann hat seine Fehler, der seinige ist zuviel Ehrlichkeit. Ich hab' es ihm oft gesagt, aber ich konnte nie was ueber ihn erhalten. (Ein Bedienter kommt mit Wein.) Bedienter. Gnaediger Herr, hier ist der Wein. Lucullus. Flaminius, ich habe dich allezeit fuer einen verstaendigen jungen Menschen gehalten;--Auf deine Gesundheit! Flaminius. Ich danke Euer Gnaden. Lucullus. Ich hab immer bemerkt, dass du einen muntern fertigen Kopf hast, und dass du gescheidt genug bist, dich selbst nicht zu vergessen, und dich der Zeit zu bedienen, wenn sie dir Gelegenheit dazu giebt. Du hast huebsche Gaben-- (Zu seinem Bedienten) Geh deines Weges, Schurke--Komm naeher, ehrlicher Flaminius; dein Herr ist ein guetiger Edelmann, aber du bist verstaendig, und begreifst wol, (ob du gleich zu mir gekommen bist,) dass es izt keine Zeit ist Geld auszuleihen, zumal auf blosse Freundschaft, ohne Sicherheit. Hier hast du drey Goldgulden, mein guter Junge; verstehe mich wol, und sage deinem Herrn, du habest mich nicht gesehen. Lebe wohl. Flaminius. Ist's moeglich, dass die Welt sich in so kurzer Zeit so veraendert hat? Weg, verdammte Niedertraechtigkeit, (er schmeisst das Geld weg) geh' zu dem, dessen Abgott du bist. Lucullus. Ha! Nun seh' ich dass du auch ein Narr bist, und wol zu deinem Herrn taugst. (Lucullus geht ab.) Flaminius. Moege geschmolznes Geld deine Strafe in der Hoelle seyn, und diese Goldstueke zu den uebrigen kommen, die dir gluehend in den Rachen gegossen werden sollen, du verfluchter Heuchler von einem Freund-- Hat Freundschaft ein so schwaches milchichtes Herz, das in weniger als zwo Naechten gerinnt? O ihr Goetter, ich fuehle den Zorn, worinn dieses meinen Herrn sezen wird. Dieser Nichtswuerdige hat in diesem Augenblik noch meines Herren Mahlzeit im Leibe! Lasst es, anstatt ihn zu naehren, sich in Gall und Gift verwandeln! Lasst es nichts als Krankheiten in ihm zeugen, und wenn er auf den Tod darnieder ligt, o! so lasst jedes Theilchen von Nahrungssaft, wofuer mein Herr bezahlt hat, aller seiner heilsamen Kraft beraubt, zu nichts anderm dienen als durch langsame Pein seine lezte Stunde zu verzoegern! (Geht ab.) Zweyte Scene. (Eine oeffentliche Strasse.) (Lucius tritt mit dreyen Fremden auf.) Lucius. Wer? der Lord Timon? Er ist mein sehr guter Freund, und ein wuerdiger Edelmann. 1. Fremder. Wir kennen ihn nicht anders, ob wir ihm gleich unbekannt sind. Aber ich kan euch soviel sagen, Milord, und ich hab' es von dem allgemeinen Geruechte, dass Lord Timons gluekliche Tage vorbey sind, und dass er sich in schlimmen Umstaenden befindet. Lucius. Ey, nein, glaubt das nicht! Es kan ihm nicht an Gelde fehlen. 2. Fremder. Seyd versichert, Milord, es ist noch nicht lange, so war einer von seinen Leuten bey dem Lord Lucullus, und wollte fuenfzig Talente von ihm entlehnen; er betrieb es ungemein, und machte die Noth sehr dringend, und doch wurd' es ihm abgeschlagen. Lucius. Wie? 2. Fremder. Was ich euch sage, abgeschlagen, Milord! Lucius. Das ist ein seltsamer Zufall! Nun, bey den Goettern! ich schaeme mich fuer den Lucullus. Einem so angesehnen wakern Mann abzuschlagen! Er hat sehr wenig Ehre davon, wahrhaftig. Was mich betrift so muss ich bekennen, ich habe einige kleine Hoeflichkeiten von ihm empfangen, Geld, Silbergeschirr, Juweelen und dergleichen Kleinigkeiten, die in der That in keinen Vergleich mit demjenigen kommen, was Lucullus von ihm hat; aber haett er ihn vorbeygegangen und zu mir geschikt, ich wollt ihm gewiss fuenfzig Talente nicht abgeschlagen haben, ob die Summe gleich nicht gering ist. (Servilius zu den Vorigen.) Servilius. Zu gutem Gluek, find' ich hier den Lord Lucius; ich sucht' ihn schon in der ganzen Stadt--Gnaediger Herr! Lucius. Servilius! Es freut mich euch zu sehen. Lebt wohl, empfehlt mich euerm wuerdigen, tugendhaften Herrn, meinem sehr werthen Freund. Servilius. Mit Euer Gnaden Erlaubniss, mein Herr schikte-- Lucius. Ha! was schikt er? Ich bin euerm Herrn schon so viel verpflichtet, er schikt immer: Wie kan ich ihm meine Erkenntlichkeit bezeugen, meynst du? Und was schikt er mir dann? Servilius. Er schikt Euer Gnaden nur seinen Gruss, mit Bitte, ihm wegen einem dringenden Anlas der ihm zugestossen, mit fuenfzig Talenten auszuhelfen. Lucius. Ich weiss, dass Se. Gnaden nur Scherz mit mir treibt; es kan ihm nicht an fuenfzigmal fuenfhundert Talenten fehlen. Servilius. Indessen fehlt es ihm doch dissmal an einer viel kleinern Summe, Gnaediger Herr. Wenn er sie nicht so nothwendig brauchte, wuerd' ich nicht halb so eifrig mich darum bewerben. Lucius. Sprichst du im Ernst, Servilius? Servilius. Bey meiner Seele, Milord, es ist Ernst. Lucius. Was fuer ein verwuenschtes dummes Thier war ich, dass ich mich auf eine so gute Gelegenheit so sehr an Geld entbloesst habe, wo ich haette zeigen koennen, dass ich ein Mann bin, der auf Ehre haelt! Wie unglueklich es doch zutreffen muss, dass er mich gerad in einer Zeit auf die Probe sezt, da ich ausser Stand bin--In der That, Servilius, bey den Goettern, ich bin ausser Stand--(ein desto dummeres Vieh, sag ich) Ich wollte diesen Augenblik selbst zum Lord Timon schiken, und ihn um eine Summe Gelds ansprechen, diese Herren koennen Zeugschaft geben: Aber izt wollt' ich nicht um alles Geld in Athen, dass ich es gethan haette. Empfehlt mich Sr. Gnaden zu geneigtem Wohlwollen, und ich hoffe, Se. Gnaden werde keine schlimmere Meynung desswegen von mir fassen, weil ich nicht im Stande bin, ihm meine Dienstwilligkeit zu zeigen. Und sagt ihm in meinem Namen, ich rechne es unter meine groesten Widerwaertigkeiten, dass ich einem so wuerdigen Edelmann nicht zu Gefallen seyn koenne. Mein guter Servilius, wollt ihr so viel Freundschaft fuer mich haben, und ihm meine eignen Worte hinterbringen? Servilius. Ja, Herr, ich will. (Servilius geht ab.) Lucius. Ich will euch eine ziemliche Streke nachsehen, Servilius--Es ist, wie ihr sagtet; Timon ist hin, in der That; wer kan helfen? Euer Diener, meine Herren. (Er geht ab.) 1. Fremder. Merkt ihr das, Hostilius? 2. Fremder. Nur gar zu wohl. 1. Fremder. Das ist der Lauf der Welt; so denken alle Schmeichler: Wer kan den seinen Freund nennen, der in Eine Schuessel mit ihm taucht? Denn, wie mir bekannt ist, war Lord Timon wie ein Vater zu diesem Herrn; er unterhielt seinen Credit und seine Haushaltung aus seinem Beutel, und bezahlte sogar seinen Bedienten ihren Lohn. Er trinkt nie, ohne dass Timons Silber seine Lippen druekt; und dennoch--o! was fuer ein Ungeheuer ist der Mensch, wenn er aus einer undankbaren Gestalt hervorgukt! Er schlaegt ihm ab, was gutthaetige Leute Bettlern nicht versagen. 3. Fremder. Die Menschlichkeit schauert vor einer solchen Gefuehllosigkeit. 1. Fremder. Was mich betrift, so hab' ich in meinem Leben niemals die geringste Gutthat von Timon genossen, die mich vor andern verbaende, sein Freund zu seyn; und doch versichre ich, um seines edeln und wohlthaetigen Gemueths willen, und aus Hochachtung fuer seine Tugend, wollt' ich ihm die Helfte meines Vermoegens geschenkt haben, wenn er sich in seinem Beduerfniss an mich gewendet haette, so sehr lieb' ich sein Herz; allein, so wie die Welt geht, muss man sein Mitleiden zuruekhalten lernen; denn Klugheit geht ueber Gewissen. (Sie gehen ab.) Dritte Scene. (Ein dritter Bedienter des Timon mit Sempronius.) Sempronius. Musst' er denn gerade mich damit beunruhigen? Vor allen andern? Er haett' es bey Lord Lucius oder Lucullus versuchen koennen, und nun ist auch Ventidius reich, den er aus dem Gefaengniss erledigt hat; alle diese drey haben ihm ihr Vermoegen zu danken. Bedienter. O Gnaediger Herr, sie sind alle auf die Probe gesezt und falsch befunden worden; sie haben ihn alle abgewiesen. Sempronius. Wie? Abgewiesen? Ventidius und Lucullus, beyde ihn abgewiesen? Und nun schikt er zu mir? Drey! hum--Es zeigt wenig Freundschaft oder Vernunft auf seiner Seite an. Muss ich seine lezte Zuflucht seyn? Seine Freunde, die gleich Aerzten sich auf seine Unkosten bereichert haben, geben ihn au? Muss ich nun die Cur uebernehmen? er hat mir eine schlechte Ehre damit angethan; es verdriesst mich, er haette wol wissen koennen, wer ich bin; ich kan keinen Grund erdenken, warum er nicht zuerst an mich gekommen ist, wenn er jemands Huelfe noethig hatte. Auf mein Gewissen, ich war der erste unter allen die iemals Gutes von ihm genossen haben; und denkt er denn so unbillig von mir, dass ich der lezte seyn werde, es wett zu machen? Es wird allen uebrigen eine Materie zum Lachen geben, und ich werde der Narr unter dem Atheniensischen Adel seyn. Ich wollte dreymal so viel als er von mir verlangt darum geben, er haette zu mir zuerst geschikt, wenn es auch nur gewesen waere, um meiner Gemuethsart Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen; ich waere so geneigt gewesen ihm Gutes zu thun. Aber so geh' nur wieder heim, und seze zu den abschlaegigen Antworten der uebrigen, in meinem Namen, noch dieses hinzu: Wer meiner Ehre zu nahe tritt, soll nimmermehr mein Geld zu sehen kriegen. (Er geht ab.) Bedienter. Vortreflich! Euer Gnaden ist ein feiner Spizbube. Der Teufel wusste gewiss nicht was er that, wie er die Leute politisch machte; er schadete sich selbst dadurch; und ich kan nichts anders als glauben, am Ende werden sie ihn selbst mit ihren Schelmenstreichen zum Narren machen.--Das waren nun diejenigen, auf die mein Herr seine besten Hoffnungen gesezt hatte; nun sind alle zuruekgetreten, und ausser den Goettern bleibt ihm niemand uebrig. Seine Freunde sind todt. Thueren, die so manches gluekliche Jahr her nie mit ihren Schloessern bekannt worden, muessen nun gebraucht werden, ihren Herrn vor dem Ungestuem seiner Glaubiger sicher zu stellen. Das ist alles, was er von seiner Freygebigkeit davon traegt! (Er geht ab.) Vierte Scene. (Verwandelt sich in Timons Vorhaus.) (Varro, Titus, Hortensius, Caphis, und andre Bediente von Timons Glaeubigern treten auf, um auf sein Ausgehen zu warten.) Varro. Treffen wir uns hier an? Guten Morgen, Titus und Hortensius. Titus. Ebenmaessig, mein werther Varro. Hortensius. Caphis, sehen wir einander auch hier? Caphis. Ich denke wir haben alle einerley Verrichtung. Die meinige ist, Geld zu fordern. Titus. Das ist die unsrige auch. (Philo zu den Vorigen.) Caphis. Da kommt auch Herr Philo. Philo. Guten Tag allerseits. Caphis. Willkommen, Bruder. Wie viel, denkt ihr, ist es an der Zeit? Philo. Nicht weit von neun Uhr. Caphis. Schon so viel? Philo. Hat sich Milord noch nicht sehen lassen? Caphis. Noch nicht. Philo. Das wundert mich, er pflegte sonst um sieben Uhr schon zu scheinen. Caphis. Ja, aber die Tage haben bey ihm abgenommen; ihr muesst bedenken, dass der Lauf eines Verschwenders dem Sonnenlauf gleich ist, aber ich fuerchte mit dem Unterscheid, dass er nicht wieder von vornen anfangt. Es ist tiefster Winter in Timons Sekel; das ist, es mag einer tief genug hinunter langen, und doch nicht viel finden. Philo. Das besorg' ich auch. Titus. Ihr koennt bey dieser Gelegenheit eine feine Beobachtung machen: Euer Herr hat euch geschikt, den Timon um Geld anzufodern. Hortensius. So ist's. Titus. Und er traegt in diesem Augenblik Juweelen, die ihm Timon geschenkt hat, wofuer ich die Bezahlung fordern soll. Hortensius. Ich thue es ungern genug. Caphis. Das ist seltsam, dass Timon mehr bezahlen soll, als er schuldig ist; und es kommt eben so heraus, als ob euer Herr kostbare Kleinode truege, und schikte um Geld dafuer. Hortensius. Die Goetter sind meine Zeugen, dass mich diese Verrichtung recht sauer ankommt; ich weiss, mein Herr hat dem Timon geholfen, sein Vermoegen durchzubringen; seine Undankbarkeit macht, dass es izt aerger ist, als wenn er's ihm gestohlen haette. Varro. Meine Forderung ist dreytausend Cronen; wie viel ist die eurige? Caphis. Fuenftausend. Varro. Das ist viel; aus der Summe sollte man schliessen, euer Herr habe mehr Confidenz gehabt als der meinige, sonst haett' dieser gewiss seine Fordrung eben so gross gemacht.* (Flaminius zu den Vorigen.) Titus. Hier kommt einer von Timons Leuten. Caphis. Flaminius! Herr, ein Wort; ich bitte euch, ist Milord noch nicht fertig heraus zu kommen? Flaminius. Nein, in der That, er ist nicht. Titus. Wir warten auf Se. Gnaden, seyd so gut und sagt ihm das. Flaminius. Das hab ich nicht noethig ihm zu sagen, er kennt eure Aufwartsamkeit. (Flavius, in einen Mantel eingehuellt.) Caphis. Ha! Ist das nicht der Verwalter, der so vermummt ist? Er lauft wie in einem Sturm davon; ruft ihn, ruft ihn. Titus. Hoert ihr, Herr-- Varro. Mit eurer Erlaubniss, Herr. Flavius. Was wollt ihr von mir, mein Freund? Titus. Wir warten hier wegen gewissen Geld-Summen, Herr. Flavius. Wenn euer Geld so gewiss waere als euer Warten, so waer' es sicher genug. Warum wieset ihr denn eure Rechnungen und Schuld- Verschreibungen nicht damals vor, als eure verraethrischen Herren aus meines Herrn Schuesseln assen? Damals konnten sie seine Schulden anlaecheln, und die Interessen in ihren heisshungrigen Rachen hinunter schluken. Ihr thut euch nur selbst Schaden, wenn ihr mich aufreizet; lasst mich in Ruhe meines Wegs gehen. Glaubt mir, Milord und ich sind fertig; ich habe nichts mehr zu rechnen, und er nichts mehr auszugeben. Caphis. Schon recht, aber die Antwort dient nicht-- Flavius. Wenn sie nicht dienen mag, so ist sie nicht so niedertraechtig als ihr; denn ihr dient Schelmen. (Er geht ab.) Varro. Wie? was brummt seine verwalterische Herrlichkeit? Titus. Lasst es gehen--er ist arm, und das ist Straffe genug. Wer darf sich breiter machen, als einer der kein Haus hat, wo er seinen Kopf hinein steken kan? Solche Leute duerfen sich wol ueber Palaeste aufhalten. (Servilius zu den Vorigen.) Titus. O, hier ist Servilius; nun werden wir doch eine Antwort kriegen. Servilius. Wenn ich euch bitten duerfte, meine Herren, zu einer andern Zeit wieder zu kommen, so wuerdet ihr mir einen Gefallen thun. Denn bey meiner Seele, Milord ist auf eine seltsame Art unmuthig; sein leutseliges Wesen hat ihn ganz verlassen, er ist gar nicht wohl auf, er huetet das Zimmer. Caphis. Manche hueten das Zimmer, die nicht krank sind; und wenn es so uebel mit seiner Gesundheit steht, so daeucht mich, sollt' er seine Schulden nur desto eher bezahlen, und sich einen offnen Weg zu den Goettern machen. Servilius. Ihr guetigen Goetter! Titus. Das koennen wir fuer keine Antwort nehmen. Flaminius (hinter der Buehne.) Servilius, helft--Milord, Milord! * Ein Wortspiel mit (Confidence), welches im Englischen Zutrauen und Unverschaemtheit heissen kan. Fuenfte Scene. (Timon lauft in der Wuth heraus.) Timon. Wie, ist mir nicht mehr erlaubt zu meiner Thuer heraus zu gehen? Ich bin immer frey gewesen, und soll nun mein Haus mein Kerker werden? Muss mich die eisenherzige Grausamkeit der Menschen bis in den Plaz verfolgen, wo ich ihnen Bankette gab? Caphis. Bring dein Gewerb' izt an, Titus. Titus. Gnaediger Herr, hier ist meine Obligation. Caphis. Hier ist die meinige. Varro. Und hier die meinige, Milord. Philo und die Uebrigen. Und hier die unsrige. Timon. Schlagt mich damit zu Boden--Spaltet mich bis an den Guertel. Caphis. Aber, Milord-- Timon. Schneid mein Herz in Stueke. Titus. Meine ist fuenfzig Talente. Timon. Rechne sie an meinem Blut ab. Caphis. Fuenftausend Cronen, Milord. Timon. Fuenftausend Tropfen zahlen das. Wie viel ist eure--und eure? Varro. Milord!-- Philo. Milord!-- Timon. Hier nehmt mich, zerreisst mich, und die Goetter zerschmettern euch, und die so euch geschikt haben! (Er geht ab.) Hortensius. Bey meiner Treue, ich sehe, unsre Herren koennen ihre Kappen nach ihrem Gelde werfen; diese Schulden koennen wohl verzweifelt genennt werden, denn der sie bezahlen soll, ist wahnwizig. (Sie gehen ab.) (Timon und Flavius kommen zuruek.) Timon. Sie haben mich ganz ausser Athem gebracht, die Sclaven! Glaeubiger!-- Teufel! Flavius. Mein theurer Herr-- Timon. Wie, wenn ich es so machte? Flavius. Mein theurer Herr-- Timon. So soll es seyn!--Mein Verwalter! Flavius. Hier, Milord. Timon. Du bist schnell da--Geh, lade alle meine Freunde ein, Lucius, Lucullus, Sempronius, Alle! Ich will diesen Galgenschwengeln noch einmal zu schmausen geben. Flavius. Ach, mein guetiger Herr, ihr sprecht in der Zerstreuung euers Gemueths; es ist nicht einmal so viel uebrig, als zu einer maessigen Mahlzeit noethig ist. Timon. Bekuemmre dich nicht um das; geh' und lade sie alle ein, lass die Fluth von Schelmen noch einmal herein; mein Koch und ich wollen schon davor sorgen. Sechste Scene. (Verwandelt sich in das Rath-Haus.) (Die Senatoren und Alcibiades.) 1. Senator. Milord, ihr habt meine Stimme dazu, das Verbrechen ist blutig, er muss dafuer sterben; nichts muntert die Suenden mehr auf als Barmherzigkeit. 2. Senator. Sehr richtig; das Gesez muss sie zerschmettern. Alcibiades. Heil, Ehre und Mitleiden dem Senat! 1. Senator. Nun, Feldherr-- Alcibiades. Ich komme, Euern Herrlichkeiten eine demuethige Bitte vorzutragen. Mitleiden ist der echte Geist der Geseze, und nur Tyrannen machen einen grausamen Gebrauch davon. Zeit und Ungluek verfolgen einen von meinen Freunden, der in der Hize seines Blutes in das Gesez gefallen ist, welches fuer diejenige, die unvorsichtiger Weise hineinplaetschern, eine bodenlose Tieffe zu seyn pflegt. Er ist, dieses Vergehen bey Seite gesezt, ein Mann von Ehre und Tugend, und dieses kauft seinen Fehler los. Auch ist seine That mit keiner Niedertraechtigkeit beflekt; sondern mit einer edeln Wuth und einem ruhmwuerdigen Stolz sezt' er sich seinem Feind, der seiner Ehre eine toedtliche Wunde beygebracht hatte, entgegen; nachdem er lange genug seinen Zorn zuruek gehalten, und sich mit einem so gemaessigten Eifer vertheidigt hatte, als ob er nur einen academischen Saz behauptete. 1. Senator. Ihr uebernehmt etwas allzu anstoessiges, indem ihr euch so viele Muehe gebt, einer haesslichen That einen schoenen Anstrich zu geben; ihr habt nicht anders gesprochen, als ob ihr im Sinn haettet, den Menschen-Mord in Schwang zu bringen, und Schlaegereyen auf Rechnung der Dapferkeit zu sezen, die doch bloss von einer unaechten Dapferkeit ihren Ursprung haben, und in die Welt kamen, eh noch buergerliche Geseze den neugebohrnen Factionen und Zerruettungen Einhalt gethan hatten. Der ist wahrhaftig dapfer, der das aergste, was ein Mensch athmen kan, weislich ertraegt; und, anstatt Beleidigungen bis zu seinem Herzen dringen, und es in gefaehrliches Feuer sezen zu lassen, sie fuer Kletten ansieht, die nur an seinen Kleidern hangen bleiben -- Alcibiades. Milord-- 1. Senator. Ihr koennt schwarze Verbrechen nicht weiss waschen; Nicht Rache, sondern Geduld ist Tapferkeit. Alcibiades. So vergebet mir dann, gnaedige Herren, wenn ich wie ein Soldat spreche. Warum sind denn die Leute so albern und wagen ihr Leben in einem Treffen? Und warum erdulden sie nicht lieber alle Drohungen des Feindes, schlaffen ruhig dabey ein, und lassen sich von den Feinden, ohne Wiederstand, die Haelse abschneiden? Wenn im Erdulden eine so grosse Tapferkeit ist, was machen wir im Felde? So sind also unleugbar die Weiber, die zu Hause bleiben, tapfrer als wir; so ist der Esel dapfrer als der Loewe; ja ein Kerl der eine Last von Eisen auf dem Rueken traegt, ist weiser dann ein Rathsherr, wenn im Tragen Weisheit ligt. O, Milords, wie ihr gross seyd, so seyd auch guetig und mitleidig; wer kan nicht bey kaltem Blut das Vergehen eines heissen Bluts verdammen? Morden, ich gesteh es, ist das schwerste Verbrechen; aber zu seiner Vertheidigung--Bey allem was billig ist, dieses macht es gerecht. Sich seinem Zorn ueberlassen, ist Suende; aber wo ist der Mann, der nicht zornig werden kan? Waegt das Verbrechen nur nach diesem ab. 2. Senator. Du verschwendest deinen Athem umsonst. Alcibiades. Umsonst? Die Dienste, die er zu Byzanz und Lacedaemon geleistet, sollten allein vermoegend seyn, seine Begnadigung zu erbitten. 1. Senator. Was ist das? Alcibiades. Ich sage, Milords, er hat gute Dienste gethan, und in der Schlacht manchen von euern Feinden erschlagen. Wie dapfer hielt er sich nur in dem lezten Treffen, und was fuer ergiebige Wunden macht' er nicht! 2. Senator. Er ist ein vollkommen luederlicher Mensch; er hat noch eine andre boese Gewohnheit, die seine Dapferkeit oft in Wein ertraenkt; wenn gleich keine Feinde waeren, so waere das allein genug, ihn zu uebermannen. Man weiss, dass er in dergleichen viehischer Raserey die groesten Ausschweiffungen begangen, und Tumult angefangen hat. Es ist uns geklagt worden, seine Tage seyen unnueze, und seine im Trunk verbrausende Naechte gefaehrlich. 1. Senator. Er muss sterben. Alcibiades. Hartes Schiksal! Er haett' im Kriege sterben koennen. Milords, wenn euch seine eigne Verdienste nicht bewegen koennen, (obgleich sein rechter Arm seine Sache gut machen sollte, ohne jemand anderm etwas schuldig zu werden) so nehmt meine Verdienste zu den seinigen; und da ich weiss, dass euer ehrwuerdiges Alter Sicherheit liebt, will ich euch meine Siege, meine Ehrenzeichen zum Pfand seiner Besserung geben. Wenn er dieses Verbrechens halben sein Leben dem Gesez schuldig ist, so lasst ihn's im Krieg auf eine dapfre Art in Wunden ausstroemen; wenn das Gesez scharf ist, so ist es der Krieg nicht weniger. 1. Senator. Wir sind um des Gesezes willen da, er stirbt, treib es nicht weiter, bey den strengsten Folgen unsers Missvergnuegens; Freund oder Bruder, wer eines andern Blut vergiesst, macht sich seines eignen verlustig. Alcibiades. Muss es denn seyn? Es muss nicht seyn; Milords, ich bitte euch, misskennt mich nicht. 2. Senator. Wie? Alcibiades. Erinnert euch meiner! 3. Senator. Was?-- Alcibiades. Ich kan nicht anders als denken, euer Alter muss mich vergessen haben; es waere sonst unmoeglich, dass ich so veraechtlich in euern Augen seyn sollte, um eine so gemeine Gnade zu bitten, und abgewiesen zu werden. Meine Wunden schmerzen mich um euertwillen. 1. Senator. Trozt ihr unserm Zorn--er braucht wenig Worte, aber die Wuerkung reicht weit--Wir verbannen dich auf ewig. Alcibiades. Mich verbannen? Verbannt euern Aberwiz, verbannt den Wucher, die den Senat verachtenswuerdig machen! 1. Senator. Wenn nach zween Tagen Athen dich noch enthaelt, so erwart' unser strengeres Urtheil. Und damit dein unmaechtiger Stolz noch mehr aufschwelle, soll er diesen Augenblik hingerichtet werden. (Sie gehen ab.) Alcibiades. Die Goetter lassen euch alt genug werden, dass ihr nur noch in Knochen lebet, und euer Anblik alle Welt verscheuche! Ich bin mehr als unsinnig; ich habe ihre Feinde von ihnen entfernt gehalten, indessen dass sie ihr Geld gezaehlt, und auf Wucher ausgeliehen haben; Wunden sind mein ganzer Gewinn dabey--Und alles das fuer diss? Ist das der Balsam, den der filzichte Senat in eines Feldherrn Wunden giesst? Ha! Verbannung! Doch es kommt nicht ungelegen; ich bin es zufrieden, verbannt zu seyn; es ist mir eine gerechte Ursache, Athen meine Wuth empfinden zu lassen. Ich will meine missvergnuegten Truppen aufmuntern, und alles aufs Spiel sezen. Es ist Ehre einzulegen, wenn man es mit einer ueberlegnen Anzahl aufnimmt. Soldaten schluken so wenig eine Beleidigung ein, als die Goetter. (Er geht ab.) Siebende Scene. (Verwandelt sich in Timons Haus.) (Verschiedene Senatoren treten durch verschiedne Thueren auf.) 1. Senator. Guten Tag, mein Herr. 2. Senator. Ebenfalls; ich denke dieser wuerdige Edelmann sezte uns lezthin nur auf die Probe. 1. Senator. Ich dachte nur eben auch daran. Ich hoffe, es steht nicht so schlimm mit ihm, als er vorgab, wie er seine Freunde auf die Probe sezte. 2. Senator. Es sollte nicht seyn, wenn man von diesem neuen Banket schliessen darf. 1. Senator. Ich kan nicht anders denken; er hat mir eine ernstliche Einladung zugesandt, die ich wegen vieler nothwendiger Geschaefte gerne abgelehnt haette; allein, er hat mich so anhaltend bitten lassen, dass ich kommen musste. 2. Senator. Ich befand mich in gleichen Umstaenden, allein er wollte keine Entschuldigung gelten lassen. Es ist mir leid, dass ich nicht versehen war, wie er um Geld zu mir schikte. 1. Senator. Es verdriesst mich fuer meinen Theil nicht weniger, da ich nun merke, wie die Sachen stehen. 2. Senator. Es ist keiner hier, dem es nicht eben so ist, wie uns. Wie viel wollt' er von euch entlehnen? 1. Senator. Fuenfzig Talente. 2. Senator. Fuenfzig Talente? 1. Senator. Wie viel von euch? 2. Senator. Er schikte zu mir--Hier kommt er. (Timon tritt mit seinem Gefolg auf.) Timon. Von Herzen willkommen, meine Herren beyderseits--und wie steht es? 1. Senator. Aufs allerbeste, da wir gute Zeitungen von Eu. Gnaden hoeren. 2. Senator. Die Schwalbe folgt dem Sommer nicht williger, als wir Eu. Gnaden. Timon (bey Seite.) Und verlaesst den Winter nicht lieber; solche Sommer-Voegel sind die Menschen--Meine Herren, unsre Mahlzeit wird nicht werth seyn, dass wir so lange drauf warten; Tractirt indessen eure Ohren mit der Musik, wenn Trompeten-Schall nicht eine zu harte Speise fuer sie ist; wir werden uns gleich sezen koennen. 1. Senator. Ich hoffe Euer Gnaden werde keinen Unwillen gefasst haben, dass ich euch einen leeren Boten zuruekgeschikt habe. Timon. O mein Herr, lasst euch das nicht beunruhigen. 2. Senator. Mein edler Lord-- Timon. Ah, mein guter Freund, wie gehts? (Das Essen wird aufgetragen.) 2. Senator. Mein hochgeehrtester Herr, ich bin ganz krank vor Schaam, dass ich so ein unglueklicher Bettler war, als Euer Gnaden neulich zu mir schikte. Timon. Denkt nicht an das, mein Herr. 2. Senator. Haettet ihr nur zwo Stunden eher geschikt-- Timon. Lasst euch das nicht von angenehmern Erinnerungen abhalten--He, stellt alles zugleich auf! 2. Senator (zum Ersten.) Lauter bedekte Schuesseln? 1. Senator. Ein Koenigliches Tractament, ich steh' euch dafuer. 3. Senator. Daran ist kein Zweifel, was Geld und die Jahrszeit aufbringen koennen. 1. Senator. Wie befindet ihr euch? Was giebt's Neues? 2. Senator. Alcibiades ist aus der Stadt verwiesen worden. 1. Senator. Alcibiades verwiesen? 3. Senator. Es ist nichts gewissers. 1. Senator. Wie das? wie das? 2. Senator. Ich bitte euch, weswegen? Timon. Meine wuerdigen Freunde, wollt ihr nicht naeher kommen? 3. Senator. Ich will's euch sogleich sagen--Wir haben ein praechtiges Gastmahl vor uns. 2. Senator. Er ist noch immer der vorige Mann. 3. Senator. Wird es dauern? wird es dauern? 2. Senator. Es wird, wenn Zeit und Gluek will, und so-- 3. Senator. Ich versteh euch. Timon. Ein jeder nehme seinen Plaz, so begierig, als ob er an die Lippen seiner Liebsten wollte; ihr werdet an allen Plaezen gleich gehalten werden. Macht nicht eine Stadt-Gasterey daraus, und lasst das Essen kalt werden, eh man einig werden kan, wer zu oberst sizen soll. Sezt euch, sezt euch! Die Goetter fordern unsern Dank: "Ihr grossen Wohlthaeter, besprengt unsre Gesellschaft mit Dankbarkeit. Macht, dass ihr fuer eure Gaben gepriesen werdet; aber behaltet immer etwas, das ihr geben koennt, sonst moechten Eure Gottheiten in Verachtung gerathen. Leihet einem jeden genug, damit keiner noethig habe dem andern zu leihen; denn wenn Eure Gottheiten selbst dazu kaemen, dass sie von Menschen entlehnen muessten, so wuerden die Menschen Atheisten seyn. Macht die Mahlzeit beliebter, als den der sie giebt. Lasst keine Versammlung von fuenfzehn ohne eine Mandel Boesewichter seyn. Wenn zwoelf Weiber an einem Tisch sizen, so lasst ein Duzend von ihnen seyn--was sie sind--den Rest eurer Feinde, o ihr Goetter, die Senatoren von Athen, nebst der Grund-Suppe des uebrigen Volks, zaehlet, ihr Goetter, dem Verderben zu. Was diese meine Freunde betrift--So, wie sie fuer mich Nichts sind, so segnet sie auch mit Nichts, und zu Nichts sind sie mir willkommen." (Man dekt auf, und alle Schuesseln sind mit Hunden von verschiedner Gattung angefuellt.) Etliche von den Gaesten. Was meynen Se. Gnaden damit? Andre. Das weiss ich nicht. Timon. Dass ihr nie keine bessere Mahlzeit sehet, ihr Maul-Freunde; Dampf und laues Wasser ist euer vollkommnes Ebenbild. Das ist Timons Leze. Lebt lang, und von aller Welt verabscheut, ihr glatten, laechelnden, verwuenschten Schmarozer, ihr liebkosenden Zerstoerer, schmeichlerische Woelfe, zahme Baeren, ihr Glueks-Narren, Teller-Leker, und Fleisch-Fliegen, ihr Kopf- und Kniebeugenden Sclaven, dass alle ungezaehlten Krankheiten von Menschen und Vieh euch in diesem Augenblik ueberdeken! Wo gehst du hin! Sachte, nimm erst deine Arzney ein--du auch--und du -- (Er wirft die Teller nach ihnen, und jagt sie hinaus.) Halt, ich will dir Geld leihen, ich will keines borgen. Wie? Alle in Bewegung? Von nun an sey kein Gastmahl, wo ein Boesewicht nicht willkommen sey! Brenn' auf den Grund ab, Haus; sink', Athen; und Timon hasse von nun an den Menschen, und alles was menschlich ist! (Geht ab.) (Die Senatoren kommen zuruek.) 1. Senator. Wie gefaellt euch das, Milords? 2. Senator. Kennt ihr die Beschaffenheit von Lord Timons Wuth? 3. Senator. Zum Henker, habt ihr meine Mueze nicht gesehen? 4. Senator. Ich habe meinen Oberrok verlohren. 1. Senator. Lord Timon ist nichts bessers als ein Narr, er laesst sich lediglich durch die Laune regieren. Lezthin schenkt' er mir ein Kleinod, und nun hat er mir's von meiner Mueze abgeworfen. Seht ihr mein Kleinod nicht? 2. Senator. Habt ihr meine Mueze nicht gesehen? 3. Senator. Hier ist sie. 4. Senator. Hier ligt mein Rok. 1. Senator. Wir wollen uns nicht laenger aufhalten. 2. Senator. Lord Timon ist verruekt. 3. Senator. Das fuehl ich an meinen Beinen. 4. Senator. Den einen Tag giebt er uns Diamanten, und den andern Steine. (Sie gehen ab.) Vierter Aufzug. Erste Scene. (Ein Plaz ausser den Mauern von Athen.) (Timon tritt auf.) Timon. Lasst mich noch einmal nach euch zurueksehen, o ihr Mauern, die diese Woelfe umzingeln! Versink' in den Erdboden, Athen! ihr vermaehlten Frauen, werdet unkeusch! ihr Kinder empoert euch wider eure Eltern, und Sclaven und wahnwizige moegen den ehrwuerdigen grauen Senat von seinen Baenken reissen, und an ihrer Stelle den Staat regieren! Gieb dich der allgemeinen Unzucht Preiss, unreiffe Jungferschaft, thut es vor euerer Eltern Augen! haltet fest, ihr Bankerotierer; eh ihr den Rueken kehret, die Messer heraus, und schneidet euern Glaeubigern die Kehlen ab! Stehlt, ihr Sclaven; euere ehrsamen Herren sind nur Diebe mit laengern Haenden, und stehlen unter dem Schuz der Geseze. In deines Herrn Bette, Maedchen; deine Frau ist im Bordell. Sechszehnjaehriger Sohn, reiss deinem alten hinkenden Vater die Krueke aus der Hand, und schlag ihm damit das Hirn aus! Furcht und Mitleiden, Scheu vor den Goettern, Friede, Gerechtigkeit, Wahrheit, haeusliche Zucht, Nacht-Ruhe, Nachbarschaft, Unterricht, Sitten, Religions-Gebraeuche, Unterschied der Staende, Herkommen, Gewohnheiten und Geseze, artet in euer zerruettendes Gegentheil aus, und nichts als die Zerruettung bestehe!--Ihr Plagen alle, deren der Mensch faehig ist, haeuffet eure gaehrenden anstekenden Fieber ueber Athen zusammen; es ist reif zum Untergang! Du kalte Gicht, mach' unsre Rathsherren zu Krueppeln, damit ihre Glieder so lahm seyn moegen als ihre Auffuehrung! Zaumlose Ueppigkeit und wilde Frechheit kriech in die Herzen und in das Mark unsrer Jugend, dass sie dem Strom der Tugend entgegen arbeiten, und sich selbst in Ruchlosigkeit ertraenken! Kraeze und Eyterbeulen ueberdeken jeden Atheniensischen Busen, und ihr Kropf sey lauter Aussaz; ein Athem steke den andern an, damit ihre Gesellschaft (wie ihre Freundschaft) durch und durch vergiftet sey. Nichts will ich aus dir hinaustragen als Naktheit, du abscheuliche Stadt! Nimm noch, mit vervielfachten Fluechen, diese Versicherung: Timon will in den Wald, wo er die wildesten Thiere milder als den Menschen finden wird. Die Goetter verderben (o hoert mich, ihr guten Goetter alle!) die Athenienser inner- und ausserhalb ihrer Mauern, und verleihen, dass mit jedem Tage seines Lebens Timons Hass gegen das ganze Geschlecht der Menschen wachse! (Geht ab.) Zweyte Scene. (Verwandelt sich in Timons Haus.) (Flavius mit zween oder dreyen Bedienten.) 1. Bedienter. Hoert ihr, guter Herr Verwalter, wo ist unser Herr? Sind wir verdorben, ist alles aus, ist nichts uebrig? Flavius. Ach, meine lieben Cameraden, was soll ich euch sagen? So wahr als ich wuensche, dass die wohlthaetigen Goetter sich meiner erinnern, ich bin so arm als ihr. 1. Bedienter. Dass ein solches Haus gebrochen, ein so edler Herr gefallen seyn soll! Alles hin! und nicht ein einziger Freund, der ihm in seinem Ungluek unter die Arme greiffe? 2. Bedienter. Wie wir uns von einem Bekannten wegwenden, der in sein Grab gesenkt worden, so schleichen seine Freunde von seinem begrabnen Glueksstand alle hinweg, hinterlassen ihm ihre treulosen Schwuere und Versprechungen; und er selbst, ein dem freyen Himmel preissgegebner Bettler, mit einem Uebel das alle Welt von ihm scheucht, mit Duerftigkeit behaftet, geht, bleibt, gleich der Verachtung, allein.-- Noch mehr von unsern Cameraden. (Es treten noch einige Bediente auf.) Flavius. Lauter zerbrochnes Geraethe eines zerstoerten Hauses! 3. Bedienter. Doch tragen unsre Herzen noch Timons Liverey, das seh' ich in euer aller Gesicht. Wir sind noch alle Cameraden, die, da sie ihrem Herrn sonst nichts mehr dienen koennen, ihre Treu durch ihren Kummer zeigen. Unsre Barke ist lek, und wir armen Tropfen stehen auf dem sinkenden Verdek, und hoeren die Wellen draeuen; wir muessen alle in dem Meer der weiten Luft, jeder so gut er kan, seine Rettung suchen. Flavius. Meine guten Cameraden, ich will das aeusserste meines Vermoegens mit euch theilen. Wo wir uns jemals wieder antreffen, wollen wir, um Timons willen, immer gute Freunde seyn, unsre Koepfe schuetteln, und sagen: Wir haben bessere Tage gesehen. Jeder nehme seinen Antheil; nein, streket alle eure Haende aus--Kein Wort mehr -- (Er giebt ihnen Geld, sie umarmen einander und scheiden, der eine diesen, der andre einen andern Weg.) Wer wollte sich Reichthum wuenschen, wenn Reichthum in Elend und Verachtung aufhoert? Wer wollte (nach diesem Beyspiel,) sich durch einen Traum von schimmerndem Gluek und Freundschaft taeuschen lassen? Durch ein Gepraenge von Herrlichkeit und Wohlleben, aber alles nur gemahlt, wie diese gefirnissten Freunde! Mein armer redlicher Herr! durch sein eignes gutes Herz so weit herunter gebracht! Durch Guete zu Grunde gerichtet! Wie seltsam, dass zuviel Guete eines Menschen groeste Suende seyn soll! Unbegraenzte Guete macht Goetter, und verderbt Menschen--Mein theurester Herr, einst so glueklich um desto elender, so reich um desto duerftiger zu seyn; dein grosser Wohlstand ist die Gelegenheit zu deinen groesten Widerwaertigkeiten worden! Ach! der guetige Herr! Er ist in Wuth aus dem undankbaren Siz unnatuerlicher Freunde geflohen, und hat nichts mit sich genommen, was sein Leben unterhalten, oder diesen Unterhalt verschaffen kan. Ich will ihm folgen und ihn aufsuchen; ich will ihm um seines Herzens willen immer mit bestem Willen dienen, und, so lang ich Gold habe, immer sein Verwalter bleiben. (Er geht ab.) Dritte Scene. (Der Wald.) (Timon tritt auf.) Timon. O Sonne, Quelle der segensvollesten Einfluesse, ziehe faule Duenste aus der Erde, und vergifte die Luft unter deiner Schwester Kreis-- Zwillings-Brueder, zugleich gezeugt, von einer Mutter gebohren und gesaeugt, sind im Glueke getheilt. Der Groessere verschmaeht den Kleinern. Die menschliche Natur selbst, sie, die von so unzaehlbaren Uebeln belagert wird, kan zu keinem grossen Glueke kommen, ohne sich ihrer selbst zu schaemen. Erhebt mir diesen Bettler und zieht mir diesen Lord aus, so wird der Lord so verachtet seyn, als ob er zum Bettler gebohren worden waere, und der Bettler geehrt werden, als ob er kein gebohrner Bettler waere. Es ist die Weide, die des Widders Seiten spikt, und der Mangel, der ihn mager macht. Wo ist der, dem die Aufrichtigkeit seiner eignen unverfaelschten Seele den Muth giebt aufzustehen, und zu sagen: Dieser Mann ist ein Schmeichler? Wenn einer es ist, sind es alle; denn jede Stuffe des Glueks findt ihre Schmeichler eine Stuffe niedriger; der gelehrte Kopf buekt sich vor dem goldnen Narren; alles ist krumm, es ist nichts gerades in unsrer verfluchten Natur, als unverbesserliche Bueberey. So sey dann alle Gesellschaft und alle Gemeinschaft mit Menschen von mir verabscheut! Alle von seiner Gattung, ja sich selbst hasset Timon. Verderben ueber das ganze Menschen-Geschlecht!--Erde, gieb mir Wurzeln. (Er graebt die Erde auf.) Wer etwas bessers von dir begehrt, dem wuerze den Rachen mit deinem wuerksamsten Gifte!--Was ist hier! Gold! gelbes, blinkendes, feines Gold? Nein, ihr Goetter, das verlangt' ich nicht von euch; Wurzeln, guetiger Himmel! Nur so viel von diesem hier ist genug, weiss, schwarz; schoen, haesslich; unrecht, recht; niedertraechtig, edel; ein altes Gesicht, jung; und eine feige Memme, tapfer zu machen. Ihr Goetter, wozu das? warum das? Ihr Goetter! wie, das kan eure Priester von eurer Seite loken, und Leute mit frischem Herzen ins Grab befoerdern; dieser gelbe Sclave kan geheiligte Buendnisse zusammenkuetten und aufloesen; dem Verfluchten Segnungen, und dem grindigen Aussaz Anbetung zuziehen; Diebe zu Ehrenstellen erheben und ihnen neben den Senatoren, Titel, Kniebeugungen und Beyfall geben: Diss ist's, was die bekuemmerte Wittwe wieder freyen macht, und was einer von Geschwueren und Krebsschaeden zerfressenen Candidatin des Siechenhauses, durch seine balsamische Kraft die frische Anmuth der Jugendbluethe wieder giebt. Komm, du verdammte Erde, du gemeine Meze des menschlichen Geschlechts, die so viel Lermens unter der Rotte der Nationen macht-- (Man hoert von fern einen Marsch.) Ha, eine Trummel--Du bist sehr lebendig, aber ich will dich doch begraben; wenn deine podagrische Besizer nicht mehr stehen, kanst du noch davon lauffen--Doch nein, bleib noch ein wenig da, ich will dich fuer Handgeld gebrauchen. (Er stekt eine Anzahl Goldstueke zu sich.) Vierte Scene. (Alcibiades zieht auf eine kriegrische Weise mit Trummel und Pfeiffen auf; und Phrynia und Timandra.) Alcibiades. Wer bist du hier? Sprich! Timon. Eine Bestie, wie du bist. Dass der Krebs dein Herz dafuer durchfresse, dass du mir wieder ein menschliches Gesicht zu sehen giebst! Alcibiades. Wie ist dein Name? Ist der Mensch dir so verhasst, und du bist selbst ein Mensch? Timon. Ich bin Misanthropos, und hasse das menschliche Geschlecht. Was dich betrift, so wuenscht' ich, du waer'st ein Hund, damit ich dich ein wenig lieben koennte. Alcibiades. Ich kenne dich wol; aber was fuer Unfaelle dir zugestossen seyn muessen, davon weiss ich nichts. Timon. Ich kenne dich auch, und verlange nicht mehr von dir zu wissen, als ich weiss; zieh deiner Trummel nach, faerbe den Boden mit Menschen- Blut; roth, roth;--Religions-Gebraeuche, buergerliche Geseze sind grausam, was soll dann der Krieg seyn? Diese faule Meze hier hat mit allen ihren Cherubin-Bliken mehr Zerstoerung in sich als dein Schwerdt. Phrynia. Dass dir die Lippen verfaulen! Timon. Das koennte nur begegnen wenn ich dich kuesste, und das will ich nicht. Alcibiades. Wie kam der edle Timon zu diesem Wechsel? Timon. Wie der Mond, weil er kein Licht mehr zu geben hatte; aber ich konnte mich nicht wieder erneuern wie der Mond, denn es waren keine Sonnen da, von denen ich haette borgen koennen. Alcibiades. Edler Timon, was fuer Freundschaft kan ich dir erweisen? Timon. Keine, als mich in meiner Meynung zu bestaerken. Alcibiades. Was ist diese, Timon? Timon. Mir Freundschaft zu versprechen, und keine zu halten. Wenn du mir keine versprechen willst, so verderben dich die Goetter! denn du bist ein Mensch; und wenn du sie haeltst, so sollen sie dich gleichfalls verderben, denn du bist ein Mensch. Alcibiades. Es sind mir einige verworrne Nachrichten von deinen Unglueksfaellen zu Ohren gekommen. Timon. Du sahst sie, wie ich im Wohlstand sass. Alcibiades. Ich seh sie izt, damals war eine gluekliche Zeit. Timon. Wie die deinige izt ist, zwischen einem Paar Mezen. Timandra. Ist das der allgemeine Liebling von Athen, von dem die Welt so viel ruehmliches sagte? Timon. Bist du Timandra? Timandra. Ja. Timon. Bleib immer eine Hure; die lieben dich nicht, die dich gebrauchen; haeng ihnen Krankheiten an, wenn sie ihre Lust mit dir gebuesst haben; mach einen guten Gebrauch von deinen bittern Stunden, bringe die Sclaven zu Schwiz-Kaesten und Baedern, bring die rosenwangichte Jugend zur Hunger-Cur*, und zur Diaet. {ed.-* (Tub-Fast), (Tonne-Fasten) im Englischen. Der Autor zielt auf die Venerische Seuche und ihre Wuerkungen. Die Cur derselben wurde in damaligen Zeiten entweder durch (Guaiacum), oder Mercurialische Salben gemacht; und in beyden Faellen wurde der Patient sehr warm und eingesperrt gehalten; das erste, damit der Schweiss befoerdert werde; und das andre, damit er sich nicht wieder erkaelte, welches gefaehrlich war. Das Regimen beym Gebrauch des (Guaiacum), oder (Lignum Sanctum) (sagt Dr. Friend in seiner Geschichte der Arzney- Kunst, 2. Theil, S. 380.) war anfangs mit ausserordentlichen Umstaenden begleitet, und so strenge, dass der Patient in ein enges dunkles Loch gesperrt wurde, damit er desto besser schwizen moechte; und durch diese Veranstaltung wurde, wie sich Fallopius ausdrukt, der ganze Mensch bis auf die Knochen selbst durchgebeizt. Wisemann sagt, in England habe man sich zu diesem Zwek, anstatt der anderwaerts ueblichen Keller, Bak-Ofen, u. d. gl. einer Tonne bedient. Was die Unction betrift, so wurde sie zuweilen sieben und dreyssig Tage fortgesezt, wie er S. 375. bemerkt, und waehrend dieser ganzen Zeit war eine ausserordentliche Abstinenz nothwendig. Daher dann das Wort (Tub-Fast.) Warbuerton. ** Ein Provinzial-Wort fuer das Englische (Slut), fuer welches dem Uebersezer kein hochdeutsches Wort bekannt ist.} Timandra. An den Galgen, du Ungeheuer. Alcibiades. Vergieb, meine liebe Timandra, seine Wiederwaertigkeiten haben seinen Verstand ueberwaeltiget. Ich habe nur wenig Geld uebrig, wakrer Timon, und der Mangel daran verursacht taeglichen Aufruhr unter meiner abgemergelten Kriegs-Schaar. Ich hoerte mit Bekuemmerniss, wie das verfluchte Athen, deiner Verdienste uneingedenk, und undankbarlich der Zeit vergessend, da sie ohne dein Schwerdt und deine Reichthuemer, von ihren Nachbarn mit Fuessen zertreten worden waeren -- Timon. Ich bitte dich, lass deine Trummel ruehren, und geh' deines Wegs. Alcibiades. Ich bin dein Freund, und habe Mitleiden mit dir, mein liebster Timon. Timon. Wie kanst du Mitleiden mit dem haben, den du beunruhigest; ich wollte lieber allein seyn. Alcibiades. Nun, so fahr wohl; hier hast du Gold. Timon. Behalt es, ich kan es nicht essen. Alcibiades. Wenn ich das stolze Athen in einen Steinhauffen umgekehrt habe -- Timon. Ziehst du gegen Athen? Alcibiades. Ja, Timon, und aus einer gerechten Ursache. Timon. Die Goetter verderben sie alle durch deine Hand, und wenn du sie vernichtet hast, dich auch! Alcibiades. Warum mich, Timon? Timon. Weil du gebohren wardst, durch Ermordung von Boesewichtern mein Vaterland zu Grunde zu richten. Liess dein Gold wieder auf. Geh weiter, hier ist noch mehr Gold, geh; sey wie eine Planetarische Seuche, wenn Jupiter ueber irgendeine lastervolle Stadt sein Gift in die sieche Luft aushaengt; lass dein Schwerdt nicht einen einzigen ueberspringen; schone dem ehrwuerdigen Greis nicht um seines weissen Barts willen, er ist ein Wucherer; schlage die Ehefrau nieder, ihr Kleid allein ist ehrlich, sie ist eine Kupplerin. Lass nicht die jungfraeuliche Wange dein schneidendes Schwerdt stumpf machen; schone dieses milchweissen Busens nicht, der unter dem glaesernen Flor zu den Augen der Maenner emporschwillt, er ist ein schaendlicher Verraether. Schone nicht des Saeuglings, dessen kindisches Laecheln Narren zur Erbarmung zwingt; denk es ist ein Bastard, von dem ein dunkles Orakel vorhergesagt hat, dass er dir die Kehle abschneiden soll, und zerhak' ihn ohne Bedenklichkeit. Verschwoere dich wider jeden Gegenstand, der dein Herz erweichen koennte; leg' eine Ruestung um deine Ohren und deine Augen, deren Staehlung weder das Heulen der Muetter, das Geschrey der Jungfrauen, und das Wimmern der Kinder; noch der Anblik von Priestern, deren Blut ueber ihre heiligen Kleider herab stroemt, nur um eine Nadelspize durchdringen moege. Hier ist Gold, deine Soldaten zu bezahlen. Verbreite Verderben um dich her, geh', und wenn du deine Wuth ausgelassen hast, so verdirb selbst! Antworte nicht, geh! Alcibiades. Hast du noch Gold? Ich nehme das Gold an, das du mir giebst, und lasse dir deinen Rath. Timon. Du folgest ihm oder nicht, so falle der Fluch des Himmels auf dich! Timandra, Phrynia. Gieb uns auch etwas Gold, guter Timon; hast du noch mehr? Timon. Genug, um zu machen dass eine Hure ihr Handwerk verschwoere und eine-- Kupplerin werde. Hebt auf, ihr Schluetten**, die Schuerze auf! Ihr seyd nicht eydfaehig, ob ich gleich weiss, dass ihr schwoeren wuerdet; schwoeren, dass die unsterblichen Goetter die euch hoeren, vor Entsezen schaudern muessten. Spart eure Schwuere, ich will euerm blossen Versprechen glauben. Bleibt immer Huren, und dem, dessen frommer Zuspruch euch bekehren will, dem macht es dreymal aerger als den uebrigen; koedert ihn an, brennt ihn bis auf die Knochen; lasst nicht eher von ihm ab, biss euer Feuer ueber seinem Rauch Meister wird; doch sollt ihr dafuer alle Jahre sechs Monate eine ganz entgegengesezte Muehe haben. Sezt euch falsche Haare an, und dekt eure arme duenne Schaedel mit Aufsaezen von Todten (wenn schon einige davon gehangen sind, das hindert nichts); tragt sie, betruegt damit, und h** immer auf ihren Credit hin; schminkt euch, bis ein Pferd in euerm Gesicht steken bleiben moechte; der Henker hole die Runzeln! Beyde. Gut, gut, nur mehr Gold; glaubt uns, um Gold thun wir was ihr nur wollt. Timon. Saeet Auszehrung in ihre marklosen Knochen, laehmet ihre duennen Beine, und daempfet den maennlichen Trieb. Brecht die Stimme des Advocaten, dass er untuechtig werde schlimme Sachen zu fuehren, und Rabulisten- Streiche durch sein Geschrey gut zu machen; stekt den Priester an, der wider die Triebe des Fleisches eifert und sich selbst nicht glaubt; herab mit der Nase, platt ab, nehmt ihm den Nasenknoerpel ohne Verschonen, der, seinen Privat-Nuzen ausser Gefahr zu sezen, das gemeine Beste aufopfert. Macht krauskoepfichte Spizbuben kahl, und lasst auch die jungen Eisenfresser nicht leer ausgehen, die mit ihren grossen Thaten pralen, und nur nicht eine Narbe davon aufzuweisen haben. Verpestet alle Welt, und ruhet nicht, bis ihr die Quelle der Vermehrung selbst gaenzlich verstopft und ausgetroknet habt.--Hier ist mehr Gold fuer euch, bringt alle andre ins Verderben, dann verfaulet selbst und Misthauffen moegen euer aller Grab seyn. Beyde. Mehr Rath und mehr Geld, guter Timon. Timon. Ihr muesstet es erst besser verdienen; ihr habt nun euer Handgeld. Alcibiades. Ruehrt die Trummel, und gegen Athen zu. Lebe wohl, Timon, wenn es mir gelungen seyn wird, will ich dich wieder besuchen. Timon. Wenn mich die Hoffnung nicht betruegt, werd ich dich nicht mehr sehen. Alcibiades. Ich that dir nie was zu leide. Timon. Ja, du redtest Gutes von mir. Alcibiades. Nennst du das beleidigen? Timon. Die Menschen erfahren es alle Tage. Geh deines Weges, pake dich, und nimm deine Dachshunde mit. Alcibiades. Wir sind ihm nur beschwerlich; ruehrt die Trummel! (Alcibiades, Timandra und Phrynia gehen ab.) Fuenfte Scene. Timon. Dass die Natur noch zu eben der Zeit hungern soll, da der Unmuth ueber des Menschen Unbarmherzigkeit sie des Lebens ueberdruessig macht!-- Allgemeine Mutter, du deren unermessliche Schoos und unbegrenzte Brust alles gebiehrt und saeuget; o du, deren nemliche Zeugungs-Hize, woraus der stolze Mensch aufdunset, die schwarze Kroete zeugt, und die blaue Schlange, die goldflekichte Eidechs und den blinden vergifteten Wurm mit allem andern verabscheuten Ungeziefer, das Hyperions Feuer belebt: Gieb dem der alle deine menschlichen Soehne hasset, gieb ihm aus deinem unerschoepflichen Busen eine einzige arme Wurzel. Verstopfe deine fruchtbare gern empfangende Schooss; lass sie nichts mehr fuer den undankbaren Menschen hervorbringen. Geh nur mit Tygern, Drachen, Woelfen und Baeren schwanger; schwill von neuen Ungeheuern auf, die dein emporgerichtetes Antliz dem umwoelbenden Himmel nie gezeigt hat!--O! eine Wurzel--habet Dank, ihr Goetter!--trokne deine lokern Adern auf, und deine vom Pflug zerrissne Schollen, aus denen der undankbare Mensch diese geistigen Saefte und diese niedlichen Bissen zieht, die sein reines Gemueth mit einem Fett umgeben, woran alle Betrachtung abglitscht. Sechste Scene. Timon (zu Apemanthus.) Wieder ein Mensch? Pest! Pest! Apemanthus. Ich bin hieher gewiesen worden. Die Leute sagen, du massest dich an, meine Lebensart nachzuahmen. Timon. So muss es desswegen seyn, weil du keinen Hund haeltst, den ich nachahmen koennte. Dass du die Schwindsucht kriegtest! Apemanthus. Es ist an dir nur etwas erzwungnes, eine arme unmaennliche Melancholey, die bloss aus dem Wechsel deines Glueks entsprungen ist. Wozu dieses Grabscheit? Warum in diesem Walde? Warum dieser sclavenmaessige Aufzug? Und diese kummervolle Blike? Deine Schmeichler tragen indessen Seide, trinken Wein, ligen weich, schwimmen in lieblichen Geruechen, und haben vergessen, dass jemals ein Timon war. Entehre diese Kleidung nicht, die dir das Ansehen und die Vorrechte eines Censors geben soll. Sey du izt ein Schmeichler, versuch' es, dich nun durch eben dieses fortzubringen, was dich zu Grunde gerichtet hat; beuge deine Knie, und lass den blossen Athem dessen, dem du aufwartest, deine Mueze vom Kopf herabwehen; erhebe seine lasterhaftesten Ausschweiffungen, und nenne sie vortreflich. So redte man mit dir; und du gabst deine Ohren dazu her, den Bierwirthen aehnlich, die Schelmen und alles was zu ihnen kommt willkommen heissen. Es ist hoechst billig, dass du ein Spizbube werdest; haettest du noch Vermoegen, so wuerden Spizbuben es haben. Affectire keine Gleichheit mit mir, sag ich dir! Timon. Wenn ich dir gleich waere, ich wollte mich selbst wegwerfen. Apemanthus. Du hast dich selbst weggeworffen, da du dir selbst gleich warst; so lang' ein Unsinniger, izt ein Narr! Wie? denkst du, die kalte Luft, dein ungestuemer Kammerherr, werde dir ein warmes Hemde reichen? Meynst du, diese bemoossten Baeume, die den Adler ueberlebt haben, werden wie Pagen hinter dir hertreten, und dir auf einen Wink zulauffen? Wird der kalte, mit Eis candirte Bach dir ein Cordial zum Fruehstuek geben, um die Unverdaulichkeit der gestrigen Nachtmahlzeit zu verbessern? Ruffe den nakten Geschoepfen, die der rauhen Witterung, und den kaempfenden Elementen ihre unverwahrten Ruempfe entgegen bieten; befiehl ihnen, dir zu schmeicheln; o, du wirst finden -- Timon. Dass du ein Narr bist; zieh' ab. Apemanthus. Du bist mir izt lieber als jemals. Timon. Und du mir desto verhasster. Apemanthus. Warum? Timon. Du schmeichelst der Duerftigkeit. Apemanthus. Ich schmeichle nicht; ich sage nur, dass du ein elender Tropf bist. Timon. Warum suchst du mich auf? Apemanthus. Um dich zu scheeren. Timon. Das ist immer die Verrichtung eines Boesewichts, oder eines Narren. Daeucht sie dir kurzweilig? Apemanthus. Ja. Timon. Was fuer ein Schurke du bist! Apemanthus. Wenn du diesen schwermuethigen kalten Habit angezogen haettest, deinen Stolz zu zuechtigen, so haettest du wol daran gethan; aber du thust es aus Noth; du wuerdest ein Stuzer seyn, wenn du nicht ein Bettler waerest. Freywillige Armuth ueberlebt ungewisses Wohlleben; dieses wird immer gefuellt und doch nie voll, jene erreicht ihren hoechsten Wunsch auf einmal; der glueklichste Stand ist missvergnuegt, der elendeste zufrieden. (Du) solltest zu sterben wuenschen, weil du in einem so armseligen Zustand bist. Timon. Nicht weil mir's einer sagt, der noch armseliger ist. Du bist ein Sclave, den das Gluek nie mit zaertlichen Armen an ihre Brust druekte; sondern zu einem Hund gebohren. Waerest du wie wir, von der ersten Stuffe des Lebens an, durch alle die angenehmen Grade von Gluekseligkeit fortgeschritten, die diese kurze Welt denjenigen gewaehrt, die sich nur besinnen duerfen, was sie von allen ihren Waaren haben wollen: Du haettest dich in dem diksten Schlamm der Luederlichkeit herumgewaelzt, deine Jugend in den schaendlichsten Ausschweiffungen verschwendet, und nimmermehr die kalten Vorschriften der Maessigung und des Wohlstands beobachten gelernt, sondern wuerdest dem verzuekerten Spiel vor dir her blindlings nachgeloffen seyn. Aber dass ich, fuer dessen Vergnuegen die ganze Welt arbeitete, der die Zungen, die Augen, die Herzen der Menschen zu seinem Gebot hatte, mehr als ich ihnen Verrichtungen erdenken konnte, an dem unzaehliche hiengen, wie die Blaetter an einer Eiche; die aber alle, von einem einzigen Winter-Anstoss, von ihren Zweigen abgefallen sind, und mich entbloesst und unbedekt jedem Sturm ausgesezt gelassen haben: Dass ich, der nie etwas anders als bessers gekannt hat, diss ertragen soll, ist etwas schwer. Dein Wesen fieng mit Elend an, und die Zeit hat dich dazu abgehaertet. Warum solltest du die Menschen hassen? Sie haben dir nie geschmeichelt. Was hast du ihnen geben koennen? Wenn du fluchen willt, so muss dein Vater, der arme Lumpenhund, der Gegenstand seyn, der, in einem Anstoss von Brunst, irgend eine Bettlerin ueberfallen, und dich armseligen Erb- Lumpenhund zusammgeflikt hat--Hinweg, pake dich!--Waerest du nicht zum untersten unter allen Menschen gebohren, so wuerdest du ein Spizbube und Schmeichler gewesen seyn. Apemanthus. Bist du noch stolz? Timon. Ja, dass ich nicht du bin. Apemanthus. Und ich, dass ich kein Verschwender gewesen bin. Timon. Und ich, dass ich izt noch einer bin. Waer' aller Reichthum, den ich hatte, in dir aufgeschuettet, so wollt' ich dir Erlaubniss geben, ihn aufzuhaengen. Geh deines Weges--O! dass das Leben von ganz Athen in dieser Wurzel waere! So wollt' ich es essen. (Er isst eine Wurzel.) Apemanthus. Hier, ich will deine Mahlzeit verbessern. Timon. Verbessre erst meine Gesellschaft, und pake dich fort! Apemanthus. Was haettest du gern zu Athen-- Timon. Dich, in einem Wirbelwind; wenn du willt, so sag ihnen, ich habe Gold; siehst du, dass ich habe. Apemanthus. Hier hat es keinen Nuzen. Timon. Den besten und sichersten; denn hier schlaeft es, und thut keinen gedungnen Schaden. Apemanthus. Wo ligst du des Nachts, Timon? Timon. Unter dem was ueber mir ist. Wo futterst du des Tags, Apemanthus? Apemanthus. Wo mein Magen Speise findet, oder vielmehr wo ich sie esse. Timon. Ich wollte, das Gift muesste mir gehorchen, und wuesste meine Gedanken. Apemanthus. Wo wolltest du es hinschiken? Timon. Deine Schuesseln zu wuerzen. Apemanthus. Das Mittel der Menschlichkeit hast du nie gekannt, sondern nur das aeusserste von beyden Enden. Wie du in deinen vergoldeten Zimmern, und von ausgesuchten Specereyen umduftet warst, da trieben sie ihr Gespoette ueber deine ausschweiffende Zaertlichkeit des Geschmaks; izt da du in Lumpen bist, hast du gar keine, sondern wirst des Gegentheils halben verabscheut. Hier ist eine Mespel fuer dich, iss sie. Timon. Ich esse von nichts, was ich nicht leiden kan. Apemanthus. Kanst du die Mespeln nicht leiden? Timon. Nein, ob sie schon dir gleich sehen. Apemanthus. Haettest du sie frueher nicht leiden koennen, so wuerdest du izt besser mit dir selbst zufrieden seyn. Hast du jemals einen Verschwender gekannt, den man noch geliebt hat, nachdem er um seine Mittel gekommen ist? Timon. Wen hast du jemals ohne diese Mittel, wovon du redst, beliebt gesehen? Apemanthus. Mich selbst. Timon. Ich verstehe dich, du hast einige Mittel, einen Hund zu halten. Apemanthus. Was fuer Dinge in der Welt findst du deinen Schmeichlern am aehnlichsten? Timon. Weiber--Was wolltest du mit der Welt thun, Apemanthus, wenn sie in deiner Gewalt waere? Apemanthus. Sie den wilden Thieren vorwerfen, damit ich der Menschen los wuerde. Timon. Wolltest du selbst auch das Schiksal der Menschen haben, oder unter den wilden Thieren ein wildes Thier werden? Apemanthus. Das lezte, Timon. Timon. Ein bestialischer Wunsch, den die Goetter dir gewaehren moegen! Wenn du ein Loewe waerst, so wuerde dich der Fuchs betruegen; waerst du ein Lamm, so wuerde der Fuchs dich fressen; waerst du der Fuchs, so wuerdest du dem Loewen verdaechtig werden, wenn dich zufallsweis ein Esel anklagte; waerst du der Esel, so wuerde dich deine Dummheit plagen, und du lebtest immer als ein Fruehstuek fuer den Wolf. Waerst du der Wolf, so wuerde dir deine Gefressigkeit zur Quaal werden, und du wuerdest oft dein Leben fuer dein Mittagessen wagen. Waerst du das Einhorn, so wuerde dich Stolz und Grimm verderben, und in Ermanglung eines andern wuerdest du die Beute deiner eignen Wuth werden. Waerst du ein Baer, so wuerde dich das Ross toedten; waerst du ein Ross, so wuerde dich der Leopard ergreiffen; waerst du ein Leopard, so waerst du des Loewen Vetter, und deine Fleken wuerden deine eigne Verwandten gegen dein Leben aufhezen. Alle deine Sicherheit waer' in Entfernung, und dein Schuz in der Abwesenheit eines Feindes. Was fuer ein Thier koenntest du seyn, das nicht einem Thier unterworffen waere? Und was fuer ein Stuek Vieh bist du izt schon, dass du nicht siehst, wie viel du bey der Verwandlung verliehren wuerdest? Apemanthus. Wenn du mir durch irgend ein Gespraech gefallen koenntest, so haettest du es izt getroffen. Das gemeine Wesen von Athen ist ein Wald von Thieren worden. Timon. Wie ist dann der Esel durch die Mauern gebrochen, dass du ausser der Stadt bist? Apemanthus. Dort kommt ein Poet und ein Mahler; die Pest der menschlichen Gesellschaft falle auf dich! Ich besorge, dass sie mich ansteken moechte, und will mich mit der Flucht retten. Wenn ich sonst nichts zu thun weiss, will ich dich wieder sehen. Timon. Wenn sonst nichts lebendiges mehr ist als du, sollt du mir willkommen seyn. Apemanthus. Du bist das Oberhaupt von allen iztlebenden Narren. Timon. Ich wollte, du waerest sauber genug, dass ich auf dich speyen koennte. Dass du die Kraenke haettest! Apemanthus. Du bist ein zu schlechter Kerl, als dass du jemandem fluchen koenntest. Timon. Alle Galgenschwengel werden rein, wenn sie neben dir stehen. Apemanthus. Es ist sonst kein Aussaz, als was du redst. Timon. Wenn ich dich nenne--Pruegeln will ich dich; doch, ich wuerde nur meine Haende kraezicht machen. Apemanthus. Ich wollte, meine Zunge koennte machen, dass sie abfaulten. Timon. Weg, du Gezuecht eines raeudigen Hunds. Ich sterbe vor Zorn, dass du in der Welt bist; ich fall' in Unmacht, wenn ich dich ansehe. Apemanthus. Dass du bersten moechtest? Timon. Hinweg, du verabscheuter Raker; ich fuerchte, du treibst mir einen H*d*n ab. Apemanthus. Vieh! Timon. Sclave! Apemanthus. Kroete! Timon. Lumpenhund, Lumpenhund, etc. (Apemanthus zieht sich zuruek, als ob er gehe.) Ich bin dieser falschen Welt ueberdruessig, und will nichts in ihr lieben, als ihre blossen Nothwendigkeiten. So zoegre dann nicht, Timon, dir dein Grab zu machen, dort, wo der leichte Meerschaum deinen Grabstein taeglich schlagen soll; mache deine Grabschrift, dass der Tod in mir ueber andrer Leben lache. (Er sieht auf das Gold, das zu seinen Fuessen ligt.) O du angenehmer Koenigs-Moerder! du werthe Scheidung zwischen dem leiblichen Sohn und seinem Vater! du schimmernder Besudler von Hymens keuschestem Bette! du dapfrer Mars! du immer junger, frischer, beliebter, und reizender Buhler, dessen Roethe den geheiligten Schnee, der auf Dianens Schooss ligt, zerschmelzt! Du sichtbarer Gott, der Unmoeglichkeiten zusammenfuegt, und einander kuessen macht! der jede Sprache zu jeder Absicht reden kan! O du Probstein der Herzen; denke, dein Sclave, der Mensch, empoere sich wider dich, und seze sie durch deine Macht in eine so zerruettende Zwietracht, bis die Herrschaft ueber die Welt den Thieren bleibt. Apemanthus. Ich wollt' es waere so, aber nicht eher, als bis ich todt bin! Ich will sagen, du habest Gold; was fuer einen Zulauff, du augenbliklich bekommen wirst! Timon. Einen Zulauf? Apemanthus. Ja. Timon. Deinen Rueken, ich bitte dich. Apemanthus. Leb' und liebe dein Elend! Timon. Leb lange so und stirb so! Ich bin quitt. Apemanthus. Schau, mehr Dinge die wie Menschen aussehen--iss, Timon, und verabscheue sie. (Apemanthus geht ab.) Siebende Scene. (Die Diebe treten auf.) 1. Dieb. Wo mag er wol sein Geld haben? Es wird irgend ein armseliges Fragment, irgend ein uebriges Bisschen sein, das er noch davon gebracht hat. Nichts anders, als der Mangel an Geld, und der Undank seiner Freunde, hat ihn zu dieser Melancholey gebracht. 2. Dieb. Das Geruecht geht, er hab' einen Schaz gefunden. 3. Dieb. Wir wollen einen Versuch machen; wenn er nichts darnach fragt; wird er's uns gutwillig geben; aber wenn er so geizig ist, dass er's fuer sich allein behalten will, was ist dann zu thun? 2. Dieb. Er wird den Schaz nicht bey sich tragen; er wird ihn verstekt haben. 1. Dieb. Ist der nicht Timon? Alle. Wo? 2. Dieb. Der Beschreibung nach ist er's. 3. Dieb. Er ists, ich kenn' ihn. Alle. Gruess dich Gott, Timon. Timon. He, Diebe. Alle. Soldaten, keine Diebe. Timon. Beydes, und von Weibern gebohren. Alle. Diebe sind wir nicht, aber Leute, die sehr viel Beduerfnisse haben. Timon. Euer groestes Beduerfniss ist, was ihr aller Orten finden koennet: Was solltet ihr beduerfen? Seht, die Erde hat Wurzeln; innert einer Meile um uns her entspringen hundert Quellen; die Eichen tragen Eicheln, die Gestraeuche, Hambutten; die gutthaetige Hausmutter, Natur, legt auf jedem Busch ihren ganzen Kram vor euch aus-- Beduerfnisse? Warum Beduerfnisse? 1. Dieb. Wir koennen nicht von Gras, Beeren und Wasser leben; wie Thiere, Voegel und Fische. Timon. Auch nicht von den Thieren, Voegeln und Fischen selbst; ihr muesst Menschen essen. Doch muss ich euch Dank dafuer sagen, dass ihr offenbare Diebe seyd, und euch nicht in heiligere Gestalten einhuellet; denn es herrscht grenzenlose Dieberey auch in gesezmaessigen Lebensarten. Galgenschwengel, Diebe, hier ist Gold! (Er giebt ihnen Geld.) Geht, saugt das fluechtige Blut der Traube, bis das hizige Fieber euer Blut zu Schaum kocht, und entgeht dadurch dem Galgen. Vertraut euch keinem Arzt, seine Arzneyen sind Gift, er toedtet mehr Menschen als ihr beraubt, und nimmt ihnen ihr Geld mit samt dem Leben. Treibt eure Bubenstueke, treibt sie, weil ihr euch dazu bekennt, wie ein andres Handwerk; ich will euch Beyspiele genug von Dieberey geben. Die Sonn' ist ein Dieb, und beraubt durch ihre starke Anziehung das weite Welt-Meer. Der Mond ist ein ausgemachter Dieb, und mausst sein blasses Licht der Sonne. Das Meer ist ein Dieb, dessen schmelzende Wellen Daemme in salzichte Thraenen aufloesen. Die Erde ist ein Dieb, die uns das Futter, wovon sie lebt, aus dem Unrath aller Dinge zusammenstiehlt; ein jedes Ding ist ein Dieb. Die Geseze, die euch binden und mit Ruthen streichen, haben ungestraften Diebstahl in ihrer rauhen Gewalt. Liebt euch selbst nicht, hinweg, beraubt einander, hier habt ihr mehr Gold; schneidet Kehlen ab; alle die euch begegnen sind Diebe: Geht nach Athen, brecht in offne Buden ein, denn ihr koennt nichts stehlen; das nicht von Dieben verlohren wird; stehlt nichts desto minder, weil ich euch Gold gebe, und Gold verderbe euch, Amen! (Er geht ab.) 3. Dieb. Er hat mir mein Handwerk schier erleidet, indem er mich dazu aufmunterte. 1. Dieb. Das ist die allgemeine Bosheit der Menschen; er giebt uns einen Rath, in Hoffnung, dass er uns an den Galgen bringen werde. 2. Dieb. So will ich ihm glauben wie einem Feind, und meine Profession aufgeben. 1. Dieb. Wir wollen erst warten, bis zu Athen Fried' ist. 2. Dieb. Es ist kein so schlimmer Zustand, worinn ein Mensch nicht noch gut werden kan. (Sie gehen ab.) Fuenfter Aufzug. Erste Scene. (Der Wald und Timons Hoele.) (Flavius tritt auf.) Flavius. O ihr Goetter, ist jener verworfne, zerstoerte Mann mein Herr? So abgezehrt, so eingefallen! O! ein Denkmal, ein Wunder von uebelangewandten Gutthaten! Was fuer eine Veraenderung hat eine verzweiflungsvolle Duerftigkeit in seiner Gemuethsart gemacht! Was fuer ein schaendlicheres Ding ist auf der Erde als Freunde, die das edelste Gemueth zu einem solchen Verfall bringen koennen! Wie wohl schikt sich das Gebott, dass wir unsre Feinde lieben sollen*, fuer unsre Zeiten! Wenn es mir auch frey stuende, wollt' ich sie doch eher lieben als Schmeichler.--Er hat mich wahrgenommen; ich will ihm meinen redlichen Kummer zeigen, und bis zum lezten Athemzug sein treuer Diener bleiben. {ed.-* Hier vergisst unser Autor, dass seine Personen keine Christen sind, noch seyn koennen; kein Wunder, da er durch das ganze Stuek vergessen hat, dass sie Athenienser sind.} (Timon kommt aus seiner Hoele hervor.) Mein theurester Herr. Timon. Weg! Wer bist du? Flavius. Habt ihr mich vergessen, mein Herr? Timon. Wie magst du fragen? Ich habe alle Menschen vergessen; wenn du also gestehen musst, das du ein Mensch bist, so hab ich dich vergessen. Flavius. Ein ehrlicher Diener-- Timon. So kenn ich dich nicht: ich habe niemals ehrliche Leute um mich gehabt; alle die ich hatte waren Spizbuben, um Galgenschwengeln beym Essen aufzuwarten. Flavius. Die Goetter sind Zeugen, dass niemals ein armer Verwalter einen aufrichtigern Schmerz fuer seinen zu Grunde gerichteten Herrn gefuehlt hat, als meine Augen fuer euch. (Er weint.) Timon. Wie? weinst du? Komm naeher, so will ich dich denn lieben, weil du ein Weib bist; du kanst aus Mitleiden weinen; das kan das kieselsteinerne Herz des maennlichen Geschlechts nicht; wenn ihre Augen uebergehen, so geschieht es vor Lachen oder boeser Lust. Flavius. Ich bitte euch, mein guetiger Herr, mich nicht abzuweisen, und mir zu verstatten, dass ich euern Kummer theile, und so lange dieser arme Reichthum daurt, (er zeigt ihm einen Beutel mit Geld,) euer Verwalter bleibe. Timon. Hatt' ich einen Verwalter, der so getreu, so redlich, und nun so huelfreich ist? Diss koennte mein verwildertes Gemueth beynahe zahm machen. Lass mich dein Gesicht sehen; wahrlich, dieser Mann ist von einem Weibe gebohren. Verzeihet mir mein allgemeines, keine Ausnahme machendes, zu rasches Urtheil, ihr unsterblichen, weisen Goetter! Ich gestehe nun einen ehrlichen Mann zu; verstehet mich wol, nur Einen; keinen mehr, ich bitte euch; und der einzige ist ein Verwalter! Wie gerne wollt' ich das ganze Menschen-Geschlecht gehasset haben, und du kaufst dich los; doch alle andre, dich ausgenommen, moegen meine Flueche treffen! Mich daeucht, du seyest mehr ehrlich als klug; denn, wenn du mich betrogen und verrathen haettest, so haettest du desto baelder eine andre Bedienstung erhalten koennen; viele kommen auf diese Art zu ihren zweyten Herren, auf ihres ersten Herrn Naken. Aber sage mir aufrichtig, (denn ich muss immer zweifeln, ob ich gleich niemals weniger Ursach dazu hatte;) ist nicht diese deine Zaertlichkeit listig und eigennuezig, eine wuchernde Zaertlichkeit, wie reiche Leute Geschenke machen, um zwanzig mal so viel dafuer zuruek zu bekommen? Flavius. Nein, mein wuerdiger Herr, (in dessen Brust Zweifel und Argwohn, ach leider! zu spaet Plaz nehmen;) ihr haettet falsche Freundschafts- Versicherungen vermuthen sollen, da ihr Bankette gabt. Das was ich euch zeige, der Himmel weiss es, ist lauter Liebe, Pflicht und Ergebenheit gegen ein Herz, das seines gleichen nicht hat, Sorge fuer euern Unterhalt und euer Leben; und glaubt mir, es ist kein Vortheil weder gegenwaertig, noch den ich hoffen koennte, den ich nicht um diesen einzigen Wunsch vertauschen wollte, euch wieder in Gluek und Wohlstand zu sehen. Timon. Gut, ich glaube dir, es ist so; du einzelner ehrlicher Mann, hier, nimm. (Er giebt ihm einen Sak mit Gold.) Die Goetter haben dir aus meinem Elend einen Schaz zugeschikt. Geh, lebe reich und glueklich; aber mit dieser Bedingung, dass du von den Menschen abgesondert wohnen sollst. Hass' alle, verwuensch' alle, thue keinem Gutes; lass einem Bettler eh sein verhungertes Fleisch von den Knochen fallen, eh du ihm ein Almosen gaebest. Gieb den Hunden, was du den Menschen versagst. Dass Gefaengnisse sie verschlingen, dass sie in Schulden verderben, dass die Menschen einem verdorrten Walde gleich sehen, und verpestete Krankheiten ihr falsches Blut aufleken! Und hiemit lebe wohl, und gedeyhe! Flavius. O lasst mich bey euch bleiben, mein guetiger Herr, und euch unterstuezen -- Timon. Wenn du meinem Fluch ausweichen willst, so saeume dich nicht, flieh; flieh, weil du noch gesegnet und frey bist. Sieh du keinen Menschen mehr, und lass dich nimmer vor mir sehen. (Sie gehen auf verschiedne Seiten ab.) Zweyte Scene. (Der Poet und der Makler treten auf.) Mahler. Nach der Erkundigung, die ich von dem Ort eingezogen habe, kan er nicht weit von hier sich aufhalten. Poet. Was soll man von ihm denken? bestaettigt sich das Geruecht, dass er soviel Gold haben soll? Mahler. Er hat; Alcibiades erzaehlt es, Phrynia und Timandra haben Gold von ihm bekommen; er schenkt' auch etlichen armen verlaufenen Soldaten eine grosse Menge davon. Man sagt, er gab seinem Verwalter eine starke Summe. Poet. So war folglich diese Bankrutt nur eine Pruefung seiner Freunde. Mahler. Nichts anders; ihr werdet ihn bald in Athen unter den Ersten wieder glaenzen sehen. Es wird also nicht uebel gethan seyn, wenn wir ihm in dem Unglueks-Stand', worinn man ihn versunken glaubt, unsre Freundschaft bezeugen; es wird uns das Ansehen eines edelmuethigen Betragens geben; und es ist sehr wahrscheinlich, dass es uns zu unserm Zwek fuehren wird, wenn es wahr ist, dass er so reich seyn soll. Poet. Was habt ihr bey euch, womit ihr ihm aufwarten wollet? Mahler. Nichts fuer dissmal als meinen Besuch; allein ich will ihm ein vortrefliches Stuek versprechen. Poet. Ich will ihn auf die nemliche Art bedienen. Mahler. So ist's am besten. Versprechen oeffnet das Auge der Erwartung, und macht sich oft fuer etwas, das niemals gehalten wird, zum voraus bezahlt. Halten ist allemal der Narr in seinem eignen Spiel; sobald ein Versprechen gehalten ist, so nuezt es, ausser bey der einfaeltigern Art von Leuten, dem Geber nichts mehr. Versprechen ist hofmaennisch, und ein Stuek von der feinen Lebensart; Halten ist eine Art von leztem Willen oder Testament, welches bey dem, der es macht, eine grosse Krankheit--am Verstand anzeigt. (Timon kommt, ohne dass ihn die vorigen Personen gewahr werden, aus der Hoele hervor.) Timon (vor sich.) Vortreflicher Kuenstler! du kanst keinen so schlechten Kerl mahlen als du selbst bist. Poet. Ich besann' mich, was ich sagen will, das ich fuer ihn in der Arbeit habe--Es muss eine Vorstellung von ihm selbst seyn; eine Satyre ueber die Weichlichkeit, die eine Folge des Wohlstands zu seyn pflegt; mit einer Entdekung der unendlichen Schmeicheleyen, die das Gefolge von Jugend und Reichthum sind. Timon. Must du dich dann in deinem eignen Werk als einen Nichtswuerdigen abschildern? Willt du deine eigne Laster auf andrer Leute Rueken peitschen? Thue es, ich habe Gold fuer dich. Poet. Wir wollen ihn aufsuchen. Wer einen Vortheil einzuholen Zu spaet kommt, hat sich selbst bestohlen. Mahler. Ihr habt recht. Poet. Such', was dir fehlt, bey Tag, der unbezahlt dir scheint; Die Nacht im schwarzen Flor ist niemands Freund. Kommt! Timon. Ich will euch beym Umkehren entgegen kommen--Was fuer ein Gott ist Gold, dass er in Tempeln verehrt wird, die veraechtlicher sind als die Oerter, wo Schweine ihre Speise suchen. Du bist es der das Schiff ausrehdet, und die beschaeumten Wellen pfluegt; du verschaffst dem Sclaven Bewundrung und Ehrfurcht; niemals moege dein Dienst abnehmen, und verderbliche Plagen sollen deine Anbeter umkraenzen!-- Izt ist es Zeit, ihnen entgegen zu kommen. Poet. Heil dir, wuerdiger Timon. Mahler. Einst unser edler Gebieter. Timon. Wie, erleb' ich es, noch zween ehrliche Maenner zu sehen? Poet. Mein Herr, da wir so viel Gutes von euch genossen haben, und vernehmen mussten, dass ihr euch entfernt, und dass alle eure Freunde abgefallen, fuer deren undankbare Gemuether--(oh, verabscheuungswuerdige Seelen!) alle Ruthen des Himmels nicht hinreichend sind--Was? von euch? dessen Stern-gleiche Grossmuth Leben und Einfluesse ihrem ganzen Wesen gab? Ich komme ganz ausser mich, und kan keine Worte gross genug finden, die ungeheure Groesse dieser Undankbarkeit darein zu kleiden. Timon. Lasst sie nakend gehen, so sehen die Leute sie desto besser; ihr, die ihr ehrliche Maenner seyd, macht durch das, was ihr seyd, das was sie sind am besten sichtbar. Mahler. Er und ich haben in dem grossen Regen eurer Freygebigkeit gereisst, und ihn auf eine angenehme Art empfunden. Timon. Ja, ihr seyd ehrliche Maenner. Mahler. Wir sind hieher gekommen, euch unsre Dienste anzubieten. Timon. Sehr ehrliche Maenner! Wie kan ich's euch wett machen? Koennt ihr Wurzeln essen, und kaltes Wasser trinken? Nein. Beyde. Wir wollen thun, was wir nur immer koennen, um euch Dienste zu leisten. Timon. Ihr seyd ehrliche Maenner; ihr habt gehoert, dass ich Gold habe; ich bin versichert, ihr habt's gehoert; sagt die Wahrheit, ihr seyd ehrliche Maenner. Mahler. So sagt man, mein edler Lord; allein desswegen kam ich und mein Freund nicht hieher. Timon. Guter ehrlicher Mann; du mahlst das beste Portrait unter allen Mahlern in Athen; du bist, in der That, der beste; du mahlst vortreflich nach dem Leben. Mahler. So, so, Gnaediger Herr. Timon. Eben so, mein Herr, wie ich sagte. (Zum Poet.) Und was deine Gedichte betrift, deine Verse fliessen so voll und lieblich, dass du in deiner Kunst eben so natuerlich bist. Allein eben darum, meine ehrlich-gesinnten Freunde, muss ich euch sagen, ihr habt einen kleinen Fehler; der aber in der That euch nicht sehr entstellt; auch wuenscht' ich nicht, dass ihr euch grosse Muehe gaebet, ihn zu verbessern. Beyde. Wir bitten Euer Gnaden ihn uns bekannt zu machen. Timon. Ihr moechtet es uebel aufnehmen. Beyde. Mit hoechstem Dank, Gnaediger Herr. Timon. Ist das euer Ernst? Beyde. Zweifelt nicht daran, Milord. Timon. Es ist niemals einer von euch allein, ohne sich einem Spizbuben anzuvertrauen, der euch gewaltig hinter's Licht fuehrt. Beyde. Thun wir das, Gnaediger Herr? Timon. Das thut ihr, und ihr hoert seine Schmeicheleyen; seht wie er sich verstellt, kennt seine groben Schelmstueke, und doch liebt ihr ihn, gebt ihm zu essen, und tragt ihn in euerm Busen; aber seyd versichert, er ist ein ausgemachter Spizbube. Mahler. Ich kenne keinen solchen, Gnaediger Herr. Poet. Noch ich. Timon. Schaut ihr, ihr seyd mir lieb, ich will euch Gold geben, wenn ihr mir diese Schelmen aus eurer Gesellschaft ausstossen wollt; haengt sie oder erstecht sie, gebt ihnen Gift ein, oder schaft sie sonst auf eine Art aus der Welt, und kommt wieder zu mir, so will ich euch Gold genug geben. Beyde. Nennet sie, Gnaediger Herr, wir moechten sie kennen. Timon. Geht ihr auf diese Seite, und ihr auf diese--Aber es sollte jeder allein seyn--wenn jeder von euch ganz allein und einzeln ist, so haelt ihm doch ein Erz-Spizbube Gesellschaft. (Zum Mahler.) Wenn da wo du bist, nicht zween Spizbuben seyn sollen, so komm ihm nie zu nah-- (Zum Poet.) Wenn du nirgends seyn willt, als wo nur ein Spizbube ist, so verlass ihn. Fort, pakt euch, hier ist Gold; (Er giebt ihnen Schlaege.) ihr kamet um Gold zu kriegen, ihr Sclaven; ihr habt Arbeit fuer mich;--hier ist eure Bezahlung--Fort--Ihr seyd ein Alchymist, macht Gold aus diesem; fort, ihr Lumpenhunde! (Er pruegelt sie, und jagt sie fort.) Dritte Scene. (Flavius und zween Senatoren treten auf.) Flavius. Es ist umsonst, wenn ihr den Timon sprechen wollt; denn er ist so gaenzlich auf sich allein eingeschraenkt, dass er nichts was einem Menschen gleich sieht, ausser sich selbst, um sich leiden kan. 1. Senator. Fuehrt uns zu seiner Hoele; es ist unser Auftrag, und wir haben uns den Atheniensern dazu verpflichtet, mit Timon zu reden. 2. Senator. Die Menschen sind nicht zu allen Zeiten gleich; Umstaende und Kummer haben ihm diesen Humor gegeben; die Zeit, die ihm nun die Gluekseligkeiten seiner ehmaligen Tage wieder anbietet, kan ihn wieder zu dem vorigen Mann machen; fuehrt uns zu ihm, es mag gehen wie es will. Flavius. Hier ist seine Hoele! Fried' und Zufriedenheit wohne hier, Lord Timon! Timon, schaue heraus, und rede mit Freunden; die Athenienser gruessen dich durch zwey Mitglieder ihres hoechst ehrwuerdigen Senats; rede mit ihnen, edler Timon. (Timon kommt aus seiner Hoele heraus.) Timon. Du Sonne, anstatt zu erquiken, brenne!--Redet, und dann geht an den Galgen! wenn ihr fuer jedes wahre Wort eine Blatter kriegtet, und fuer jedes falsche bis auf die Wurzel eurer Zunge gebrannt wuerdet, so wuerd' euer Vortrag nicht lange dauern. 1. Senator. Wuerdiger Timon-- Timon. Ja, solcher Leute wuerdig wie ihr seyd, und ihr des Timons. 2. Senator. Die Senatoren von Athen gruessen dich, Timon. Timon. Ich dank' ihnen, und wollt' ihnen die Pest dafuer zuruek schiken, wenn ich sie kriegen koennte. 1. Senator. O vergiss dessen, an was wir selbst ohne Schaam und Kummer nicht denken koennen; die Senatoren ruffen dich mit einhelliger Freundschaft nach Athen zuruek, und sind darauf bedacht, dich mit den ansehnlichsten Ehrenstellen zu ueberhaeuffen, die fuer dich erledigt ligen. 2. Senator. Sie bekennen, dass ihre Unachtsamkeit auf deine Verdienste zu allgemein, zu gross gewesen; die ganze Republik, (die sonst selten Palinodien zu singen pflegt,) hat durch das Gefuehl, wie sehr ihr Timon mangelt, eine lebhafte Empfindung von dem Unrecht bekommen, das sie sich selbst angethan, indem sie dem Timon ihren Beystand entzogen; und sendet uns nun, dir darueber ihre reuvolle Bekuemmerniss zu bezeugen, und dir zugleich einen Ersaz anzubieten, den ihr Vergehen nicht um eine Drachme ueberwiegen soll; ja so ueberhaeufte Summen von Liebe, Ansehn und Reichthum, dass sie jede Spur der vergangnen Kraenkungen in deinem Andenken ausloeschen, und die Figuren ihrer Liebe so tief in dich eindrueken sollen, dass sie auf ewig unausloeschlich dauern werden. Timon. Ihr bezaubert mich, ueberrascht mich durch eure Beredsamkeit beynahe zu Thraenen; leiht mir eines Narren Herz, und die Augen eines Weibs, so will ich ueber diese troestlichen Sachen weinen, wuerdige Senatoren. 1. Senator. Lass dir also gefallen mit uns zuruek zu kehren, und die Ober- Befehlhabers-Stelle ueber unser Athen, dein und unser Athen, anzunehmen: Du sollt mit allgemeinen Dankbezeugungen eingeholt, und mit dem voelligen Ansehn der hoechsten Gewalt bekleidet werden; so werden wir bald die wilden Anfaelle des Alcibiades zuruek getrieben haben, der izt, wie ein ergrimmter Baer, den Frieden seines Vaterlands aufwuehlt, 2. Senator. und sein draeuendes Schwerdt gegen die Mauern von Athen gezuekt haelt. 1. Senator. Daher, Timon-- Timon. Gut, mein Herr, ich will; daher will ich, mein Herr; so, nemlich-- Wenn Alcibiades meine Landsleute umbringt, so lasst den Alcibiades vom Timon dieses wissen, dass Timon sich nichts darum bekuemmert. Wenn er das schoene Athen zu einem Steinhauffen macht, wenn er eure wakern alten Maenner bey den Baerten zieht, und eure keuschen Jungfrauen der Beflekung des schaamlosen, viehischen, wuethenden Kriegs Preiss giebt, so lasst ihn wissen--und sagt ihm, Timon hab' es gesagt--Aus Mitleiden mit euern Alten und mit eurer Jugend kan ich nicht anders als ihm sagen lassen, dass ich--nichts darnach frage. Und lasst es ihn im schlimmsten Sinn nehmen als er will, denn ihre Messer fragen auch nichts darnach, dass ihr Gurgeln zum Antworten habt. Was mich selbst betrift, so ist in seinem ganzen zaumlosen Lager kein so kleines Taschen-Messer, das ich nicht hoeher schaeze und liebe, als die ehrwuerdigste Gurgel in Athen. Und hiemit ueberlass ich euch der Obhut der Goetter, wie Diebe ihren Huetern. Flavius. Bleibet nicht laenger, es ist alles umsonst. Timon. Wie, ich war eben im Begriff, meine Grabschrift zu schreiben; morgen wird man sie sehen koennen. Meine lange Krankheit an Gesundheit und Leben faengt an sich zu bessern, und Nichts bringt mir Alles.--Geht, lebt immerhin; Alcibiades sey eure Geissel, ihr die seinige; und so daurt einander aus, so lang es moeglich ist! 1. Senator. Alles, was wir reden koennten ist umsonst. Timon. Und doch lieb' ich mein Vaterland noch; und bin keiner, der an dem allgemeinen Schiffbruch seine Freude hat, wie die Sage von mir geht. 1. Senator. Das ist wol gesprochen. Timon. Empfehlt mich meinen werthesten Mitbuergern. 1. Senator. Das sind Worte, die euern Lippen wol anstehen! 2. Senator. Und in unsre Ohren, wie triumphierende Sieger durch ihre zujauchzenden Thore, eingehen. Timon. Empfehlt mich ihnen, und sagt ihnen, um ihnen in ihren bekuemmerten Umstaenden, ihrer Furcht vor feindlichen Streichen, ihren Drangsalen, ihrem grossen Verlust, ihren Liebes-Aengsten, und andern dergleichen zufaelligen Wehen, die das zerbrechliche Gefaess der menschlichen Natur in der ungewissen Reise des Lebens auszustehen hat, einige Linderung zu verschaffen, woll' ich ihnen noch eine Probe von meiner guetigen Gemuethsart geben, und ihnen ein Mittel sagen, wodurch sie dem Grimm des Alcibiades zuvorkommen koennen. 2. Senator (leise.) Das geht ganz gut; er wird mit uns zuruek kommen. Timon. Ich habe einen Baum, der hier in meinem Einfang waechsst, und den ich zu meinem eignen Gebrauch naechstens faellen muss. Sagt meinen Freunden, den Atheniensern, allen ohne Ausnahm, von dem Hoechsten bis zum Niedrigsten; dass ein jeder der Lust habe, allem seinem Leid ein Ende zu machen, unverzueglich hieher kommen, und eh noch mein Baum die Axt gefuehlt hat, sich daran aufhaengen soll--Ich bitte euch, richtet es wohl aus. Flavius. Beunruhigt ihn nicht laenger, ihr werdet ihn nie anders finden. Timon. Kommt nicht wieder zu mir, sondern sagt den Atheniensern: Timon habe seine immerwaehrende Wohnung an dem aeussersten Strande der gesalznen Fluth genommen, wo die ungestuemen Wellen sie alle Tage einmal mit ihrem schwellenden Schaum bedeken werden. Dahin kommt, und lasst meinen Grabstein euer Orakel seyn. Schliesset euch nun, meine Lippen, und macht euern Verwuenschungen ein Ende; Pest und Verderben vollende, was ihr vergessen habt; Graeber allein seyen der Menschen Arbeit, und Tod ihr Gewinn! Sonne, verbirg deine Stralen! Timon hat seinen Lauf vollbracht. (Timon geht ab.) 1. Senator. Sein Unwille und Gram ist auf eine unzertrennliche Art mit seinem Wesen zusammengewachsen. 2. Senator. Unsre Hoffnung auf ihn ist todt; lasst uns zuruek kehren, und sehen, was fuer andre Mittel uns in dieser aeussersten Gefahr noch uebrig sind. 1. Senator. Wir haben keinen Augenblik zu versaeumen. Vierte Scene. (Die Mauern von Athen.) (Zween andre Senatoren mit einem Boten treten auf.) 1. Senator (zum Bot.) Du hast grosse Muehe bey deiner Auskundschaftung gehabt; sind denn seine Linien so voll wie man sagt? Bote. Ich habe die geringste Zahl angegeben; zudem, so macht er Anstalten, unmittelbar vor die Stadt anzurueken. 2. Senator. Wir sind in grosser Gefahr, wenn sie den Timon nicht mit sich bringen. Bote. Ich begegnete unterwegs einem Courier, einem alten guten Freund von mir; wir sind zwar von entgegenstehenden Partheyen; allein unsre alte Liebe hatte doch Staerke genug, zu machen, dass wir wie gute Freunde mit einander sprachen. Dieser Mann war in Eile von Alcibiades nach Timons Hoele abgeschikt mit Briefen, worinn er ihn einlud, seine Parthey wider eure Stadt zu verstaerken, um so mehr als das Unrecht, so dem Timon angethan worden, eine von den Ursachen sey, die ihn in Waffen gesezt habe. (Andre Senatoren zu den Vorigen.) 1. Senator. Hier kommen unsre Brueder. 3. Senator. Redet nicht von Timon, erwartet nichts von ihm; man hoert schon die Trummeln der Feinde, und das fuerchterliche Stampfen ihrer Tritte fuellt die Luft mit Staub. Hinein, und macht euch gefasst; ich besorge, unsre Gegenwehr werde wenig helfen. (Sie gehen ab.) (Ein Soldat geht in den Wald hinein, und sucht den Timon.) Soldat. Der Beschreibung nach muss dieses der Ort seyn. Wer ist hier? Antworte! he! Keine Antwort?--was ist diss?--ha! Timon todt ausgestrekt? Irgend ein wildes Thier muss dieses Grabmal aufgewuehlt haben, denn hier lebt kein Mensch. Er ist todt, so ist's, und diss ist sein Grab--Was ist auf diesem Stein? Ich kan nicht lesen; aber ich will die Schrift in Wachs abdruken; unser General versteht alles, er ist alt an Wissenschaft, obgleich jung an Tagen; anstatt ihm seinen Freund zu bringen, bring ich ihm seine Grabschrift. (Er geht ab.) Fuenfte Scene. (Vor den Mauern von Athen.) (Trompeten. Alcibiades zieht mit seinem Heer auf.) Alcibiades. Verkuendigt dieser feigen und von Wollust aufgeloesten Stadt unsre fuerchterliche Ankunft. (Man hoert Schamade schlagen. Die Senatoren lassen sich auf den Mauern sehen.) Bis izt habt ihr ohne Scheu euerm ausschweiffenden Uebermuth den Zuegel gelassen, und eure Willkuehr zum Zwek der Geseze gemacht. Lange genug sind ich und andre, die im Schatten eurer Gewalt schliefen, mit verkehrten Waffen, wie Nachtwandrer, herumgeirret, und haben unsre Bedruekung umsonst in Klagen ausgehaucht. Nun ist die Zeit gekommen, da das ueberladne Mark unter der uebermaessigen Last ausruft: Es ist genug*; nun soll die keuchende Beleidigung sich in eure grosse Lehnstuehle werfen, und ausschnauben; und der aufgeschwollne Uebermuth vor Angst allen seinen Wind fahren lassen, und mit emporstraeubenden Haaren davon lauffen. {ed.-* Das Mark wurde fuer die Quelle der Staerke gehalten. Das Bild ist von einem Cameel hergenommen, welches auf den Knien ligt, um seine Last aufzunehmen; und gleich aufsteht, wenn man ihm mehr auflegen will, als es tragen kan. Warbuerton.} 1. Senator. Edler Juengling, da deine ersten Beschwerden nur noch Gedanken waren, eh du Macht hattest oder wir Ursache hatten dich zu fuerchten; sandten wir zu dir, deinen Zorn zu besaenftigen, und versprachen, unsre Undankbarkeit mit ueberschwaenglicher Liebe auszuloeschen. 2. Senator. Wir hielten auch durch eine demuethige Gesandtschaft, und mit versprochner Besserung, bey dem verwandelten Timon an, unsrer Stadt seine Liebe wieder zu schenken; wir sind nicht alle undankbar, und verdienen nicht alle unter dem allgemeinen Streich des Krieges zu sinken. 1. Senator. Diese unsre Mauern sind nicht von den Haenden derjenigen aufgefuehrt worden, von denen ihr Beleidigungen empfangen habt; und es waere nicht billig, dass diese schoenen Thuerme, diese Tropheen und diese Schulen, um der Missethat etlicher Privatleute willen fallen sollten. 2. Senator. Diejenigen sind nicht einmal mehr am Leben, deren Bestraffung der erste Beweggrund euers Auszugs war. Schaam und Verdruss ueber die Folgen ihrer Unbesonnenheit hat ihnen das Herz gebrochen. Ziehe nur, o edler Lord, mit fliegenden Fahnen in unsre Stadt ein; lass, wenn deine Rache nach einer Nahrung hungert, wovor der Natur grauet, lass durch das fatale Loos den zehnten Mann sterben, und schone der uebrigen. 1. Senator. Nicht alle haben gesuendiget; es ist nicht billig, an den Unschuldigen die Rache zu nehmen, die nur die Schuldigen verdient haben. Verbrechen werden nicht mit den Guetern geerbt. Fuehr' also, theurer Mitbuerger, deine Schaaren herein, aber lass deinen Zorn voraussen; schone deiner Atheniensischen Wiege, und dieser Geschlechter, die in dem Ungestuem deines Grimms mit denen, so gesuendigt haben, fallen muessten. Komm, gleich einem Schaefer, in die Huerden, um die angestekten auszusondern, nicht alle zusammen zu erwuergen. 2. Senator. Wozu willst du dein Schwerdt wieder uns ziehen, da du uns durch dein Laecheln leichter zu allem was du willst, zwingen kanst? 1. Senator. Seze nur deinen Fuss gegen unsre verrigelten Thore, und sie sollen sich oeffnen, wenn du dein guetiges Herz vorausschiken willst, uns zu versichern, dass du als Freund einziehen werdest. 2. Senator. Zieh deinen Handschuh, oder gieb uns ein andres Pfand deines Ehrenworts, dass du deine Macht nur zu deiner eignen Wiederherstellung, nicht zu unsrer Zerstoerung, gebrauchen wollest; alle deine Kriegsschaaren sollen so lange in unsern Mauern ligen bleiben, biss deinen Fordrungen voellig genug geschehen seyn wird. Alcibiades. So ist dann hier mein Handschuh. Steigt herab, und oeffnet eure wehrlosen Thore; diese Feinde des Timon und die meinige, deren Verurtheilung euch selbst uebergeben seyn soll, diese allein sollen fallen; und euch zu zeigen, dass ihr von meinen edlern Gesinnungen nichts zu besorgen habt, so soll keiner von meinen Leuten sein angewiesenes Quartier ueberschreiten, oder den Lauf der buergerlichen Ordnung in den Bezirken eurer Stadt stoeren, ohne von den oeffentlichen Gesezen zur schaerfsten Verantwortung gezogen zu werden. Beyde. Diss ist sehr edel gesprochen. Alcibiades. Kommet herab, und haltet euer Wort. (Ein Soldat tritt auf.) Soldat. Mein edler Obrister, Timon ist todt; an dem aeussersten Ufer des Meers ist sein Grab, und auf dem Grabstein diese Aufschrift, die ich in Wachs mit mir genommen habe, damit dieser Abdruk der Dolmetscher meiner armen Unwissenheit sey. Alcibiades (liesst die Grabschrift:) Hier ligt ein unglueklicher Leichnam, von einer unglueklichen Seele verlassen; sucht meinen Namen nicht! Verderben ueber euch Boesewichter alle, die ich hinter mir lasse! Hier ligt Timon, der alle Menschen hassete; geh' vorbey, und fluch' ihm bis du genug hast, nur verweile dich nicht hier. Dieses druekt die lezten Bewegungen deiner Seele wohl aus; ob du gleich unser menschliches Mitleid verabscheuet, und die Thraenen verschmaehest, die der kargen Natur entfallen; so lehrte dich doch ein edler Stolz, den ungeheuern Neptun fuer ewig auf dein niedriges Grab weinen zu lassen--Wohlan--die Fehler sollen vergeben seyn--Der edle Timon ist todt; und sein Gedaechtniss soll eine unsrer Sorgen seyn--Fuehrt mich in eure Stadt, und ich will mein Schwerdt mit Oelzweigen umwinden!-- Ruehrt die Trummeln, und ruekt ein-- (Sie ziehen ab.) Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Timon von Athen, von William Shakespeare (Uebersetzt von Christoph Martin Wieland). End of the Project Gutenberg EBook of Timon von Athen, by William Shakespeare *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK TIMON VON ATHEN *** This file should be named 7gs3710.txt or 7gs3710.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7gs3711.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7gs3710a.txt Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. Please note neither this listing nor its contents are final til midnight of the last day of the month of any such announcement. 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This is also a good way to get them instantly upon announcement, as the indexes our cataloguers produce obviously take a while after an announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter. http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03 Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90 Just search by the first five letters of the filename you want, as it appears in our Newsletters. Information about Project Gutenberg (one page) We produce about two million dollars for each hour we work. The time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our projected audience is one hundred million readers. If the value per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 If they reach just 1-2% of the world's population then the total will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! This is ten thousand titles each to one hundred million readers, which is only about 4% of the present number of computer users. Here is the briefest record of our progress (* means estimated): eBooks Year Month 1 1971 July 10 1991 January 100 1994 January 1000 1997 August 1500 1998 October 2000 1999 December 2500 2000 December 3000 2001 November 4000 2001 October/November 6000 2002 December* 9000 2003 November* 10000 2004 January* The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. We need your donations more than ever! As of February, 2002, contributions are being solicited from people and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West Virginia, Wisconsin, and Wyoming. We have filed in all 50 states now, but these are the only ones that have responded. As the requirements for other states are met, additions to this list will be made and fund raising will begin in the additional states. Please feel free to ask to check the status of your state. In answer to various questions we have received on this: We are constantly working on finishing the paperwork to legally request donations in all 50 states. If your state is not listed and you would like to know if we have added it since the list you have, just ask. While we cannot solicit donations from people in states where we are not yet registered, we know of no prohibition against accepting donations from donors in these states who approach us with an offer to donate. International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made deductible, and don't have the staff to handle it even if there are ways. Donations by check or money order may be sent to: Project Gutenberg Literary Archive Foundation PMB 113 1739 University Ave. Oxford, MS 38655-4109 Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment method other than by check or money order. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN [Employee Identification Number] 64-622154. Donations are tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising requirements for other states are met, additions to this list will be made and fund-raising will begin in the additional states. We need your donations more than ever! You can get up to date donation information online at: http://www.gutenberg.net/donation.html *** If you can't reach Project Gutenberg, you can always email directly to: Michael S. Hart Prof. Hart will answer or forward your message. We would prefer to send you information by email. **The Legal Small Print** (Three Pages) ***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START*** Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers. They tell us you might sue us if there is something wrong with your copy of this eBook, even if you got it for free from someone other than us, and even if what's wrong is not our fault. So, among other things, this "Small Print!" statement disclaims most of our liability to you. It also tells you how you may distribute copies of this eBook if you want to. *BEFORE!* YOU USE OR READ THIS EBOOK By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm eBook, you indicate that you understand, agree to and accept this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive a refund of the money (if any) you paid for this eBook by sending a request within 30 days of receiving it to the person you got it from. If you received this eBook on a physical medium (such as a disk), you must return it with your request. ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS This PROJECT GUTENBERG-tm eBook, like most PROJECT GUTENBERG-tm eBooks, is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. Hart through the Project Gutenberg Association (the "Project"). Among other things, this means that no one owns a United States copyright on or for this work, so the Project (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth below, apply if you wish to copy and distribute this eBook under the "PROJECT GUTENBERG" trademark. Please do not use the "PROJECT GUTENBERG" trademark to market any commercial products without permission. To create these eBooks, the Project expends considerable efforts to identify, transcribe and proofread public domain works. Despite these efforts, the Project's eBooks and any medium they may be on may contain "Defects". 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